Irdischer und himmlischer Sinn

Wenn es einen irdisch gesinnten Menschen gab, dann war ich es vor meiner Bekehrung. Das war von meinen Vorfahren, von denen ich abstamme, angeboren, wie es ja allgemein bekannt ist.

Schon vor meinem 10. Lebensjahr nahm mich mein Vater mit zu seinen Geschäften als Viehhändler. Schon damals konnte ich den Wert des Jungviehs abschätzen. Später wurde ich Kaufmann. Mit 17-18 Jahren konnte ich selbstständig ein Geschäft führen. Einkauf, Verkauf, die Korrespondenz und beinahe die ganze Buchführung waren mir bekannt.

Als dann der Herr Jesus in mein Leben trat, geschah etwas ganz Wunderbares. Erst machte mich der Herr frei von dem alten unaufrichtigen Wesen und schenkte mir Herzensaufrichtigkeit. Ich konnte nichts Unaufrichtiges mehr tun oder reden. In den ersten Jahren nach meiner Bekehrung überlistete mich der Feind einmal, dass ich eine Unwahrheit sprach. Wie tat mir das leid und gerne hätte ich jene Person um Vergebung gebeten. Ich wurde so vorsichtig im Reden, dass ich aus Gewissenhaftigkeit eine Zeit lang fast nicht mehr sprechen mochte. Dieses jedoch ging zu weit. Doch lernte ich auch das, lebte aber in der Gegenwart Gottes, wie wir es in Ps. 139:4 lesen: „Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht alles wissest.“ So kann ich vor dem Herrn sagen, dass ich keine wissentliche Unwahrheit sprach, weder zu meiner Frau während unserer Ehe, noch zu meinen Kindern, noch zu der Gemeinde oder zu einem Unbekehrten; auch nicht bei Verkauf oder Einkauf oder in Bezug auf Geld, das mir anvertraut war. Die Gnade Gottes hat mir da­rin geholfen.

Dann geschah das Wunderbare, dass der starke irdische Sinn, der mir angeboren war, in den Hintergrund trat. An die erste Stelle meines Herzens und Lebens trat die Liebe zu Jesu und seinem Wort, zum Gebet und zu seinen Kindern. Das trat so in den Vordergrund, dass ich kaum noch auf Geld und meinen irdischen Beruf achtete. Mein ganzes Trachten galt nun dem Reiche Gottes und um in der Gnade Gottes weiterzukommen.

Als ich dann mit dem Wunsch nach Gemeinschaft mit Kindern Gottes nach Essen kam, trat ich ohne weiteres eine Stelle als Fabrikarbeiter bei der weltbekannten Firma Krupp an. Dort arbeitete ich von 1905 bis Anfang 1907. Dann ging mein Weg sogar ins Erzbergwerk Niederscheiden im Rheinland und ins Kohlenbergwerk in Katernberg bei Essen. Damit möchte ich nicht sagen, dass jemand, der dies liest, es auch so machen muss. Es sei damit nur dargelegt, wie mir die irdischen Vorteile zur Nebensache wurden und wie mir die Liebe zu Gott Hauptsache war, einerlei wie Gott mich auch führte.

In späteren Jahren sah ich jedoch deutlich die wunderbare göttliche Führung in meinem Leben. Als ich dann ab 1919 Prediger in Essen war, wurde mir klar, warum mich der Herr in eine solche Schule genommen hatte und warum ich diese demütigen Wege gehen musste. In meiner Gemeinde waren dann kaufmännische Angestellte, Fabrikarbeiter und Bergleute. Nun konnte ich sie in ihren Lebenslagen und Kämpfen verstehen, denn ich hatte es selbst mitgemacht.

Wie leicht sind Menschen geneigt, von einem Prediger zu denken, dass er ihre Lage nicht verstehe, und wenn er an ihrer Stelle wäre, spräche er anders. Doch der Herr führte es bei mir so, dass ich Mitgefühl lernte, um meinen Brüdern im Herrn dienen zu können und sie als ein Priester vor Gott zu vertreten. Darum musste ja auch unser Heiland Mensch werden und den Weg durch dieses Leben gehen (Hebr. 2:17-18).