​​​​​​​10. Peinigung beim Riesen Schlechte-Gefühle

Frage: Ich bin einfach ein Bündel von Gefühlen. Nie habe ich mir vorgestellt, dass jemand ein solches Durcheinander von Gefühlen haben könnte, wie ich es jetzt erlebe. Meistens sind es schlechte Gefühle, und ich bin darüber höchst beunruhigt. Ich zweifle wirklich, ob man mit solchen Gefühlen geheiligt sein kann. Besitzen geheiligte Leute eigentlich immer freudige Gefühle? Ich habe es wenigstens gehört, und wenn dies wahr ist, dann bin ich nicht geheiligt. Jeden Morgen bestürmen mich große Zweifel, und ich weiß nicht, wie ich sie besiegen soll, solange ich derartige Gefühle habe. Angesichts dieser Fragen ist mir auf dem Herzen schwer, sehr schwer. Könnt ihr mir sagen, wie geheiligte Leute empfinden? Bitte gebt mir Aufschluss, ich bin danach sehr begierig.

Antwort: Fast jeder Pilger Kanaans hat mit dem Riesen Schlechte-Gefühle eine Begegnung gehabt. Er ist ein tapferer alter Riese, und hat, weil er die Pilger peinigt, schon ein lange Schuldenliste aufzuweisen. Man sagt, er sei nicht so lebensgefährlich wie manche andere Riesen; denn selten erschlägt er Pilger. Aber was seine Peinigung anbelangt und seine Helferdienste, die er dem Riesen Entmutiger leistet, so ist ihm keiner gleich. Er ist ein Verderben bringender Riese und hat eine große Familie.

Es scheint heute ein schöner Tag zu werden; die Sonne ging klar auf. Wollen wir die Pilgerin Sonnenschein besuchen? Sie wohnt, wie ich hörte, in einem der sonnigsten und herrlichsten Täler in ganz Kanaan. Wie denkst du, wird es für uns nützlich sein, sie mal zu sehen? Lass uns gehen!

Nebenbei gefragt, hast du die Geschichte von der Pilgerin Sonnenschein schon gehört? Man sagt, dass sie früher gar traurigen, gebrochenen Herzens, furchtsam und niedergedrückt war und lange im Tal der Seufzer wohnte. Nun, sie mag uns die Geschichte selbst erzählen. Viel Mühsal hat sie erlebt – so viel, dass mancher dabei verzweifeln würde. Ihre Angehörigen verfolgten sie, ihr Mann verließ sie, ihre Söhne schimpften sie aus, aber nichtsdestoweniger ist sie eine der glücklichsten Einwohnerinnen Kanaans.

Ich glaube, wir sind jetzt nicht mehr weit von ihrer Wohnung. Sieh, wie klar die Luft hier oben ist! Und die Umgebung scheint prächtiger und lieblicher auszusehen. Hier ist sie zu Hause. Welch einen wunderbaren Garten hat sie! Und alles wächst aus so felsigem Grund heraus! Dort ist sie, die liebe alte Mutter in Israel! Wenn wir zu ihr hinkommen werden, dann beachte die Sorgenfalten in ihrem Gesicht; aber achte auch auf das Lächeln, das ihr Antlitz erhellt und freundlich macht. Oh, dass wir die Sorgen und Bürden des Lebens so tragen könnten wie sie!

– Der Segen des Herrn sei mit dir, Pilgerin Sonnenschein!

– Ja, und der Reichtum seiner großen Güte beglücke euch, ihr Pilger! Setzt euch unter diese unverwelkliche Laube und ruht euch aus!

– Wir sind neue Pilger in Kanaan und möchten uns irgendwo niederlassen. Manche sagen, das Tal der verborgenen Freuden sei ein feiner Wohnort, und das scheint uns auch der Fall zu sein. Könnten wir hier ein Heim finden? Und wir würden uns freuen, wenn du uns etwas von deinen Erfahrungen in Kanaan erzählen würdest. Als wir hierher gingen, sahen wir einige Riesen. Wohnen hier in der Umgegend auch Riesen? Wir hoffen, dass wir unser Besitztum einnehmen können, ohne Riesen zu begegnen. Ist das möglich?

