Kein Mangel

„Mir wird nichts mangeln“ (Ps. 23:1).

Man leidet heutzutage darunter, dass viele sich so sehr an Übertreibungen gewöhnt haben. Mit dem Wort „sehr“ meint man nicht mehr auskommen zu können; es ist gleich „enorm“ oder „kolossal“. Weil man sich so sehr an Übertreibungen gewöhnt hat, denkt man, wenn man in der Heiligen Schrift solchen starken Worten, solchen herrlichen Verheißungen begegnet, das wären auch Übertreibungen, die etwas eingeschränkt werden müssten. Aber nein, die Bibel übertreibt nicht. Wenn die Bibel etwas sagt, dann meint sie es auch so. Wenn die Bibel „nichts“ sagt, dann meint sie auch „nichts“.

Was hast du bisher bei diesem Vers des 23. Psalmes gedacht? Nicht wahr, du hast so getan, als ob da stände: „Mir wird nicht viel mangeln? Du hast gedacht, du wirst etwas bekommen. Aber nein, das steht ja gar nicht da. Es heißt: „Mir wird nichts mangeln“. Also wirst du alles haben, was du brauchst!

Es ist nicht das einzige Mal, dass uns verheißen wird, dass wir keinen Mangel haben sollen. Diese Verheißung steht mehrfach in der Bibel. In Psalm 34:10 heißt es ganz ähnlich: „Die Ihn fürchten, haben keinen Mangel“, und ebenso in Psalm 84:12: „Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen“. Jedesmal dieselbe Bedingung: „Ihn fürchten“, „den Frommen“, „der Herr ist mein Hirte“ und dann diese Verheißung: „Kein Mangel“. Wir brauchen viel. Unsere Bedürfnisse sind groß. Unsere Lage ist oft schwierig. Aber es gilt für alle Schwierigkeiten, für alle Verhältnisse: „Mir wird nichts mangeln“.

Da steht eine Frau am Waschfass, die Kinder um sie her. Sie kann sich den Kindern nicht so widmen. Die machen einen großen Lärm. Die Mutter spürt, dass ihr der Geduldsfaden reißen könnte, darum faltet sie die Hände. Sie betet laut um Gnade, ganz still bleiben zu können und dass auch die Kinder stille werden möchten. Wie sie ausgebetet hat, sagt die Kleine, die am meisten gelärmt hatte  und die auch ihre Hände gefaltet hatte, ganz kräftig: „Amen“. Es war, als ob Öl auf stürmische Fluten gegossen wäre. Die Kinder wurden ganz artig. Und die Mutter verlor die Geduld nicht. Sie hatte keinen Mangel.

Wie viele Frauen gibt es, die mit einem unbekehrten Mann durchs Leben zu gehen haben. Oh, was gibt es für Märtyrerinnen unter den Frauen! Wie barsch und unfreundlich werden sie oft angefahren. Liebe Schwester, wenn das dein Fall ist, wenn du oft gedacht hast: Ich kann es nicht mehr aushalten – ja, du kannst! Vertrau auf den Herrn, und dir wird nichts mangeln. Er hat die Sanftmut, die du nötig hast für den Verkehr mit deinem Mann. Bitte Ihn nur, nimm nur aus seiner Fülle, und du wirst keinen Mangel haben.

Du hast es mit unliebenswürdigen Verwandten zu tun. Sie machen dir das Leben oft schwer. Du grämst dich darüber. Du ärgerst dich. Wirklich? Tust du das? Dann hast du die vier Worte nicht richtig gelernt: Mir wird nichts mangeln! Nein, du brauchst dich gar nicht zu ärgern. Du darfst aus dem Meer der Liebe im Herzen Jesu Liebe schöpfen zum Umgang mit den unliebenswürdigen Verwandten. Und dann dringt dich die Liebe Christi also, dass du gar nicht anders kannst als lieben.

Brauchst du Kraft zum Ertragen von Schmerzen? Auch die hat der Herr. Ich weiß von einem alten Herrn, der auf einer Reise schwer erkrankte. In einer Krankenbahre wurde er zur Bahn gebracht und dann in den Gepäckwaggon geschoben. Nur über seinem Gesicht war eine kleine Öffnung. Da meinte er: „Ein Fenster offen nach Jerusalem“. Und als er dann in der Heimat angelangt war und nach seinem Hause gebracht wurde, gebot er, seine Bahre vor dem Harmonium im Esszimmer niederzustellen. „Nun wollen wir singen,“ – sagte der schwerkranke Mann, „Ich habe einen herrlichen Heiland“. Den ersten Vers sang er ziemlich allein, weil die anderen zu bewegt waren, um mitzusingen. Erst beim zweiten Vers fielen die anderen ein. Als das Lied zu Ende war, betete er, während den Zuhörern die Tränen über die Wangen liefen. Dann sagte er: „So, nun bringt mich hinauf!“ Hatte er etwa keine Schmerzen? O ja, die Schmerzen waren sehr groß. Aber der Kranke hatte einen herrlichen Heiland, und darum hatte er keinen Mangel!

