Klarheit über die Heiligung

Nachdem ich den Sieg erlangt hatte, wurde ich in meiner Seele sehr befestigt und konnte auch andern, die in gleichen Nöten waren, eine Hilfe sein. Doch hatte ich zu jener Zeit noch Unklarheiten in Bezug auf die Erfahrung der Heiligung. Ich wusste gewiss, dass ich sie erlangt hatte, und war auch ganz Gott ergeben. Doch die Erfahrung der Heiligung mir persönlich und öffentlich zu erklären, war mir schwierig.

Als ich dann während des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 interniert wurde und an der sibirischen Grenze lebte, gab mir Gott darüber bessere Erkenntnis. Auch hierin machten mir die Gefühle Schwierigkeiten. Ich suchte das Geheiligtsein in besonderen Gefühlen. Später zeigte mir Gott, dass der Heilige Geist uns die natürlichen Gefühle nicht wegnimmt. Unsere Gefühle gleichen einem Musikinstrument, das tiefe und auch hohe Töne abgeben kann. Gott hat den Menschen mit diesen Gefühlen geschaffen, sie sind Werkzeuge unseres inneren Menschen, denn wir sind ja nicht aus Stein oder Holz. Auch bei Erlösten und Geheiligten sind die Gefühle immer noch da. Durch diese Gefühle können wir versucht werden (Jak. 1:14).

Bekehrung und Heiligung liegen im Willen des Menschen und nicht in den Gefühlen. Wie hat der Satan in Gethsemane auf die Gefühle unseres Herrn eingewirkt! Doch durch die Kraft von oben behielt der Herr den Sieg, indem er dem Willen Gottes ergeben blieb.

Die Kraft des Heiligen Geistes tut sich nicht in einem unnüchternen Gefühlsrausch kund, sondern in der Freude am Herrn und in der Kraft im Leiden. Wenn wir die Jünger vor und nach Pfingsten vergleichen, können wir deutlich sehen, was die Heiligung und die Kraft des Heiligen Geistes für uns tun kann. Obwohl die Jünger vor Pfingsten wiedergeborene Menschen waren, fehlte ihnen die Kraft aus der Höhe.

Zuvor möchte ich jedoch auf den Gedanken von der Erbsünde hinweisen. Das ist die angeborene Verderbtheit. Das Wort Erbsünde finden wir in der Bibel nicht wörtlich, jedoch sinngemäß. Mit der Zeit offenbarte mir der Herr auch dieses Geheimnis, denn der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes; es muss geistlich gerichtet sein oder vom Geiste Gottes offenbart werden. Diese Erbsünde oder angeborene Verderbtheit finden wir bei den Aposteln vor Pfingsten. Die Jünger waren vor Pfingsten Kinder Gottes. Der Heiland selbst gab ihnen das Zeugnis, dass sie Reben an ihm, dem Weinstock, waren und dass sie nicht von der Welt waren, gleichwie er nicht von der Welt war. Noch eine Anzahl anderer Stellen zeigen, dass die Jünger bekehrt waren.

Woran aber kann man erkennen, dass die Jünger trotzdem noch mit der angeborenen verderbten Natur zu kämpfen hatten? Lies Matth. 20:20-28. Hier offenbarte sich bei den Jüngern Jakobus und Johannes der Hochmut und bei den andern 10 Jüngern der Neid. Das ist die angeborene sündige Natur oder die Selbstsucht. Das Gleiche und andere Dinge finden wir bei bekehrten, aber ungeheiligten Menschen. Selbst viele Prediger in unserer Zeit zeigen diesen Mangel. Wo Selbstsucht ist, da ist noch die angeborene Verderbtheit, da fehlt die Reinigung durch den Heiligen Geist.

Hätte es kein Pfingsten gegeben, wären die Apostel und die erste Gemeinde nie ein Herz und eine Seele geworden. Die Erbsünde oder angeborene Selbstsucht ist die Grundlage der Uneinigkeit. Das allsehende Auge unseres Herrn sah dieses bei seinen Jüngern und wies sie hin auf die Notwendigkeit der Taufe mit dem Heiligen Geist, der sie davon reinigen sollte. Durch sein wunderbares Vorbild zeigte er ihnen auch in praktischer Weise, wie auch sie werden sollten. Der Heilige Geist, der treue Lehrer, hat dies später in ihnen gewirkt, sie gereinigt und geheiligt.

