Unter der Führung Gottes

Als der 1. Weltkrieg nicht so schnell zu Ende ging, wie viele dachten, richteten es sich einige besser ein, zu denen auch ich gehörte. Wir mieteten uns ein Zimmer und machten es uns da­rin etwas wohnlich. Da wurden wir nicht so von den Läusen geplagt. Auf einmal erreichte uns der Befehl weiter zu ziehen, etwa 70 km in das Vorgebirge des Urals. Nun hatte ich einen guten Bekannten, der bei der Polizei gute Verbindungen hatte. Er schlug mir vor zu bleiben, denn er wollte bei der Polizei für mich ein Wort reden. Nun stand ich vor der Wahl, was ich tun soll: gehen oder bleiben? Bleiben wäre für mich besser gewesen. Da ich dem Herrn aber geweiht bleiben wollte, überließ ich es ihm, mich darin zu leiten. Etliche Wochen betete ich dafür, bis dass ich den ganz deutlichen Eindruck gewann, mit den andern mitzuziehen und nicht zu bleiben.

Es war an Heiligabend 1917, als wir uns bei verschneitem Weg aufmachten, teils mit Schlitten, teils zu Fuß, diese 70 km weiterzuziehen. Nachmittags gegen 3 Uhr, als es in jener Gegend anfing dunkel zu werden, kamen wir an. Am andern Tag kam gegen Mittag ein Bekannter zu mir und fragte, ob ich ihn zum Nachbardorf begleiten wolle, das noch 7 km entfernt lag. Ich ging mit ihm und hörte, dass in jenem Dorfe russische Gläubige seien.

Als es dunkel wurde, kamen wir an und trafen jemand, der deutsch sprach. Beim Eintreten fragte man mich, was ich wünsche. Ich sagte: „Ich suche Kinder Gottes.“ Darauf lud man mich ein zu bleiben, und wir hatten dann eine Unterredung über die Wahrheit, die sich bis Mitternacht hinzog. Der Mann des Hauses war der Prediger einer deutschen Versammlung. Er erkannte die volle Wahrheit und wurde eine treue Stütze. Er lud mich ein, in seinem Hause zu bleiben, und bald bekehrten sich noch andere. Dieser Bruder war Johann Hübner. Später kam er nach Essen, Deutschland, und wurde mir ein guter Helfer in der Gemeinde. Nach Br. Borbes Tod, der nach mir Prediger der Gemeinde in Essen war, diente Br. Johann Hübner der Gemeinde Essen als Ortsprediger.

Durch Br. Hübner kam ich in jener Zeit der Internierung auch in Verbindung mit Br. Oskar Zeitner. Auch er diente am Wort und entschied sich ganz für die biblische Wahrheit. Br. Zeitner konnte gut russisch und half mir als Übersetzer. So bildete sich eine russische Gemeinde. Er übersetzte auch etwa 30 Lieder aus unserem Liederbuch. Br. Oskar Zeitner zog später auch nach Deutschland und begann in Gronau die Gemeinde.

Als ich damals vor der Wahl stand, in jenem Dorf zu bleiben, in dem wir uns schon häuslich eingerichtet hatten, konnte ich noch nicht sehen, was der Herr vorhatte. Da der Herr mir aber half, die rechte Leitung zu erkennen, wurde ein großer Segen daraus. Denn an dem ersten Ort konnte man keine Gottesdienste in deutsch halten. So weit weg legte man jedoch kein Gewicht darauf. Das wusste ich damals nicht, Gott aber wusste es und führte mich dahin, um dem Evangelium besser dienen zu können.

Es ist immer gut, sich von Gott leiten zu lassen. Man erhält diese Leitung aber nur, wenn man von allem gelöst und Gott ganz übergeben ist. Wer eigenen Wünschen oder Vorteilen nachstrebt, kann nicht von Gott geleitet werden. Es wäre äußerlich besser gewesen zu bleiben, aber Gottes Wille war, dass ich ging. Br. H. M. Riggle schrieb einmal: „Der schwerere Weg ist meistens der Weg des Herrn“. So war es auch bei mir.

Gottes Pläne für uns sind schon von unserer Geburt an gemacht (Ps. 139:16, Röm. 8:28.30, Eph. 2:10). O dass wir vor dem Herrn so stille würden, ganz los vom eignen Wesen, eignen Plänen und eigner Arbeit, ganz dem Herrn geweiht, dann können wir ihn und seine Leitung verstehen. Oft gehen wir in menschlichem Eifer in der besten Meinung einen Weg, und tief innen sind es eigene Wege.

Wenn ein Druck auf uns liegt, wie Kriegszeiten, Krankheit oder Nöte, in denen wir keine freie Wahl haben, beugt man sich unter den Willen Gottes. Doch wo freie Wahl ist, kostet es mehr, Gottes Willen zu erkennen und zu tun. Denn seine Wege fordern immer von uns, das Kreuz auf uns zu nehmen. Die Wege Gottes sind Selbstverleugnung, Opfer und Liebe zu üben (Phil. 1:9-11, 2:5-8, Hebr. 11:24-26).