– Pilger, ich möchte euch gern wünschen, dass ihr euch ohne Kampf in eurem Besitztum niederlassen könnt. Aber ich habe noch von keinem Pilger gehört, der das tun konnte. Es ist wahr, manche besonders kühne und tapfere Pilger haben mit den Riesen wenig Mühe und überwinden sie schnell; aber manche haben harte Kämpfe durchzufechten (1.Joh. 5:4). Was nun eure Ansiedlung hier im Tal der verborgenen Freuden anbelangt, so bedenkt, dass sich nur mit der größten Mühe und Sorgfalt diese Pracht und Schönheit aus dem felsigen Boden ziehen lässt. Aber wenn Immanuel euch hier ein Heim anweist, dann fürchtet euch nicht. Einige der lieblichsten Früchte und Blumen Kanaans wachsen gerade hier.

Meine schwersten Kämpfe hatte ich mit dem Riesen Schlechte-Gefühle auszufechten. Hütet euch vor dem! Ich war tiefsinnig veranlagt, besaß eine empfindsame Natur und war peinlich gewissenhaft (Röm. 14:1-6). Der Riese Schlechte-Gefühle nutzte dies aus und bereitete mir unaussprechliche Pein.

Als ich über den Jordan ging, war ich sehr glücklich und baute meinen Gedenkstein mit einem Freudenruf auf. Ich drang ins Land Kanaan ein, um es sogleich zu erobern. Das Korn und der Wein Kanaans erfreuten mich (Jos. 5:11-12). Meine Waffenrüstung war prächtig, und ich fühlte mich fähig, jedem Feind zu begegnen. Aber aus Versehen kam ich ins Tal der Seufzer und hielt mich dort viel zu lange auf. Dafür gebe ich dem Riesen Schlechte-Gefühle die Schuld. Aber ich hätte mich auch nicht beeinflussen lassen sollen.

Bald nachdem ich an Jericho vorüber war, redete mich der Riese Schlechte-Gefühle an.

– Guten Morgen, Pilgerin, – sagte er, – wie fühlst du dich heute Morgen? Es scheint mir, dass deine Gefühle gar nicht so sind, wie sie es sein sollten. Pilger in Kanaan sollten allezeit glücklich sein; aber du bist nicht glücklich. Ich glaube, es liegt ein kleine Last auf deiner Seele. Sieh, du trägst Bürden mit dir herum! – und in diesem Augenblick legte er etwas Schweres auf meine Schultern. – Es ist wahr, – schnatterte er weiter, – dass Pilger immer glücklich sein sollten, und du bist es nicht. Das kann man deutlich sehen. Nun sei ehrlich, bist du nicht bekümmert?

Gewiss, ich musste bekennen, dass ich schlechte Gefühle hatte.

– Sicher hast du schlechte Gefühle. Bist du dir wirklich sicher, Immanuel ganz geweiht zu sein? Bist du sicher, dass du alle Liebe zu Ägypten auf der anderen Seite des Jordans gelassen hast? Etwas muss mit dir verkehrt sein, wenn du derartige Empfindungen hast.

Nun blies er mir etwas ins Gesicht, dass mich mit entmutigenden und niederschlagenden Gefühlen krank machte. Ich fühlte mich schlimmer als vor dem Übergang über den Jordans. Oh, wie war ich müde und traurig!

– Wahrscheinlich hast du irgendwo gefehlt. Allem Anschein nach hat dich Immanuel verworfen und ein Riese wird dich aus dem Land vertreiben. Du bist eben ein Fehlschlag. Etwas anderes ist es nicht! – Und damit versetzte er mir einen harten Schlag, der direkt mein Herz zu treffen schien. Ich strauchelte und fiel.

Danach besuchte mich der Riese Schlechte-Gefühle jeden Tag. Wie es schien, hatte er die Macht, mir gerade solche Gefühle einflößen, die jeweils seinen Zwecken dienten. Manchmal brachte er Gefühle über mich, die mir wie Neid, Zorn und ähnlich erschienen. Als mich der Riese Schlechte-Gefühle in seine große Decke der Undankbarkeit gegen Immanuel einhüllte, fing er an, mich meiner Undankbarkeit wegen zu schlagen, gerade als ob die Gefühle von mir aus gekommen wären. Und hier war es, wo der Riese Schlechte-Gefühle mich wirklich betrog. Er hatte diese Gefühle selbst erzeugt; doch er trat mir entgegen, legte alles mir zur Last und redete mir ein, dass es meine eigenen Gefühle und Gedanken seien. Er gab mir schlechte Worte in den Sinn, schlechte Gedanken, widerliche Bilder und Ideen, so dass sich meine Seele und Gemüt dagegen auflehnten. Gewandt und flink drehte er alles so um, als käme es aus meinem Herzen, und dann brachte er über mich die elendsten und herzzerbrechendsten Gefühle, die es nur gibt.

