Was es bedeutet, ein Kind Gottes zu sein

 

Der Hohe Rat hielt eine wichtige Sitzung ab. Auf ihren in Hufeisenform geordneten Stühlen saßen die 70 Ältesten von Israel. Da trat ein aufgeregter, sehr intelligenter, hoch ausgebildeter und energischer junger Jude in den Kreis und sagte: „Ihr Väter meines Volkes, wenn ihr mir die Vollmacht gebt, so werde ich sogleich nach Damaskus reisen und all die Nachfolger dieses Betrügers Jesus ins Gefängnis werfen. Einen seiner Anhänger Stephanus konnten wir bereits töten; und ich bin bereit, das Gleiche mit anderen zu tun, die diese verkehrte Lehre verbreiten“.

Und diese listigen Geschöpfe, Verräter am größten Gesetz, das je gegeben wurde, die begierig danach strebten, jede Spur des Nazareners zu vernichten, gaben Saulus von Tarsus die Vollmacht, um die er bat. Wenn sie hätten sehen können, was mit diesem Saulus später geschah, und wenn sie vorher gewusst hätten, wie flehentlich seine erlöste Seele sie bald bitten würde doch aufzuhören, Gottes Plänen entgegenzuwirken, dann hätte er diese Vollmacht niemals erhalten. Dieser Saulus bekehrte sich auf dem Wege nach Damaskus. Die Bekehrung des Saulus ist einer der größten Beweise der Kraft Christi, den Menschen von der Sünde zu erlösen.

Ein englischer Schriftsteller erzählt in einer seiner Geschichten, wie ein Prinz eines Tages seine Kleider mit den Kleidern eines armen Mannes vertauschte. Er zog die Kleider des Armen an und der Arme zog die seinen an. Ein Kind Gottes zu werden bedeutet mehr als ein Wechseln der Kleidung, Annehmen eines Bekenntnisses oder Beitreten zu einer Kirche oder Gemeinde. Ein Kind Gottes zu werden bedeutet auch mehr, als mit Wasser getauft zu werden, mehr als ein Versprechen zu machen oder neue Entschlüsse zu fassen. Es ist nichts anderes als eine vollständige innere Wandlung, aus der dann ein neues und ganz anderes Leben entspringt. Schau dir doch Saulus an! Bedenke, was es bedeutete, aus einem so hartnäckigen, so gewissenhaften und entschlossenen Mann wie er, der seine Berufung in der Verfolgung der Christen und ihrer Vernichtung sah, einen ergebenen Nachfolger Christi zu machen, der als Prediger durch das ganze römische Reich zog und die Welt bewegte! Solche Dinge bringt die Erlösung durch Christus zustande. Saulus wurde von neuem geboren und wurde in Gottes Familie aufgenommen (Röm. 8:14-17). Von nun an handelte er ganz gemäß der Überzeugung, dass er ein Mann Gottes war und Gottes Werk verbreiten musste.

Erlöst oder wiedergeboren zu sein bedeutet, Aufnahme in der größten, reichsten, höchsten, ehrbarsten, erhabensten und angesehensten Familie auf Erden gefunden zu haben: in dem Hause Gottes. Erlöst sein bedeutet, Zutritt zum Himmelsthron Gottes zu haben, wo der himmlische Vater unsere Bitten erwartet, um uns mit der größten Bereitwilligkeit zu helfen. Wir werden eingeladen, „hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebr. 4:16). Welch ein reicher Vater! Welch ein liebreicher Vater! Welch ein gütiger Vater, der unsere Fehler übersieht, oder der uns dafür ein wenig züchtigt und dann „auf die Schulter schlägt“ und ermutigt, vorwärts zu gehen!

Durch das Gebet haben wir Zugang zu Gott und können mit ihm sprechen, indem wir ihn um etwas bitten, ihm danken oder ihn loben. Das Gebet ist Gemeinschaft mit Gott. Um vom Gebet den größten Nutzen zu bekommen, sollten wir einige Grundregeln beachten. Zum Beispiel sollte ein Kind Gottes einen stillen Ort zum Gebet haben, wo es ungestört mit dem Vater reden kann, denn der Herr Jesus sagte: „Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein“ (Mt. 6:6). Dies meint, sich so weit wie möglich von allem äußeren Tumult zurückzuziehen. Aber ebenso wichtig ist es, sich von innerer Unruhe und Störungen zu befreien. Einst erzählte eine liebe Seele ihrer Freundin, wie sie immer wieder ihre Last zum Herrn brachte. Und dann fuhr sie traurig fort: „Und doch drückt sie mich immer weiter. Ich nehme an, ich muss sie mein ganzes Leben lang tragen“. „Hast du es schon versucht, deine Bürde auf den Herrn zu werfen und sie bei ihm auch zu lassen?“, fragte darauf die Freundin.

