Fremde Lehren

Ich weilte noch fern von zu Hause, als mich die Nachricht erreichte, dass in meiner Heimat ein Evangelist und eine Anzahl Reichsgottesarbeiter und Sänger weilten, die den Leuten fremde Lehren verkündigten. In einer zweieinhalb Meilen von unserem Ort entfernten Kapelle der „Vereinigten Brüder in Christus“, denen auch wir angeschlossen waren, hatten sie schon mehrere Gottesdienste abgehalten.

Unter anderem lehrten diese Leute, wenn Sünder Erlösung gefunden hätten, seien sie von all ihren Sünden errettet. Ihre Sünden seien ausgelöscht und Gott gedenke derselben nicht mehr. Sie könnten frei von Sünden leben, indem sie ganz und gar dem Worte Gottes gehorsam seien, und der Herr sähe sie nicht länger als Sünder an, es sei denn, dass sie wiederum sündigen würden. Diese Leute lehrten auch Heiligung. Sie behaupteten, der Mensch könne nach seiner Bekehrung noch eine weitere Stufe der Vollkommenheit erreichen, und erst das Gnadenwerk der Heiligung sei das Hauptziel jeder geistlichen Entwicklung. Sie lehrten auch, dass durch das Gebet des Glaubens und Händeauflegen die Kranken gesund würden und Teufel wie zu der Apostelzeit ausgetrieben werden könnten.

In Bezug auf die Gemeinde lehrten sie: Wenn jemand bekehrt, das heißt „wiedergeboren“ ist, ist er durch diese geistliche Geburt in die Gemeinde Gottes versetzt worden und braucht nicht irgendeiner anderen Kirche angehören. Er ist in der Gemeinde, von der Jesus sagte, er wolle sie bauen (Matth. 16:18). Die Verbindung zu irgendeiner anderen Kirche sei der biblischen Lehre entgegen. Sie lehrten nicht nur die Einheit aller Kinder Gottes und die eine Gemeinde, welche sie „Gemeinde Gottes“ nannten (Apg. 20:28), sondern auch, dass alle andere religiöse Glaubensrichtungen, Bekenntnisse und Lehren menschlichen Ursprungs seien. Und dass gerade ihre Aufrichtung das Volk Gottes trenne und der Erhörung des Gebets Jesu in Joh. 17:20-21 entgegenwirke. Sie lehrten auch, dass diese Trennung das sei, worauf sich Johannes in der Offenbarung bezieht, wenn er vom geistlichen Babylon redet (Offb. 18:1-6). In ihren Predigten legten sie besonderen Wert auf die Worte in der Offenbarung des Johannes (Kap. 18:4): „Gehet aus von ihr, mein Volk.“ Viele Schriftstellen dienten ihnen als Stützpunkte ihrer Lehre.

Das Ergebnis dieser Versammlungen war, dass viele Leute in jenem Teil des Landes in große Aufregung versetzt wurden. Die größte Aufregung entstand in jener Gemeinde, der meine Eltern angehörten. Viele ihrer Mitglieder erkannten, dass sie nur ein leeres religiöses Bekenntnis besaßen. Sie suchten und erlangten eine wirkliche Erfahrung der Wiedergeburt. Manche machten die Erfahrung der Heiligung und einige wurden von ihren Krankheiten geheilt. Am Ende der Versammlungen war die Gemeinde in zwei Gruppen geteilt. Die Mehrheit hatte diese wunderbar dargestellten Lehren des Wortes Gottes angenommen und erfreuten sich nun einer guten Erfahrung. Tief empfanden sie ihre innige Gemeinschaft in Gott und baten, ihre Namen aus dem Mitgliedsbuch der „Vereinigten Brüder in Christus“ zu streichen. Groß war die Aufregung, die nun im anderen Lager ausbrach. Die Gegnerschaft dieses geringen Restes wuchs bis zur Verfolgung und Ausstoßung der anderen. Sie hatten keinen Zugang mehr zu dem Bethaus, zu dessen Bau gerade sie mindestens 90 % des Geldes gegeben hatten. Den ganzen Sommers hindurch hielten sie ihre Gottesdienste im Scheunenhof meines Onkels ab, der östlich von der für sie nun verschlossenen Kapelle lag. Ein neues Wagendach war dort errichtet worden, unter dessen Schutz jetzt jeden Sonntag der Prediger einer zahlreichen, teils auf Bänken sitzenden, teils stehenden Zuhörerschaft das Wort verkündigte, begleitet von den Lobpreisungen und Zeugnissen der Gemeinde. Sie nannten sich „Gemeinde Gottes.“ In ihren Reihen befand sich auch meine Mutter und mein Bruder F.