Während des 1. Weltkrieges

Kurz ehe der erste Weltkrieg ausbrach, hatten wir in Wenschmin und in der Weichselniederung bei Gombin anhaltende Versammlungen. Die Brüder Doebert und Müller dienten dabei am Wort. Da schrieb Schwester Doebert aus Deutschland, dass Kriegsgefahr drohe. Schnell machten sich die Brüder auf den Heimweg und kamen gerade noch über die Grenze, ehe der Krieg ausbrach. Für mich und meine Familie war es nicht möglich wegzukommen, denn meine Frau war am 1. August 1914, als der Krieg anfing, mit dem 4. Kind im Wochenbett. Was sollten wir da tun? Wir befahlen uns in die Hände Gottes.

Etwa 14 Tage später mussten wir uns in Gombin bei der Behörde stellen, um nach dem Osten Russlands verschickt zu werden. Wir gaben unsere Wohnung auf und reisten die etwa 12 km nach Gombin. Unerwartet aber hat man nur mich festgehalten  und meine Frau mit den 4 Kindern sandte man wieder an den alten Wohnort zurück. Mich hatte man interniert. So wurden wir voneinander getrennt und sahen uns erst nach etwa 4 Jahren, Ende 1918, wieder.

Wegen der vorhergehenden schweren Tage und des Mangels an Schlaf, fiel ich zuerst in einen kurzen Schlaf. Als ich wieder zu mir kam, dankte ich zuerst dem Herrn und nahm alles Widrige dankbar aus Gottes Hand. Der Geist der Dankbarkeit bewahrte mich auch in den folgenden Jahren der Internierung, bis ich 1918 wieder zu den Meinen kam. Der Herr bewahrte mich vor aller Unzufriedenheit. Gelobt sei Gott für das volle Heil in Christus! Er half mir auch in den dunklen Stunden meines Lebens.

Noch in derselben Nacht wurde ich und noch einige andere Deutsche nach Warschau in eine Kaserne gebracht. Wenn ich mich noch recht erinnere, war das an einem Samstag. Am Montag wurden wir dann mit etwa 1000 Mann mit dem Güterzug nach dem Osten Russlands verschickt. Die Reise dauerte 10 Tage und 10 Nächte, bis wir über Moskau die Stadt Orenburg erreichten. Darauf überquerten wir den Uralfluss und kamen auf sibirischer Seite zuerst auf einen großen Hof, der einer Festung glich, mit hohen Mauern und hohen Toren. Die Mauern waren so dick, dass eine Art sehr primitiver Wohnung darin gemacht war, worin wir dann untergebracht wurden. Auch gab es notdürftig etwas zu essen.

In Orenburg bekamen wir den polizeilichen Befehl, innerhalb drei Tagen nach dem etwa 120 km entfernten Jeromalefka zu gehen. Dort brachte man uns dann gruppenweise bei russischen Bauern unter, die aber selbst nur ihr knappes Auskommen hatten. Da keine Versorgung angeordnet war, gerieten viele in große Not. Die meisten der Mitinternierten waren zuvor in guten Stellungen und guten Verhältnissen, und es wurde ihnen darum sehr schwer, nun so mittellos dazustehen. In der großen Not versuchten sie auf einem großen Gut auf dem Lande zu arbeiten. Doch waren sie diese Arbeit nicht gewöhnt und konnten so nur knapp das Leben fristen.

Wir waren mit unserer Familie finanziell immer knapp dran. Doch der treue Gott hat vor meiner Internierung ein Wunder getan und mich gerade zuvor mit Geld versorgt, das reichte, bis wir Internierten über das amerikanische Konsulat von Deutschland unterstützt wurden. In dieser Notzeit half mir auch Bruder Ebel einige Male. O, welch ein treuer Gott! Es lohnt sich, ihm zu vertrauen!

Es war nicht erlaubt, deutsch zu reden, und darum konnten wir auch keine Gottesdienste halten. Es vergingen etwa 9 Monate, in denen ich mit niemandem so recht über Gottes Wort reden und beten konnte. So diente ich dem Herrn in der Stille. Doch bei allem schenkte mir der Herr ein zufriedenes und dankbares Herz. Es war eine Zeit, in der ich praktisch Heiligung ausleben konnte, und es ging mir in meiner Seele gut.

Als ich eines Tages durch das Dorf ging, in dem wir mit etwa 300 Mann interniert waren, befahl mir eine Stimme ganz deutlich, in ein großes Haus zu gehen. Dort fand ich die Eltern von Bruder Gustav Sonnenberg, der zur Zeit meines Schreibens in Edmonton, Kanada, als Prediger dient. Seine Eltern waren gläubig und auch interniert. Dies gab mir dann die erste Möglichkeit, wieder mit jemand über Gottes Wort zu reden und gemeinsam die Knie im Gebet zu beugen. Seitdem sind über 50 Jahre vergangen, doch erinnere ich mich noch des tiefen Eindruckes, den es auf mich machte, mit Kindern Gottes zusammen zu sein.

Als ich später mit ihrem Sohn, Gustav Sonnenberg, zusammenkam, erzählte er mir von jenem Besuch, den ich bei seinen Eltern gemacht hatte, und dass er davon sehr beeindruckt war. Als wir dann nach dem 1. Weltkrieg in Ortelsburg, Ostpreußen, eine Lagerversammlung hatten, fühlte er sich gezogen, dahin zu kommen und bekehrte sich bei der Gelegenheit. Der Herr hat dann einen sehr tüchtigen und fähigen Reichsgottesarbeiter aus ihm gemacht. Das ist ja weithin bekannt, so dass ich nicht mehr davon zu schreiben brauche. Dem Herrn aber sei alle Ehre! O es lohnt sich, treu durchzugehen, wenn auch scheinbar ohne sichtbaren Erfolg.