Johann war ein Schmied und ein sehr gottloser Mann. Er war mit allen Argumenten des Unglaubens bekannt und führte gotteslästerliche Reden. Er hasste alles, was gut und heilig war, und liebte alles, was schlecht und gottlos war. Ja, er hatte es darauf abgesehen und war bemüht, das Leben aller derer, die an Gott glaubten und ihm dienten, schwer zu machen. Er verschonte dabei auch nicht einmal seine eigene Frau, die ein Kind Gottes war und Gott von Herzen und in Geduld diente.
Alle hatten diesen Mann längst als hoffnungslos aufgegeben, insofern die Rettung seiner Seele in Betracht kam. Niemand dachte auch nicht im entferntesten daran, mit ihm über geistliche Dinge oder über das Heil seiner Seele zu reden. Und es schien in der Tat, als ob es eine aussichtslose Sache wäre, auch nur zu versuchen, ihn mit der Botschaft des Heils zu erreichen.
So kam es, dass man seiner gar nicht mehr im Gebet gedachte; Gottesdienste wurden abgehalten, ohne dass man sich um ihn kümmerte. Das Evangelium wurde gepredigt und den Sündern die göttliche Gnade angeboten. Aber niemand schien an diesen gottlosen Schmied zu denken oder sich der Tatsache zu erinnern, dass Christus auch für ihn sein Blut vergossen hat. Man ließ ihn ruhig in seinen Sünden dahinleben und war froh, wenn man von ihm nicht beunruhigt oder verspottet wurde.
Einige Meilen von dem Städtchen, wo Johannes seine Schmiede hatte, wohnte ein altes Ehepaar, Vater und Mutter Brown. Beide waren schon nahezu 90 Jahre alt. Sie hatten ihr Leben im Dienste Gottes verbracht und erfreuten sich nun auch in ihrem hohen Alter des süßen Friedens Gottes und der Gewissheit des Heils. Mit freudiger Erwartung sahen sie der Stunde entgegen, wo der Herr sie zu sich in sein herrliches himmlisches Reich heimholen würde.
Eines Morgens nun wachte der alte Vater Brown in großer Erregung auf und rief sogleich seiner Frau zu:
„Stehe so schnell wie möglich auf, bitte, stehe auf!“
„Aber warum denn nun auf einmal so eilig?“, fragte sie. „Was ist denn Besonderes geschehen?“
Er antwortete: „Ich kann es jetzt nicht erklären, was geschehen ist, denn ich muss erst das Feuer anzünden. Bitte, bereite sogleich das Frühstück, denn ich muss heute morgen so schnell wie möglich in das Städtchen gehen und darf nicht verziehen.“
„Wie kannst du nur heute morgen in die Stadt gehen?“, rief die Frau erstaunt. „Zu Fuß kannst du nicht gehen, dazu ist es doch zu weit, und eine Gelegenheit hinzufahren hast du auch nicht.“
„Sage mir nicht, dass ich nicht imstande bin hinzugehen. Ich muss einfach gehen. Ich hatte vergangene Nacht einen Traum ... nun, ich will gehen und das Feuer anzünden. Nachher kann ich dir mehr erzählen, wenn du es hören willst.“
Die Frau beeilte sich und folgte ihm bald in die Küche, wo das Frühstück in kurzer Zeit bereitstand. Nachdem sie es eingenommen und zusammen gebetet hatten, machte sich der alte Mann auf den Weg. Es war für ihn kein Leichtes, mehrere Meilen zu Fuß zu gehen; aber Gott gab ihm die nötige Kraft dazu, so dass er, ohne anzuhalten, sein Ziel erreichen konnte. Im Städtchen angekommen, ging er direkt auf die Schmiede zu. Der Schmied war gerade draußen vor seiner Werkstatt, als er den alten Mann auf sich zukommen sah. Verwundert rief er aus: „Aber Vater Brown, was bringt dich denn schon so früh am Tage her zu mir?“
„Das ist es gerade, was ich dir mitteilen möchte“, sagte Vater Brown. „Lass uns hinein in die Schmiede gehen, wo wir uns hinsetzen und zusammen reden können.“ So gingen die beiden nun zusammen in die Schmiede; und nachdem sie sich gesetzt hatten, sagte der alte Mann:
„Johann, ich hatte in dieser Nacht einen Traum und ich bin hergekommen, um dir diesen zu erzählen. Mir hat geträumt, dass die Stunde, auf die ich schon lange gewartet und für die ich mich vorbereitet hatte, für mich gekommen wäre, nämlich die Stunde meines Abscheidens von dieser Erde. Und es war gerade so, wie ich es mir immer vorgestellt habe und wie der Herr verheißen hat, dass es sein werde. Ich fürchtete mich nicht im Geringsten. Wie hätte ich mich auch fürchten können! Mein Sterbezimmer war voller Engel, und sie alle redeten solch liebliche und holdselige Worte zu mir. Ich liebte sie und war mir bewusst, dass sie auch mich liebten. Dann auf einmal neigten sich einige von ihnen zu mir herab, umschlangen mich mit ihren Armen und trugen mich mit sich fort. Weit über die Berge, ja weit über die Wolken hinaus trugen sie mich durch das sternenbesetzte Himmelsgewölbe hindurch. Und oh, wie überaus lieblich sie dabei sangen! Nie habe ich etwas derartiges gehört. Weiter und weiter ging es, bis einer der Engel zu mir sagte: ‚Blick dort hinüber, dort ist der Himmel!‘“