Schließlich merkten einige Pilger, dass der Riese Schlechte-Gefühle mir viel Unruhe bereitete, und besuchten mich.

– Pilgerin, – sagten sie, – achte nicht mehr auf den Riesen Schlechte-Gefühle, er ist ein großer Prahler und Polterer. Lasse ihn unbeachtet. Wenn er wieder kommt, so sage ihm klar und bestimmt, dass du Immanuel gehörst, und dass deine Gefühle dem Herrn geweiht sind. Sage ihm: Wenn Immanuel Gefühle zulässt, die ich nicht verstehe, so ist das seine Sache und muss mir so oder so doch zum Segen gereichen.

Der Riese Schlechte-Gefühle kam nach diesem Besuch der Pilger wie gewöhnlich wieder an mich heran.

– Guten Morgen, Pilgerin Sonnenschein! Nicht viel Sonnenschein in deiner Seele heute! – plärrte er heraus.

– Allem Anschein nach – nicht, – sagte ich, – aber ich gehöre Immanuel, und er bewahrt den Zustand meiner Seele.

– Ja, ja, dir ist doch so elend zumute, das weißt du doch. Sei ehrlich! Und lass dir sagen, du könntest betrogen werden, wenn du nicht den Stand deiner Gefühle genau untersuchst. Bedenke, wie der Mensch fühlt, so ist er – nach den Aussagen Beelzebubs.

– Ich gehöre Immanuel an! – erwiderte ich heftig. – Wie mir zumute ist, ist seine Sache. Was für Gefühle Er auch zulässt, immer muss eine gute Erfahrung für mich darin verborgen sein. Ob so oder so, ich bin sein und Er ist mein.

– Komm jetzt, – sagte der Riese, – meinst du etwa, alles sei in Ordnung, wenn du solche Gefühle hast? Sei gewissenhaft!

– Ja, das meine ich gerade. Ich glaube, ich bin mit Gott in Ordnung, ungeachtet dessen, welche Gefühle ich auch habe! Du hast mich belogen, weg mit dir! (Mt. 4:1-11; 1.Joh. 5:4; 2:12-14)

In diesem Augenblick schwang ich das zuverlässige Schwert des Geistes gegen Schlechte-Gefühle. Es war ein harter Kampf, aber schließlich schlug ich ihn in die Flucht. Dann zog ich aus dem Tal der Seufzer in dieses Tal der verborgenen Freuden.

– O wir fühlen uns durch den Bericht von deinem Kampf und Sieg über den alten Riesen Schlechte-Gefühle so neu belebt, Pilgerin Sonnenschein. Wenn er uns angreift, so wissen wir nun, was wir zu tun haben. Unsre Rüstung und unsre Waffen sind doch bewährt – das wissen wir. O Immanuel, hilf uns die Waffen gebrauchen, die Du uns so gnädig in die Hand gegeben hast! Lebe wohl, Pilgerin Sonnenschein!

 

Nun lasst uns etwas betrachten. Wahrscheinlich 75 Prozent derer, die dem Herrn alles weihen, um die Gnade für ein siegreiches Leben zu bekommen, sind über den Stand ihrer Gefühle beunruhigt. Übergibt man alles Christus, so ist es natürlich zu glauben, dass man danach allezeit freudige Gefühle haben, die Nähe Jesu verspüren, sich seiner Gegenwart gewiss sein, und die Liebe und den Frieden des Christen empfinden sollte. Kurz, man müsste allezeit fühlen, dass alles in Ordnung sei. Und wenn jemand gegensätzliche Gefühle bekommt, so steigen in ihm gewöhnlich ernste Fragen und Zweifeln auf, ob seine Seele wirklich in Kanaan ist oder nicht. Tatsache ist, dass die Gefühle kein Maßstab sind, nach dem man sich richten sollte. Denn sie sind mannigfaltigen geistlichen, geistigen und physischen Zuständen und Verhältnissen unterworfen und schwanken oft in schneller und unkontrollierbarer Weise. Die Höhen und Tiefen im christlichen Leben würden in der Tat schlimm sein, wenn es den Gefühlen nach ginge. Doch maßgebend ist unser Glaube und nicht unsere Gefühle (Eph. 2:8; 3:17a; Röm. 8:37-39.28).