Vielleicht brauchst du Trost. O suche ihn nicht bei Menschen! Die sind schwache Tröster. Aber Jesus ist ein Gott allen Trostes. Er will dich trösten, „wie einen seine Mutter tröstet“. Ja, komm mit deinem bekümmerten Herzen zu dem Herrn, sage Ihm, was du willst, klag Ihm dein Leid, und auch du erfährst es: Es gibt bei Ihm keinen Mangel.

Vielleicht stehst du vor einer großen Aufgabe, und du fürchtest dich davor. Du fühlst dich derselben nicht gewachsen. Meinst du denn, Gott stellt dich vor Aufgaben, zu denen Er dir nicht auch die erforderlichen Gaben darreicht? Jona hätte gar nicht nötig gehabt wegzulaufen, als Gott ihn nach Ninive schicken wollte. Er hätte damit rechnen können, dass Gott ihm für diesen schweren Dienst auch die dazugehörige Ausrüstung geben würde. Die Jünger bekamen einen noch viel schwereren Auftrag. Ihr Meister gebot ihnen, das Evangelium zu predigen aller Kreatur. Wer waren sie? Unstudierte Leute, Handwerker, Fischer, Zöllner aus Galiläa. Von keiner Gesellschaft wurden sie ausgesandt, kein Komitee stand hinter ihnen. Nur eins sagte ihnen der Herr: „Ich bin bei euch alle Tage“, und das war ihnen genug. Sie hatten Ihn, und darum hatten sie keinen Mangel!

Ich kann gar nicht alle Fälle aufzählen, in denen Kinder Gottes darauf rechnen können: Mir wird nichts mangeln. Ich will nur noch einen erwähnen, um zu zeigen, dass es auch in Bezug auf das tägliche Brot und das irdische Durchkommen gilt: keinen Mangel haben.

Es war ein Kaufmann, ein Kolonialwaren-Händler, der bekehrte sich. Nach kurzer Zeit fiel es ihm schwer ums Herz, dass er doch als Christ keinen Brandwein mehr im Laden haben dürfe. Seine Frau war gar nicht einverstanden, als ihr Mann ihr sagte, er beabsichtige, keinen Brandwein mehr zu verkaufen. Aber es war ihm klar, es sei Unrecht, und er handelte danach. Eines Tages roch die ganze Straße nach Brandwein. Der Kaufmann hatte fünf Fässer voll in die Gasse laufen lassen. Verliefen sich nun die Kunden? O nein, der Bruder hatte auch jetzt keinen Mangel! Nach etlicher Zeit beunruhigte ihn sein Gewissen, dass er Sonntags verkaufte. Er kam nicht zur Ruhe, bis eines Tages eine Anschrift an der Ladentür hing: „Sonntags geschlossen“. Seine Frau war noch weniger damit einverstanden, als bei der Geschichte mit dem Brandwein. „Nicht nur, dass du das Sonntagsgeschäft verlierst, – sagte sie, – du wirst auch die Kundschaft verlieren. Denn wenn die Leute Sonntags woanders hingehen müssen, werden sie in der Woche auch woanders hingehen!“

Das war ganz richtig gerechnet. Aber der Bruder rechnete mit Gott und sprach: „Mir wird nichts mangeln; und wenn der Herr alles kann, eines kann Er nicht: Er kann nicht täuschen, die Ihm vertrauen“.

Lieber Bruder und Schwester, willst du diese Worte glauben? Mir wird nichts mangeln. Du kannst sie noch nicht so frisch und freudig glauben? Warum das? – Du blickst auf dich selbst. Oder du denkst an den Teufel, an seine große Macht und an seine vielen Liste, und da wirst du ganz mutlos und verzagt. Da möchte ich dir ein Wort in deiner Bibel unterstreichen, es ist in Hebr. 12:2, „Lasset uns aufsehen auf Jesum“. Also nicht nur aufsehen, sondern auch wegsehen! Weg? Wovon denn weg? Weg von dir selbst. Weg von deiner eigenen Untüchtigkeit und Unfähigkeit, auch weg von dem Teufel und seiner Macht! Weg von den schwierigen Verhältnissen, weg von allem – auf Jesum sehen: Das ist unsere Aufgabe. Darum blicke auf Jesum in allen Lagen des Lebens, in allen Verhältnissen, in allen Bedürfnissen und sprich vertrauensvoll, siegesgewiss: Mir wird nichts mangeln.