Die Liebe ist ewig

„Die Liebe hört nimmer auf“ (1.Kor. 13:8).

Was für ein Missbrauch wird doch mit diesem Worte getrieben! Wie oft wendet man es auf die sentimentale, seelische, fleischliche Liebe der Menschen an. Auf wie vielen Gräbern steht dieses Wort. Wie wenig weiß man, was dieses Wort eigentlich ausdrücken will. Von unserer menschlichen Liebe ist hier gar keine Rede. Davon können wir nicht viel Wesens machen.

Wie flatterhaft, wie wetterwendisch ist die Liebe der Menschen! Da sind zwei Menschen, die sich sehr lieb haben. Sie haben es sich eben erst versichert. Aber nun kommt eine Kleinigkeit vor. Ein kleines Missverständnis, eine geringe Meinungsverschiedenheit, und die beiden, die eben noch von ihrer Liebe redeten, die grollen und schmollen stundenlang, vielleicht gar tagelang, oder sogar monate- oder jahrelang. Wie wechseln die Stimmungen: bald himmelhoch jauchzend, bald zum Tode betrübt.

Ich hörte von einem Redner einmal die furchtbaren Worte aussprechen: Es gebe nicht viele Ehen, wo der eine Teil oder der andere nicht schon gesagt, oder doch wenigstens gedacht hätte: „Wenn ich dich doch nie gesehen hätte“, oder: „Ich lebe mit dir zusammen, weil ich muss. Nun, ich habe Kinder oder bin zusammen getraut“. Ob das Wort nicht in vielen Fällen seine traurige Berechtigung hat? Ich fürchte sehr. Wenn es aber so steht, wenn unsere Liebe so wankelmütig ist wie Aprilwetter, dann können wir das Wort gewiss nicht auf unsere armselige Liebe beziehen, dann können wir nicht von unserer eigenen Liebe sagen: Die Liebe hört nimmer auf.

Hier ist von göttlicher Liebe die Rede, wie in dem ganzen Kapitel. Nur die Liebe, die Gott durch seinen Geist ausgießt in unsere Herzen, hat Ewigkeitswert. Nur darauf können wir all die Beziehungen anwenden, welche der Apostel in diesem Kapitel von der Liebe schreibt. Ja, die Liebe Gottes hört nimmer auf. Schon der Prophet sagt es uns als ein Wort Gottes: „Ich dich je und je geliebt“ (Jer. 31:3). Wenn es möglich gewesen wäre, die Liebe auszutilgen und auszulöschen, dann wäre sie längst ausgetilgt. Wie schändlich ist Gottes Liebe belohnt worden. Wie hat man sie verhöhnt und mit Füßen getreten. Aber Gottes Liebe lässt sich nicht auslöschen. Sonst würde Gott selbst ausgetilgt und ausgelöscht werden, denn sein Wesen ist Liebe. „Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, dass auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen noch die Ströme sie ertränken.“ (Hohel. 8:6-7).

Die Liebe höret nimmer auf, denn Gott hört nimmer auf. Lieben ist göttlich. Liebe ist ewig. Füllt diese Liebe Gottes dein Herz? Dann kannst du nicht anders als lieben. Dann ist Lieben dir das selbstverständlichste und natürlichste Ding von der Welt. Willst du es aber mit deiner eigenen Liebe versuchen, so wirst du jämmerlich zuschanden, so wirst du mit Scham inne: Diese Liebe hört auf. Aber gerade da, wo die menschliche Liebe nicht mehr weiterkann, wo sie ihren Bankrot erklärt, da feiert die göttliche Liebe ihren schönsten Triumph. Da wird so recht offenbar, was Liebe ist.

In der Bergpredigt sagt der Heiland: „So ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? Tun nicht die Zöllner auch also?“ (Mt. 5:46-47). Da fängt die göttliche Liebe erst an, wo die menschliche aufhört. Wo die Feindschaft der Verfolgung, wo Widerstand und Verachtung ist. Da Liebe beweisen, da nicht in der Liebe ermüden, das ist erst rechte Liebe. So hat Gott geliebt, so liebt Gott. Trotz der Greuel, voll Sünde und Schuld, trotz der Bosheit und Laster ist es wahr geworden: „Also hat Gott die Welt geliebt...“ Wer kann dieses Unergründliche „Also“ verstehen? Wer kann die Tiefen dieser Liebe ermessen? Gott ist Liebe. Gott war in Christo. Christus offenbarte der Welt die Liebe Gottes, der da will, dass allen Menschen geholfen werde.

Nimm Jesum auf in dein Herz. Öffne dich ihm, dass du sagen kannst wie Paulus: „Christus lebt in mir“ (Gal. 3:20), und du kannst auch sagen: Christus lebt in mir. Er ist dein neues „Ich“. Er ist deines Herzens Inhalt. Er lebt in dir, er liebt durch dich. Die Liebe Christi drängt dich also, dass du nicht anders kannst als lieben, lieben, lieben. Und diese Liebe Gottes, in dein Herz gesenkt in Christus, die hört nimmer auf.