Wirst du versucht, deine Gefühle zu beachten, so beachte sie gar nicht. Richte deinen Blick auf etwas anderes, um deine Stellung zu beweisen. Wie steht es mit deiner Weihe? (Röm. 12:1-3). Wie – mit deinem Glauben? (1.Joh. 5:4.10). Gehörst du ganz dem Herrn? Glaubst du noch seinen Verheißungen? Kannst du auf diese Fragen mit „Ja“ antworten, so befindest du dich doch noch auf der Siegerseite, wenn du es auch nicht fühlst.

Der Wille – und nicht die Gefühle – ist das steuernde Element im Leben. Die Gefühle können gut mit einer Schar Kinder verglichen werden, die einem, wenn man sie ungehorsam und unerzogen aufwachsen lässt, viel Plage und Unruhe bereiten können. Wenn sie aber zum Gehorsam erzogen werden, können sie zu unsrem Glück beitragen.

Die Gefühle sind ein Teil von uns. Christliche Erfahrungen werden gefühlt, das heißt, sie beeinflussen unsere Empfindungen wie auch unser Wille. Die Gefühle schwanken, und in vielen Fällen werden sie wirklich sehr ungestüm, so wie ungezogene Kinder, und wollen alles nach ihrem Willen haben. Schlechte Nachrichten erzeugen traurige Gefühle. Empfängst du heute einen Brief, der dir die Vermählung deines Freundes bekannt gibt, so freust du dich; enthält er aber eine Mitteilung über einen Todesfall, so stimmt es dich traurig. Bist du krank, so mögen deine Gefühle ähnlich wie dein körperliches Empfinden werden. Es ist gut, dass unsere Gefühle auf diese Weise in unser Leben eindringen, sonst würde es uns an Mitgefühl, Liebe und anderen Empfindungen mangeln, die für das Glück und die Freude unseres Zusammenlebens wesentlich sind. Lasst uns Gott danken, dass wir Gefühle haben; sie verbinden uns mit den Freuden und Sorgen anderer. Aber lasst uns unseren christlichen Stand nicht nach unseren Gefühlen beurteilen.

Auch geheiligte Leute haben ganz natürliche Gefühle. Der Mensch war vor dem Sündenfall mit allen geselligen Trieben und Neigungen ausgestattet. Bevor die Sünde kam, wurde ihm befohlen, sich zu mehren und die Erde zu füllen. Aus den beiden Gemütsarten, der männlichen und der weiblichen, entspringen alle geselligen Neigungen, die Familien, Heime, Gesetze und Regierungen hervorbringen. Der Mensch ist jedoch in seinem Wesen zwiefältig, eine Vereinigung von Seele und Leib. Seele und Leib wirken zusammen und beeinflussen einander. Wenn du beständig denken wirst, du seist krank, kannst du krank werden. Durch Überanstrengung des Leibes kann der Geist zerrüttet werden, usw.

Heiligung stellt den Menschen wieder auf die moralische Stufe, auf der er sich in Eden befand. Heiligung reinigt uns von der innewohnenden Sünde und bringt alle gottgegebenen Neigungen und Triebe in Ordnung.

Etwas praxisnaher können wir des Menschen natürliche Triebe und Gefühle wie folgt beschreiben:

Die menschliche Natur, wie sie Gott schuf, ist fähig zu lieben, sich zu freuen, bekümmert zu sein, sich zu fürchten und einen Gerechtigkeitssinn zu haben. Diese können als grundlegende Triebe bezeichnet werden. Wenn wir sie von verschiedenen Seiten betrachten, können wir sie mit den Gefühlen einer geheiligten Person sehr wohl in Verbindung bringen.

Ein Geheiligter kann fühlen:

1. Das Wirken des Selbsterhaltungstriebs;

2. Kummer beim Tod seiner Lieben;

3. Wohlbehagen, wenn ihm Worte der Wertschätzung entgegengebracht werden;

4. Aufsteigen einer gerechten Entrüstung;

5. Ungeduld gegenüber verkehrten Handlungen anderer, oder wenn die Gerechtigkeit aufgehalten wird;

6. Gefallen am geselligen Leben;

7. Die Regung geschlechtlicher Triebe und Begierden;

8. Verletzung, wenn von einem übel geredet wird;

9. Bedrückung durch mancherlei Versuchungen.

Lasst uns diese Gefühle der Reihe nach etwas ausführlicher betrachten. Wir werden hier Tatsachen anführen, die in einem mehr als zwanzigjährigen praktischen Leben in der Heiligung gesammelt wurden. Und viele sind durch bittere Erfahrungen gelernt worden.

