Die Registrierung

Durch Gottes Gnade hat die Gemeinde an Zahl zugenommen. 1973 war sie so groß, dass wir uns nicht mehr in einem Raum versammeln konnten. Nach gründlichem Überlegen kamen wir zu dem Entschluss, die Gemeinde in zwei Gruppen zu teilen. Obwohl es uns sehr schwer fiel, sahen wir keinen anderen Weg. Wir teilten die Geschwister in zwei Gruppen so auf, dass jede Gruppe mit dem Wort Gottes versorgt werden konnte. Doch jeder von uns wusste genau, dass es auf lange Sicht so nicht bleiben konnte, wir wollten doch zusammen sein. Da gab uns Gott wieder einen Ausweg.

Im Jahr 1977 kamen Brüder aus der Gemeinde Belije-Wodi zu mir und erzählten Folgendes. Die Obrigkeit an ihrem Ort hat die leitenden Brüder der Gemeinde zu sich gerufen und ihnen mitgeteilt, dass die Regierung in Moskau beschlossen hätte nachzuprüfen, wer diese Gläubigen seien, die sich versammeln und Gott anbeten. Wenn sie für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft nicht hinderlich wären, wollte man ihnen nicht verbieten sich zu versammeln. Vielmehr wollte man ihnen die Möglichkeit geben, sich registrieren zu lassen. Die örtliche Obrigkeit sollte, wenn nötig, bei der Registrierung behilflich sein. Die Brüder sollten die Angelegenheit mit der Gemeinde besprechen und entsprechende Anträge stellen. Die registrierte Gemeinde würde dann unter dem Schutz der Obrigkeit sein, könnte sich ein Gemeindehaus anschaffen und sich frei versammeln. Die Eltern dürften auch ihre Kinder mit zu den Gottesdiensten nehmen, niemand würde die Gemeinde stören. Die Brüder wurden aufgefordert, die Sache gut zu überlegen und die Gelegenheit zu nutzen.

So suchten die Brüder nun bei mir Rat, was hier zu tun sei. Aus Erfahrung wussten wir, dass solch ein Angebot auch ein großer Betrug sein könne. Ich wusste auch nicht viel dazu zu sagen, da man nicht nachprüfen konnte, wie sich die Sache wirklich verhielte. Menschlich gesehen schien es uns unmöglich, dass die Obrigkeit zu so einer Einstellung kommen könnte. Wussten wir doch nur allzugut, was die Gläubigen in der Vergangenheit unter diesem Regime aushalten mussten. So haben wir beschlossen, die Sache den vorstehenden Brüdern auch an anderen Orten mitzuteilen. Wir kamen zusammen und wurden darin einig, für diese Sache zu beten. Ist diese Registrierung eine Möglichkeit, die Gott uns geben will, so wird er auch einen Weg für uns haben und uns Klarheit darüber schenken.

Bald darauf meldeten sich die Brüder von Koktschetav, dass auch sie das gleiche Angebot von der Obrigkeit erhielten. Dann erhielten auch wir eine Einladung, zu einem Vertreter der Obrigkeit nach Zelinograd zu kommen, der uns das Gleiche mitteilte.

Es war für uns sehr schwer, eine Entscheidung bezüglich der Registrierung zu treffen. Wir hatten nur eine geringe Bildung und sollten nun eine Satzung (устав (rus.)) ausarbeiten. Es gab bei uns niemanden, der diese Aufgabe übernehmen konnte. In anderen Ortsgemeinden gab es Brüder, die Bildung hatten. Sie haben sich jedoch strikt geweigert, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie sagten, dass sie der Regierung nicht glauben. Und die ganze Sache mit der Registrierung sei nur ein Verrat, um der Gemeinde zu schaden.

Auch bei unseren Geschwistern gab es aufgrund mancherlei Erfahrungen große Bedenken. Ich blieb aber gemeinsam mit etlichen Brüdern bei der Meinung, in dieser Sache der Führung Gottes zu vertrauen. Hatte Gott doch schon bewirkt, dass man mit uns freundlich sprach und uns sogar Hilfe anbot. So etwas war vorher einfach undenkbar. Wir stützten uns darauf, dass Gott die Führung hat und uns auch weiter hindurchhelfen wird.

Wir hatten keine Ahnung, wie die Registrierung richtig zu machen wäre. So fragten wir bei den Baptisten nach, ob sie uns helfen könnten. Sie waren auch zur Hilfe bereit, doch ihre Satzung passte für uns nicht.

Da erinnerte ich mich daran, dass die Gemeinde Gottes in den 20er-Jahren in Riga registriert war. Wir hofften nun, dass es dort noch irgend welche alten Unterlagen gäbe, die uns weiterhelfen könnten. Ich schrieb an Br. Erhard Kern, der zu jener Zeit dort wohnte, und bat ihn, uns in dieser Sache behilflich zu sein. Gott sei Dank, er hat sich erkundigt, es wurde noch eine alte Satzung gefunden und uns zugesandt. Nach dieser Satzung haben wir uns gerichtet und die entsprechenden Anträge bei der Regierung eingereicht. Es wurde alles wie beantragt genehmigt, Gott sei Dank.

Daraufhin wurde uns auch, falls nötig, Polizeischutz für die Durchführung der Gottesdienste und der öffentlichen Taufen angeboten. Sie ermahnten uns nur nichts heimlich zu tun und nicht gegen die Obrigkeit zu predigen. Wenn so etwas bekannt wird, würde man uns bestrafen. Die Obrigkeit kündigte auch an, Vertreter zu schicken, die den Gottesdiensten beiwohnen würden. So geschah es auch, doch es kam zu keiner Anklage. Die Eltern durften auch ihre Kinder mit zu den Gottesdiensten nehmen, nur sollten keine Kinder mitgebracht werden, deren Eltern dagegen waren.

Für die örtliche Obrigkeit war dies alles ein schwerer Schlag. Sie waren doch den Anweisungen der Partei gefolgt und hatten den Gläubigen das Leben schwer gemacht. Nun sahen sie sich als Verlierer und manche schämten sich nun. Wir sahen diese Sache als von Gott an. Er hatte die Gedanken der Obrigkeit gelenkt, damit es noch eine solche Zeit der Freiheit geben musste, damit noch viele die frohe Botschaft des Evangeliums hören konnten.

1978 wurde die Gemeinde in Kamenka registriert. Die alten Brüder konnten nicht mehr am Wort dienen, so übernahmen die Brüder Heinrich Brade, Robert Zelmer und Leonhard Ritthammer diese Aufgabe. Die Leitung der Gemeinde wurde Geschwister Brade anvertraut. Ab 1986 übernahmen dann Geschwister Ewald Reimann die Gemeindeleitung.

Im Jahr 1981 kauften wir eine Doppelhaushälfte für das Gemeindehaus. Im Jahr 1984 wurde dort ein Versammlungsraum angebaut, der 12 x 8 m groß war. Den alten Teil nutzten wir als Garderobe. Es war wieder eine schöne Zeit, in der wir alle zusammen sein konnten. Wir wurden auch viel von Geschwistern aus anderen Gemeinden besucht. Der Herr hat wunderbar gesegnet. Und bis 1980 wurden dann insgesamt 11 Gemeinden registriert.