Das Gemüt des Menschen darf nicht angefüllt sein mit seinem Geschäft, mit irdischer Liebe, Sorgen, Kindern, Arbeit oder Vergnügen. Das Herz muss von irdischen Gedanken und Plänen frei sein, um sich ganz auf Gott konzentrieren zu können oder auf die Angelegenheit, die im Gebet vor den Herrn gebracht werden soll. Es gibt Eltern, die es fertig bringen, zu gewissen Zeiten ihre Kinder aus dem Haus zu halten, die aber nicht lernten, auch ihr Gemüt von den Gedanken und Sorgen um die Kinder frei zu halten. Diese immerwährende Sorgen und Gedanken um ihre Liebsten belastet ihr Gemüt so, dass sie kaum ruhig beten können. Und doch muss dies getan werden.

Das Gebet ist das größte Vorrecht eines Christen. In den Tagen der despotischen Königsherrschaften begab man sich in eine große Gefahr, wenn man ohne Einladung vor den König trat. Denn wenn er den Daumen oder den Zepter nach unten richtete, kostete es dem Ungeladenen das Leben. Aber Gott, der erhabene Herrscher über alles, ladet dich ein, zu ihm zu kommen und täglich mit ihm Gemeinschaft zu haben. Denk an die Ehre, die dir dabei widerfährt! Denke daran, dass du jeden Tag, zu jeder Zeit und über jede Angelegenheit diese wunderbare und seelenerfrischende Gemeinschaft mit deinem Gott haben kannst.

Vielleicht erinnerst du dich daran, wie Mose vierzig Tage auf dem Gebirge Horeb verbrachte und mit einem glänzenden Gesicht zurückkam. Ich weiß von einer Frau, die bei jedem Tagesanbruch beständig zum Herrn betete, bis himmlische Freude ihre Seele erfüllte. Deshalb, lieber junger Christ, lerne die große Kraft kennen, die dir das Gebet gibt, damit du siegreich durch das Leben gehen kannst.

Lasst uns hier aufzählen, wie Gott uns lehrt zu beten:

l. „Lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden“ (Phil. 4:6). Wir sollen also unsere Bitten mit Danksagung verbinden.

2. „Betet ohne Unterlass“ (1.Thess. 5:17). Wir werden also aufgefordert, zu jeder Zeit und allezeit zu beten.

3. Man soll allezeit beten und nicht ermatten (Lk. 18:1). Betende Christen ermatten nicht. Dies ist ein Prüfstein des Wertes des Gebets.

4. „Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden“ (Mk. 11:24; Elbf. Ü.).

5. „Wenn ihr etwas bitten werdet in meinem Namen, so werde ich es tun“ (Joh. 14:14).

Die letzten zwei Schriftstellen stellen Verheißungen von unmessbarer Tragweite dar.

6. „Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1.Petr. 5:7). In deinem Leben wird es viele Sorgen geben. Doch hier ladet Gott ein, sie alle auf ihn zu werfen.

7. „Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen“ (Ps. 55:22). Ist das nicht ein großes Vorrecht?

8. „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen“ (Ps. 50:15).

Liebes Kind Gottes, diese Verheißungen sind alle für dich. Versuche mal, dort deinen Namen so einzusetzen, als ob sie an dich persönlich gerichtet wären; eigne dir die Verheißungen an und erfahre, wie nahe sie dir sind.

Wir müssen natürlich auch lernen zu beten: „Dein Wille geschehe“, so wie es Jesus in Gethsemane tat. Gott hat unbeschränkte Macht über alles. Wir Menschen sind kurzsichtig und beten nicht immer weise; deshalb müssen wir stets in Gottes Willen ergeben sein. Und wenn es Gott für gut ansieht, unser Gebet nicht sogleich oder überhaupt nicht zu beantworten, dann sollen wir das Bewusstsein in unserer Seele tragen, dass der Herr handelt, wie es für uns am besten ist.

Doch ein Kind Gottes hat noch andere Vorrechte. Nehmen wir an, einer deiner Freunde würde zu dir sagen: „Ich habe einen Engel gesehen“. Sicherlich würdest du dann sehr interessiert sein und deinen Freund mit allerlei Fragen bestürmen: Wie er aussah,  was er sagte usw. Liebe Seele, ich will dir jetzt ein Geheimnis mitteilen, etwas, das nicht viele wissen, nämlich dass die Engel Gottes jederzeit um dich sind.