„O Johann, es ist unmöglich, meine Gefühle und Empfindungen zu schildern, als ich des Himmels ansichtig wurde, und ich kann es auch nicht beschreiben, was ich gesehen habe, als ich hinblickte. Ich glaube nicht, dass irgend ein Mensch oder eine menschliche Sprache imstande wäre, es zu beschreiben. Es war so überaus herrlich und schön, so friede- und freudevoll, dass es nicht auszusprechen ist. Und als wir näher kamen, da taten sich die Pforten wie von selbst auf, und noch schneller als wir gekommen waren, gingen wir durch die Pforte in die himmlische Stadt ein. Und oh, welch ein freudiges Willkommen wurde mir hier zuteil! Alle hießen mich freudig willkommen und waren so froh, dass ich nun auch am herrlichen Ziel angelangt war. Die Herrlichkeit und Freude des Himmels wie ich sie geschaut und empfunden habe, ist einfach nicht auszusprechen und nicht zu beschreiben.“
„Ich konnte es nicht fassen und verstehen, warum sie sich über meine Ankunft so freuten, da ich doch alles nur der Gnade meines Heilandes verdankte, der mich durch sein Blut erlöst hat von meinen Sünden. Ich fand meine Kinder dort, die mir vorangegangen sind. Mein Junge, mit dem du zusammen so viel gespielt hast, dessen guter Kamerad du warst, als ihr zusammen in die Schule gegangen seid, war dort, auch deine alte Mutter.“
„Einige Zeit später, ich weiß nicht, wie lange es gewesen sein mochte, sah ich denselben Engel, der mich in den Himmel getragen hatte, nun eine andere Person bringen: Es war meine liebe Frau. Und ich liebe sie mehr als je zuvor, seit sie nun, von Engelsarmen getragen, in den Himmel gebracht wurde. Sie war auch noch viel schöner als damals an ihrem Hochzeitstag – so schön sie auch gewesen war. Wir saßen zusammen unter den Bäumen des Lebens und wandelten am Strom des Lebens, der vom Thron Gottes und des Lammes ausgeht. Und oh, wie unbeschreiblich glücklich waren wir alle! Und immer wieder sah ich, wie Engel andere brachten; andere, die ich liebte, und solche, die auch du lieb hast. Und so gingen die Jahre der Ewigkeit dahin, ohne je ein Ende zu nehmen.“
„Und dann kam es mir plötzlich in den Sinn, dass ich dich, Johann, nirgends gesehen hatte. Ich machte mich auf, um nach dir zu suchen. Aber so viel ich mich auch bemühte und nach dir fragte, so konnte ich doch keine Spur von dir entdecken. Ich wurde besorgt und ging hin zum Herrn, meinem lieben Heiland und Erlöser. Ich fragte ihn, wo du wärest. Und, o Johann, ich wünschte du hättest sehen können, wie traurig er war, als er mir sagte, du warst nicht gekommen. Ich fragte nach der Ursache. Da sah ich Tränen in des Herrn Augen und er sagte: „Es hat bis jetzt noch niemand den Johann eingeladen zu kommen."
„Da fiel ich zu seinen Füßen nieder und benetzte sie mit Tränen. Und ich bat: „Herr, lass mich noch einmal für kurze Zeit zurückgehen auf die Erde, und ich will hingehen und ihn einladen zu kommen!"
„Und gerade zu diesem Zeitpunkt wachte ich auf. Im Osten fing es schon an zu tagen und ich war so froh, dass ich noch am Leben war und imstande, zu dir zu gehen, um dich einzuladen, mit mir in den Himmel zu kommen. Nun bin ich hier; ich habe dir meinen Traum erzählt, und es ist mein einziger Wunsch, dass du dich vorbereitest, um auch mit in den Himmel eingehen zu können.“
Noch mit vielen anderen Worten brachte der alte Mann seine Einladung vor, aber der Schmied stand vor ihm wie versteinert. Er konnte scheinbar nicht sprechen und war keiner Bewegung fähig. Vater Brown stand auf, reichte ihm die Hand zum Abschied und sagte: „Lebe wohl! Johann, bedenke, du hast jetzt die Einladung, und ich erwarte, dich im Himmel zu treffen.“ Nach diesen Worten griff er nach seinem Stab, der ihm das Gehen erleichterte, und machte sich auf den Heimweg.
Bald darauf kam auch der Schmied wieder zu sich; eine Zeit lang hatte er wie gebannt dagestanden. Er machte sich an seine Arbeit, aber nichts wollte ihm an diesem Tag gelingen. Er fing an, seinen verlorenen Zustand zu erkennen und darüber traurig und betrübt zu werden. „O Gott, habe Erbarmen mit mir, dem großen Sünder!“, seufzte er. Er ließ die Arbeit liegen und ging nach Hause, wo er seiner Frau von dem Besuch des alten Vaters Brown erzählte.
„Gepriesen sei Gott!“, sagte sie. „Wir werden sogleich ein Fuhrwerk nach ihm senden und ihn zurückholen lassen.“
„Ja“, sagte der Schmied, „denn ich habe mich entschlossen, die Einladung anzunehmen und ihr Folge zu leisten. Ich will, dass er kommen und für mich beten soll, dass ich von meinen Sünden errettet werde und dann treu in den Wegen des Herrn wandle bis ans Ende...“
"Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst." (Offb. 22,17).
Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk. 1:15).