Die Entscheidung

„Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten?“ (1.Kön. 18,21), ruft der Prophet seinen unentschlossenen Zuhörern zu. Diese Frage wollen wir nun auch dem zögernden Leser vorlegen. Es ist zu hoffen, dass du wenigstens veranlasst worden bist, ernstlich über dein zukünftiges und ewiges Los nachzudenken. Diese Sache erscheint dir nicht mehr als etwas Nebensächliches und Unwichtiges. Du erkennst die Wichtigkeit der ewigen und himmlischen Dinge und es drängt sich dir die Frage auf: „Soll ich mich dem Herrn übergeben und ihm dienen, oder soll ich die Ansprüche, die er an meine Liebe und an meinen Gehorsam stellt, noch länger missachten?“

Nun befindest du dich in einer unangenehmen und peinlichen Lage. Ein Zustand der Unentschiedenheit ist immer peinlich, wenn es sich um wichtige Dinge handelt. Wie viel mehr hier, wo das ewige Heil der Seele auf dem Spiel steht! Der sorglose Sünder mag sich eines zeitweiligen Friedens erfreuen. Er ist von der Sünde geblendet und sieht nicht, auf welch abschüssiger Bahn er geht. Er eilt unaufhörlich dem Verderben entgegen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Doch mit dem erweckten Sünder verhält es sich anders. Du bist nun aus deinem geistlichen Schlaf erwacht und empfindest deine Verantwortung Gott gegenüber. Die Sünde erscheint dir nicht mehr als etwas Kleines und Unbedeutendes, sondern als etwas Großes und Schreckliches, als ein furchtbares Verbrechen gegen Gott. Vor deinem Geistesauge entrollt sich ein Bild der Ewigkeit. Die Welt hat ihren Reiz für dich verloren und eine von dem ewigen Throne Gottes ausgehende Stimme mahnt dich, dem zukünftigen Zorn zu entfliehen und das ewige Leben zu ergreifen.

Du befindest dich nun in einer höchst kritischen Lage. Doch mag diese nur von kurzer Dauer sein. Eine Entscheidung irgendwelcher Art wird getroffen werden, und zwar bald. Auf zweierlei Weise kannst du aus dieser peinlichen und unangenehmen Lage befreit werden. Du kannst das, was du als deine Pflicht erkannt hast, tun, indem du dich Jesu zu Füßen wirfst und Gnade erlangst, worauf der Sturm, der in deiner Brust wütet, sich legen wird. Oder aber du kannst deine Ohren gegen die mahnende Stimme des Geistes Gottes auch verschließen und dich weigern, ihr Gehör zu schenken. Die Folge davon wird sein, dass du in deinen vorigen Zustand des geistlichen Schlafs und der durch die Sünde herbeigeführten Betäubungen zurückfallen wirst. Welchen der beiden Wege willst du einschlagen? Wofür willst du dich entscheiden? Welche Wahl wirst du einst wünschen, getroffen zu haben?

Es ist nicht nur ratsam und vernunftgemäß, sondern auch höchst praktisch und vorteilhaft, eine sofortige und endgültige Entscheidung zu treffen. Es ist nicht nötig, auch nur noch einen Augenblick länger in diesem peinlichen und unentschlossenen Zustand zu verharren. Du kannst die Entscheidung nicht zu frühe treffen, wenn du nur recht entscheidest. Der Übergang von der Verstocktheit zur Buße und vom Unglauben zum Glauben muss, der Natur der Sache gemäß, ein augenblicklicher sein. Sobald das Herz sich Gott unterwirft und in lebendigem Glauben das angebotene Heil ergreift, ist der Anfang zur seiner Erlangung gemacht. Und warum könnte und sollte dieser Anfang nicht unverzüglich gemacht werden? Wenn du von deiner Pflicht überzeugt bist und dennoch zögerst, sei es auch nur für kurze Zeit, so kann dieses für dich verhängnisvoll werden.