Wie mag des Heilands Herz beschwert gewesen sein, als er diese unreinen Beweggründe seiner Jünger sah. Wie oft mag er für sie gebetet haben wie in Johannes, Kapitel 17. Trotz ihrer absoluten Aufrichtigkeit und dem besten Vorbild durch Jesus ging ihnen das Licht für diese tiefere Reinigung und dass sie mit dem Heiligen Geiste getauft werden müssten, erst später auf, als sie ihren Herrn leiden sahen. So mag es auch heute manchem aufrichtigen Prediger und Kinde Gottes gehen. Sie können nicht verstehen, dass eine tiefere Reinigung nötig ist.

Hätten die Jünger diese Reinigung durch den Heiligen Geist nicht erfahren, wären sie bald in verschiedene Richtungen zerteilt worden. Bald hätte man eine Petrus-, Johannes-, Jakobus- und Paulusgemeinde gehabt, so wie es heute üblich ist. Die Neigung zu solchen Spaltungen finden wir auch in 1. Korinther 3 aufgezeichnet. Die Ursache dafür ist der fleischliche Sinn.

Kinder Gottes sind wohl der Welt und Sünde gestorben, aber nicht ihrem Ich. Sie leben für Gott und auch noch für sich selbst. Es mangelt an der völligen Hingabe. In dem „Sich selbst leben“ können wir die Erbsünde erkennen. Am Wichtigsten jedoch ist es, das bei sich selbst zu erkennen.

Mit den Jahren zeigte mir Gott, dass, wenn sich jemand bekehren will, er nicht alle Erkenntnis darüber haben muss, was die Bekehrung für ihn tut. Ein williges, bußfertiges Herz und ein kindlicher Glaube genügen, um ein Kind Gottes zu werden. Mit der Zeit erlangen wir auch das Wissen und die bessere Erkenntnis. Vieles bleibt uns auch dann noch verborgen und wir werden es erst bei dem Herrn ganz erkennen (1. Kor. 13:12).

Das Gleiche können wir auch von der Erfahrung der Heiligung sagen. Wer willig ist, seinem selbstischen Wesen zu sterben und sich dem Herrn ganz zu ergeben, so gut er kann und weiß, an dem macht Gott seine Verheißung wahr und schenkt ihm seinen Heiligen Geist und reinigt sein Herz von den noch gebliebenen Hindernissen. Wir brauchen darüber nicht alle Erkenntnis zu haben, doch das Feuer seines Geistes verzehrt alles, was dem Herrn nicht gefällt, und reinigt von dem störenden Selbstleben. Der Heilige Geist schenkt uns die Liebe Christi in größerem Maße – nicht in der Quantität, wie Gott sie hat, doch in der gleichen Qualität. Diese Erfahrung ist unabhängig von unseren Gefühlen. Wer darum bittet und aufrichtig danach verlangt, wird es erhalten.

Der Bekehrte muss wachsam sein, um seine Wiedergeburt nicht zu verlieren. Er muss der Sünde gestorben bleiben, um den Sieg zu behalten, wenn die Versuchungen an ihn herantreten. Ebenso muss auch der Geheiligte wachen, um seine Heiligung nicht zu verlieren. Täglich muss er seine Übergabe behalten und, wo es not tut, auch vertiefen. Es ist ähnlich wie im Ehebund. Nachdem man sich die Treue fürs Leben gelobt hat, gilt es dann, diese in den Kämpfen und Proben des Lebens auch zu halten.

Warum hat der Heilige Geist die 12 Apostel noch so viele Jahre in Jerusalem gehalten, wo sie doch den Auftrag hatten, in alle Welt zu gehen das Evangelium zu verkündigen? Jerusalem war für sie der schwerste Platz. Dort mussten sie ihre Übergabe praktisch beweisen. Da mussten sie praktische Einheit lernen, um ein Herz und eine Seele zu sein und zu bleiben. In Einheit und Opfersinn sehen wir den Höhepunkt des geistlichen Lebens. Weil die Apostel und die erste Gemeinde darin wirklich lebten, konnte der Heilige Geist die Führung in der Gemeinde haben und Erweckungen schenken. Das war praktische Theokratie. Aus Mangel an geistlichem Leben ist die Führung des Heiligen Geistes heute vielfach verlorengegangen und Menschen haben sich an seine Stelle gesetzt. Der menschliche Geist und Mangel an Erfahrung der Heiligung sind die Ursachen der Spaltungen und der vielen Richtungen im Christentum. Es ist ein großer Mangel an geistlichem Leben und darum kann der Herr so wenig tun.

Weil ich selbst durch viele innere Kämpfe ging, bis ich zur Klarheit kam, und beobachtete, dass auch andern diese Klarheit fehlt, habe ich diesem Thema soviel Raum gewidmet.