1. Die Selbsterhaltung ist ein natürliches Gesetz. Die Furcht ist ein Teil derselben. Vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, nämlich die knechtische Furcht, die durch die Sünde kommt. Aber die vollkommene Liebe zerstört nicht alle Ängstlichkeit, noch den Sinn für die Notwendigkeit der Selbsterhaltung. Wenn ein Wirbelsturm kommt, hat eine geheiligte Person genau so ein Recht, in einen sturmsicheren Keller zu flüchten, wie irgend jemand anders. Ängstlichkeit ist eine Form der Furcht. Jemand, der erst kürzlich die Heiligung erfuhr, mag beim Erfüllen einer gewissen Pflicht etwas ängstlich sein. Ruft jedoch Gottes Wille zu Pflichten, die sogar den Tod bringen sollten, so schreitet der völlig Geheiligte doch voran. In solchen Fällen macht das Gesetz der Selbsterhaltung dem höheren Gesetz der Selbstaufopferung um Christi willen Platz.

2. Kummer beim Tod eines geliebten Menschen ist mit der Heiligung zu vereinbaren. Viele andere Dinge verursachen Kummer, wie z. B. Unfall, Krankheit und Sünden unsrer Mitmenschen; und sie berühren auch den völlig Geheiligten. Der Geheiligte hat jedoch einen Tröster, der ihm hilft und den Schmerz stillt.

3. Empfängt ein Geheiligter Worte der Wertschätzung, so empfindet er Wohlbehagen – nicht dass er sich erhöht, aber sie wirken in ihm eine natürliche Freude. Manche sagen, geheiligte Leute seien „tot“. Zur Erläuterung gebrauchen sie dann das Beispiel, dass man einen Toten getrost mit einer Nadel stechen kann, ohne dass er zusammenzuckt. Würde die Heiligung die natürlichen Gefühle zerstören, so wäre dies eher ein Unglück als ein Segen. Sie reinigt sie Gefühle wohl, aber zerstört sie nicht.

4. Gott gab dem Menschen den Gerechtigkeitssinn. Er schuf den Menschen nach seinem Bild. Was wir in Gott finden, finden wir im Menschen. Gott ist gerecht, deshalb wohnt auch der Grundsatz der Gerechtigkeit im Menschen. Heiligung zerstört den selbstsüchtigen Zorn und Rachsucht, aber sie zerstört nicht den Gerechtigkeitssinn. Der Geheiligte wird das Aufsteigen einer gerechten Entrüstung über etwas Böses empfinden. Das sehen wir an Jesus, als Er „sie ringsum mit Zorn ansah“ (Mk. 3:5). Wenn der Gerechte dem Bösen gegenüber nicht entrüstet sein kann, wie kann dann Gott die Welt richten? Gerechtigkeit schließt Zorn über das Böse in sich. Wäre der gerechte Zorn unrecht beim Menschen, so wäre er auch unrecht bei Gott. Auch wenn Gott Gott ist, so ist es doch unvernünftig zu denken, dass Er etwas moralisch Unrechtes tun kann, was für Ihn dann doch recht wäre, nur weil Er es tat. Seine Handlungen müssen in sich selbst auch recht sein. Aufgrund der Tatsache, dass Er die Welt richten wird, reden wir von einer gerechten und heiligen Entrüstung. Das ist kein fleischlicher Zorn, der rast, schlägt und unbarmherzig und boshaft zerstört.

5. Es ist schwer, Ungeduld in eine gerechte und eine ungerechte Ungeduld einzuteilen. Diese Sache mag schwer zu erklären sein; doch sowohl die Heilige Schrift als auch die praktische Erfahrung beweisen, dass die Heiligung nicht vollkommen geduldig macht. In der Tat, wer könnte sagen, dass die vollkommene Geduld in der Erfahrung der Heiligung eingeschlossen sei? Heiligung macht uns geduldig. Das beständige Aufbrausen der Seele über widrige oder verdrießliche Vorfälle hört auf. Wir werden geduldig. Wir vertrauen Gott. Wir warten und hoffen. Doch wir lesen auch, dass „Bedrängnis Geduld bringt“ (Röm. 5:3). Folglich machen Bedrängnisse und schwere Erfahrungen geduldig – aber nur dann, wenn wir sie ertragen. Jakobus sagt: „Wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt“ (Jak. 1:3). Deshalb kann das, was Bedrängnisse und Prüfungen wirken sollen, durch den Geist nicht schon vollkommen getan worden sein, als wir geheiligt wurden.