Ich hörte einst von einer Dame, die erweckt und von ihrem verlorenen Zustand überzeugt wurde. Anstatt aber sogleich ihrer Überzeugung gemäß zu handeln, nahm sie sich vor, noch vor Anbruch der Nacht Buße zu tun. Der Geist wirkte mächtig an ihr, aber ihr Entschluss war gefasst, später eine gelegene Zeit während des Tages zu benutzen, um Gott um Gnade zu bitten. Die Nacht brach herein und sie war noch in ihren Sünden fast ebenso verstockt, wir sie zuvor gewesen war.

Am nächsten Morgen war sie wiederum um das Heil ihrer Seele besorgt und wieder fasste sie denselben Entschluss, „mit dem Glauben einen Anfang zu machen vor dem Hereinbrechen der Nacht“. So gelang es ihr, die mahnende Stimme zum Schweigen zu bringen und der Tag verging wie der vorige, ohne dass sie mit Gott versöhnt wurde. Am dritten Tag wiederholte sich dieselbe Sache noch einmal. Und so machte sie weiter, bis der Geist Gottes sie gar nicht mehr beunruhigte, worauf sie in ihrer früheren Gleichgültigkeit weiterlebte.

Etwa drei Monate später lag sie auf dem Sterbebett. Ihre Krankheit war von kurzer Dauer, nur fünf Tage. Ihre Angst und Seelenpein war nun fast unerträglich. Sie empfand, das es jetzt zu spät war, zu spät, um ihr Seelenheil zu erlangen. Sie nannte den Vorsatz, den sie vor wenigen Monaten fasste, „einen verhängnisvollen Vorsatz“ und ersuchte den Prediger, der sie besuchte, doch alle junge Leute seiner Gemeinde auf das Eindringlichste vor dem Aufschub zu warnen, wenn der Heilige Geist sich um sie bemühe.

Wie verschieden ist dieser Fall von dem einer anderen jungen Dame, die, als sie von dem plötzlichen Tod einer frommen jungen Freundin hörte, nach einigen Minuten ernsten Nachdenkens ausrief: „Wie schrecklich, wenn ich so schnell hinweggenommen würde!“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Ich will mich zu Gott bekehren“. Als sie noch ein wenig länger nachdachte, sagte sie: „Heute noch will ich mich bekehren!“ Doch fühlte sie sich damit nicht beruhigt und rief deshalb aus: „Jetzt, sogleich, will ich mich Christus ergeben!“ Der Entschluss war gefasst, sie öffnete sofort ihre Bibel und nachdem sie die köstlichen Verheißungen gelesen hatte, warf sie sich reumütig dem gekreuzigten Herrn zu Füßen.

Willst du, lieber Leser, nicht ebenfalls diesen Entschluss fassen? Willst du nicht jetzt Buße tun und an den Herrn Jesus glauben? Alle Versprechungen in Bezug auf die Zukunft sind ausweichend und gefährlich. Wenn wir dich nicht dazu bewegen können, sogleich Buße zu tun, haben wir nichts gewonnen. Der Vorsatz, in der Zukunft einmal Buße zu tun, schließt natürlicherweise auch den Vorsatz ein, Gott jetzt ungehorsam zu sein. Und jede weitere Handlung des Ungehorsams, einerlei aus welchen Beweggründen sie auch hervorgehen mag, vermehrt nur deine Schuld und die Gefahr, in der du dich befindest.

Hoffend, dass du dich entschlossen hast, unverzüglich zum Herrn zu kommen und sein Eigentum zu werden, lass mich nun hinzufügen: Gib acht, dass du den rechten Weg einschlägst und alles in Erwägung ziehst. Überschlage die Kosten. Blicke nicht nur auf die Vorrechte, sondern auch auf die Verantwortung des christlichen Lebens und die Opfer, die es erfordert. Forsche in der Heiligen Schrift. Lass sie dein Führer und Ratgeber sein. Rufe Gott an und bitte ihn um die Erleuchtung des Heiligen Geistes, damit du den herrlichen Erlösungsplan erkennen und auf den Weg des Friedens geführt werden möchtest.