Ein armer verlassener Mann stand um Mitternacht einsam auf einer Brücke. Niemand liebte ihn, so dachte er. Sein ganzes Leben war nur ein Fehlschlag und nun wollte er es beenden. Aber er stand nicht allein da. Was waren das für Gestalten um ihn? Zu seiner Seite stand ein Engel Gottes, der Worte der Ermutigung und der Warnung ihm ins Ohr flüsterte. Aber auch ein Engel des Teufels stand neben ihm und sagte: „Mach mit allem ein Ende! Mache ein Ende!“, und zeigte auf das trübe Wasser unter ihm.

Dies ist kein Fantasiegebilde, sondern Wirklichkeit. Auch um dich, junge bekehrte Seele, sind die Engel Gottes, „denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“ (Ps. 91:11). Sogar der Teufel wusste dies; denn als er den Herrn Jesus auf der Zinne des Tempels versuchte, hielt er ihm die obige Schriftstelle entgegen. Jesus wusste wohl, dass dies wahr ist; aber gerade dann brauchte er die Engel nicht, weil er sich nie von der Tempelzinne werfen würde, um dem Teufel zu gefallen. Aber in Gethsemane brauchte er Hilfe. Und wir lesen: „Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn“ (Lk. 22:43). Der Engel Gottes kommt immer zur rechten Zeit. Wir sehen die Engel nicht, aber sie sind immer um uns.

Ein Prophet und sein Diener lagen während der Nacht und schliefen. Währenddessen umringte ein feindliches Heer die Stadt. Als der Diener am Morgen erwachte, sah er nur das feindliche und rachsüchtige Heer, das sich um die ganze Stadt gelagert hatte. „Was sollen wir tun?“, schrie er. Voll Zuversicht erwiderte der Prophet: „Fürchte dich nicht; denn derer ist mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind“. Der junge Mann konnte das nicht verstehen. „Und Elisa betete und sprach: Herr, öffne ihm die Augen, dass er sehe! Da öffnete der Herr dem Diener die Augen, und er sah; und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her“ (2.Kön. 6:14-17).

In allen Angelegenheiten des christlichen Glaubens haben wir es mit unsichtbaren Kräften und Dingen zu tun. Von Mose wird gesagt: „Er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn“ (Hebr. 11:27). Die Macht der unsichtbaren Naturkräfte ist gewaltig – der Elektrizität, der Hitze, der Luft und des Dampfes. So verhält es sich auch mit den geistlichen Kräften – der Willenskraft, dem Glauben, der Hoffnung, der Freude, dem Leid, des Friedens und der Weihe. Diese unsichtbaren Kräfte bewegen die Welt. Wahrer Glaube verbindet den Menschen mit Gott, der alle Dinge schuf; er verbindet ihn mit dem Himmel, mit den Engeln, mit den unsichtbaren Mächten der Gerechtigkeit und des Guten, mit dem Heiligen Geist – mit den gewaltigsten geistlichen Kräften, die es gibt. Darum, liebe Seele, verlass dich auf deinen Gott!

Es gibt noch zwei Dinge, die man hier erwähnen sollte, und das ist Anbetung und Dienst. Wir bekommen die Natur dessen, was wir anbeten. Wenn das Geld unser Gott ist, dann wird unser Gesichtsausdruck Geiz und Kargheit verraten. Wenn wir Vergnügungen und Lüsten frönen, wird man es uns auch ansehen. Und unsere Herzen werden noch mehr als der Gesichtsausdruck die Natur dessen haben, was wir anbeten. Wir werden ernst ermahnt, nur Gott anzubeten. Wie? – „Im Geist und in der Wahrheit“ (Joh. 4:24). Wenn wir Gott anbeten, verbindet sich unser Geist auf eine segensreiche Weise mit ihm.

Du bist nun bekehrt und hast etwas über das Beten und darüber, wie Gott dich behütet, gelernt. Doch weißt du auch, dass Gott von dir noch etwas verlangt? Du solltest jetzt jedoch nicht denken, dass das christliche Leben nur Arbeit ist und keine Freuden enthält. Gerade die Arbeit für den Herrn Jesus bringt Freude in Fülle.

Jesus sandte seine Jünger aus, damit die ganze Welt gerettet würde. Seine Abschiedsworte waren: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur“ (Mk. 16:15). Es ist wahr, wir stehen vor einem Werk von ungeheuren Ausmaßen; doch von dir und mir fordert der Herr nur das, was wir tun können. Ein Christ muss mit Herz und Seele zur Arbeit für den Herrn da sein. Er muss willig sein, dem Herrn nach seinen besten Kräften zu dienen; er sollte seine Erkenntnis und Weihe vertiefen, um noch mehr und besser dienen zu können. Du bist Christi Eigentum geworden; darum sei bereit, im Weinberg deines Meisters zu arbeiten, damit noch viele Menschen sich der herrlichen Erlösung durch Jesus Christus erfreuen können.