6. Manche sagen, die Heiligung zerstöre gesellige Neigungen soweit, dass uns gesellige Erholung widerwärtig wird. Es scheint manchen sehr schwer zu sein, den Begriff über den Stand der wahren Heiligkeit von der Askese (streng enthaltsame Lebensweise) zu trennen. Einst war man der Meinung, dass heilige Menschen den geselligen Freuden gegenüber tot sein müssten – sie sollten nicht heiraten, keine gewöhnliche Kleidung tragen und mit ihren Mitmenschen keinen Umgang haben. Aber Jesus führte kein solches Leben. Er machte Wein für ein Hochzeitsmahl; Er aß in eines reichen Pharisäers Haus zu Mittag; Er freute sich, in Marthas Heim einkehren zu können. Johannes lag beim letzten Abendessen an seiner Brust. Jesus war kein Asket.

Die Heiligung stellt das gesellige Zusammenleben auf seine höchste Stufe. Einer geistreichen und reinen Unterhaltung können heilige Leute sich ebenso erfreuen wie andere. Bilderreiche Reden, Wortspiele und Rätsel mögen in der Unterhaltung Geheiligter ebenso gefunden werden wie bei anderen. Jedoch sinkt ihre Rede nicht zu dem gemeinen, frivolen, leichtsinnigen, närrischen Geschwätz der Gottlosen herab. Was von den Unterhaltungen gilt, mag auch von gesellschaftlichen Veranstaltungen gesagt werden, wie Spaziergängen, Ausflügen usw. Sollte den Kindern Gottes dies untersagt sein, nur weil die Welt darin zu weit geht?

7. Heiligung zerstört nicht die geschlechtlichen Triebe, aber sie veredelt sie und bringt sie unter Kontrolle. Daher ist die gegenseitige Anziehung eine Sache aller Menschen, und Verlobung und Heirat sind ehrbar, wie auch Paulus sagt.

8. Empfinden geheiligte Leute bei Worten der Wertschätzung in angemessener Weise Wohlbehagen, so können sie sich auch durch Geringschätzung und Unterdrückung von Seiten anderer verletzt fühlen. Die Scheidelinie zwischen dem, was dabei recht und unrecht ist, ist wahrscheinlich so zu ziehen: Solange sich jemand verletzt fühlt, ohne jedoch das Gefühl zu haben, dem Betreffenden sein böses Verhalten heimzuzahlen, mag dies in Ordnung sein. Fühlt sich aber jemand verletzt und hat er dabei auch ein starkes Gefühl der Wiedervergeltung, das in seinem Zorn überquillt, so ist dies ein Merkmal einer ungeheiligten Seele. Wir mögen uns verletzt fühlen, aber wir stellen es Gott anheim.

9. Die Freude ist in den Herzen der Geheiligten nicht immer überfließend. Schwere Prüfungen werden das Gemüt bedrücken (1.Petr. 1:6-9). Und diese Prüfungen sind gewinnbringend und wirklich unentbehrlich.

Heiligung stellt die Seele wieder her. Sie reinigt die Triebe und Beweggründe des Lebens. Sie hebt alle Dinge des Lebens auf die Stufe der Heiligkeit und Liebe, aber sie lässt uns weiterhin Menschen, Männer und Frauen, bleiben. Erwarte nichts Unmögliches von ihr, aber erwarte, dass sie von der Erbsünde, von fleischlichen und bösen Elementen freimacht.

Gottes Plan ist es, dass alle Menschen die Erlösung annehmen, bis die ganze Welt anstatt durch böse Lust und Selbstsucht durch göttliche Prinzipien und die Liebe regiert wird.

Liebe Seele, gib dich Gott ganz hin, liefere alles völlig dem göttlichen Willen aus und kümmere dich nicht um deine Gefühle. Lass Gott wie für alles andere auch für deine Gefühle Sorge tragen. Jesaja sagt von Gott: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst Du Frieden; denn er verlässt sich auf Dich“ (Jes. 26:3). Herrlicher Friede, köstliche Ruhe, wunderbares Vertrauen!

Eine gewisse Frau hatte eine ganz unsichere Existenz, aber sie war in ihrem Leben mit dem Herrn so glücklich, dass sie als das Wunder ihres Ortes betrachtet wurde.

Du hast alles Gott übergeben. Jetzt lass Ihn alles behalten und traue Ihm, ungeachtet deiner Gefühle, nur das Allerbeste zu.