Gib dich dem Herrn rückhaltlos hin und halte nichts vor ihm zurück. Er will und muss dein ganzes Herz haben. Gib dich nicht zufrieden, bis du wirklich bekehrt, in Wahrheit wiedergeboren bist. Bedenke, Gott verlangt nicht Vorsätze und Versprechungen, sondern die tatsächliche Hingabe deiner selbst, mit Geist, Seele und Leib. Er will dich selbst mit allem, was du hast und bist. Nicht nur etliche ernste Gedanken, nicht eine äußerliche Verbesserung, nicht ein bloßes Beachten religiöser Formen und Gebräuche, sondern eine Wiedergeburt, eine neue Kreatur! Grabe tief und lege ein gutes Fundament. Baue nicht auf den Sand, sondern auf den Felsen. „Einen anderen Grund kann niemand legen, den der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1.Kor. 3,11).

Deine Übergabe an Gott muss eine beständige und eine dauerhafte sein, keine vorübergehende. Übergib dich ihm fürs ganze Leben, für Zeit und Ewigkeit. Mache ein dauerhaftes Bündnis mit dem Herrn, um es nicht mehr zu brechen. Blicke nicht zurück, nachdem du deine Hand an den Pflug gelegt hast. Fange nicht im Geist an, um im Fleisch zu enden. Nur „wer beharrt bis ans Ende, der wird selig“ (Mt. 24,13).

Nachdem du dich so Gott im Stillen übergeben hast, nimm die erste Gelegenheit wahr, dich ihm auch öffentlich zu weihen, ihn öffentlich zu bekennen. „Denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig“ (Röm. 10,10). Wende dich ab von weltlicher Gesellschaft und verbinde dich mit den Kindern Gottes. Gelobe dem Herrn vor seiner Gemeinde und vor der Welt, dass du hinfort nicht dir selbst leben willst, sondern ihm, der dich mit seinem eigenen Blut erkauft hat. Dies ist dein Vorrecht und auch deine Pflicht. Du bist es Christus, seiner Gemeinde und auch dir selbst schuldig, dass du dich öffentlich zu seiner Wahrheit bekennst und in seine Nachfolge eintrittst. Dadurch kommst du dem Gebot des sterbenden Heilands nach, versiegelst dein eigenes Gelübde, stellst dich unter die Obhut und Fürsorge der Gemeinde Christi und vereinigst deine Kräfte und Gebete mit den Freunden Zions zur Förderung der Reichsgottessache deines Herrn.

Nachdem du so dem König aller Könige Treue gelobt hast, lass es dir von ganzem Herzen ernst sein, dass du ihm und seiner Sache ergeben bleibst. Verleugne ihn niemals, weder durch offene Unbeständigkeit, noch durch Lauheit und Trägheit. Lass dich nicht durch Furcht beeinflussen und schäme dich seines Namens niemals. Lass deine Lippen niemals verstummen, wenn sie den Namen aussprechen wollen, „der über alle Namen ist“. Lerne dich des Kreuzes zu freuen. Bemühe dich, andere für Christus zu gewinnen. Lade alle ein, die du erreichen kannst, sich dir auf dem Weg zum Himmel anzuschließen. Betrachte die Welt im Licht des Kreuzes Christi, im Licht der Ewigkeit. Fange an, Gutes zu tun nach besten Kräften und mit Gebet und Flehen. Pflege den Geist des Wohlwollens und der Menschenliebe und lass dein ganzes Wesen und Benehmen von der Aufrichtigkeit deines Bekenntnisses Zeugnis ablegen. Beweise der Welt, dass du mit Jesus in Verbindung getreten bist und mit ihm Gemeinschaft pflegst.