Der Untergang eines jungen Mannes

Wohin das erste Schnäpschen den Knaben führt

Staatsgefängnis, Michigan City, Ind. 5. Nov. 1893

Ich wurde in Alamo, Ind., im Jahre 1871 geboren. Ich hatte ein gutes Heim und liebende Eltern. Als ich ungefähr neun Jahre alt war, gefiel es mir nicht mehr, daheim zu bleiben, weil mir etliche Knaben immer wieder erzählten von dem vielen Geld, dass wir verdienen könnten, wenn wir nicht zu Hause bleiben und in die Schule gehen müssten. So überredete ich meinen Vater, mich gehen zu lassen, um für Lohn zu arbeiten.

Kurz darauf ging ich auf einen Ort, der einige Meilen von zu Hause entfernt war, um zu arbeiten. Dort waren etliche böse Buben, und bald waren die schlechtesten von ihnen meine beständigen Kameraden. Wir gingen in die Obstgärten und verdarben das Obst. Zuerst war ich nicht so schlimm, aber dann neckten sie mich, und ich ging mit. Den ersten Winter besuchte ich noch die Schule. (Ich war damals erst neun Jahre alt.) An einem Sonnabend, als ich auf die Post ging, um die Postsachen zu holen, traf ich einen meiner Schulkameraden, der wohl einer von den schlechtesten Buben war. Er wollte, dass ich einen Schluck Branntwein mit ihm trinken sollte. Als ich mich weigerte, dies zu tun, sagte er, dass ich mich fürchte. Das konnte ich nicht gelten lassen und so trank ich meinen ersten Schnaps.

An diesem Abend rühmten sie mich alle und sagten: „Du bist ein Mann, wenn du recht viel davon trinkst!“ Dazu übte der Schnaps solch angenehme Wirkung auf mich aus, dass ich mehr davon verlangte. Und ich trank, so oft ich ihn bekommen konnte. Auf diese Weise wurde es schlimmer und schlimmer mit mir, und bald konnte ich die größten Lügen erzählen, die du je gehört hast. Einmal wurde ich so schwer dafür gezüchtigt, dass ich meine Stelle verließ. Ich war damals zwölf Jahre alt. Nun ging ich in die Welt, um für mich selbst zu sorgen. Aber der Weg, den ich einschlug, erwies sich als traurig. Ich fand wohl eine andere Stelle, wo ich bleiben konnte, wurde aber bald so ruhelos, dass ich sie aufgab. Dann wohnte ich ein Jahr lang bei einem anderen Mann. Er gab mir Geld, wofür ich mir Zigarren und Branntwein kaufte. Ich dachte, es sei etwas Großes, wenn ich rauchen und trinken könnte. Bei Leuten, die so etwas nicht erlaubten, wollte ich nicht bleiben.

Als ich vierzehn Jahre alt war, blieb ich ein Jahr zu Hause; dann brachte ich drei Jahre an einem anderen Ort zu. Das erste Jahr schien ziemlich gut vorüberzugehen, doch dann wurde ich wieder mit bösen Buben bekannt. Wir gingen des Nachts aus, trieben uns herum und tranken. Bald fing ich auch an, Obst und Melonen zu stehlen. Auf diese Weise lebte ich drei Jahre und wurde so schlecht, wie jemand in meinem Alter nur werden konnte.

Im Alter von siebzehn Jahren ging ich nach Louisville, Ky., wo ich achtzehn Monate mein Sündenleben fortsetzte. Kurz nach meiner Rückkehr nach Ind., wo ich ein Jahr blieb, trat ich in den Dienst eines Mannes. Aber er konnte mir nicht trauen, denn ich war immer am Trinken, wenn ich starke Getränke bekommen konnte.

Einmal, als ich eine Zeitlang für ihn gearbeitet hatte, betrank ich mich und ging zu ihm, um mit ihm abzurechnen. Aber er wollte nicht, weil ich betrunken war. Dies ärgerte mich, ich schlug ihn nieder und nahm sein Geld. Zwei Stunden danach wurde ich verhaftet und dann zu zehn Jahre Haft verurteilt. Ich hatte früher ein gutes und angenehmes Heim; aber um meiner bösen Taten willen muss jetzt die Strafanstalt mein Heim für zehn lange Jahre sein.

Euer aufrichtiger B. S. (geschrieben für „Des Knaben Begleiter“)