Meine Heimreise

Ich berichtete schon, wie ich durch einen Traum die Weisung von Gott empfing, mit den Leuten mitzufahren, die einen Kahn gebaut hatten, um damit fortzukommen. Mit diesem Boot kamen wir rudernd und auch vom Wasser getrieben nach Ufa im Ural. In Ufa waren Unruhen und wir durften mit unserm Kahn nicht weiterfahren. Da aber hatten wir die Möglichkeit, Plätze auf einem Wolga-Dampfer zu bekommen. Mit diesem konnten wir über Kasan nach Nischne Nowgorod reisen.

Dieser Dampfer war vollbesetzt mit Menschen und beladen mit Waren. Mit einem mitreisenden Bekannten wechselte ich mich darum immer wieder ab, um in einem Gang zu liegen und zu schlafen. Von Nischne Nowgorod kamen wir dann mit der Bahn bis nach Moskau. Durch das deutsche Konsulat wurden wir dann in einem Haus untergebracht. Nach etwa 14 Tagen hatten wir die Möglichkeit weiterzureisen und kamen auf deutscher Seite zuerst in ein Lager.

Im Lager wurden wir untersucht. Das Ergebnis war, dass man mir 8 Wochen Urlaub gab. Dann sollte ich zur Artillerie eingezogen werden. Deutschland war ja zu jener Zeit immer noch im Krieg mit Frankreich. Darauf reiste ich zu meiner Familie über Berlin nach Freudenstadt, Christophstal, im Schwarzwald.

Da meine Frau während meiner Abwesenheit die Versorgung der Kinder übernehmen musste, hatte sie eine Anstellung als Schaffnerin bei der Bahn angenommen. Nachdem sie angelernt war, wurde sie so tüchtig, dass sie andere Frauen anlernen musste.

Auf der Reise zu den Meinen kam ich im Schwarzwald an einem kleinen Bahnhof vorüber, auf dem unser Zug warten musste. Auf einmal sah ich meine Frau auf dem Trittbrett eines anderen Zuges stehen, der eben dabei war zu rangieren. Eine größere Menge Menschen wartete auf den Zug, auf dem sich meine Frau befand. Aus dieser Menge heraus rief ich den Vornamen meiner Frau. Sie kannte meine Stimme noch und erkannte mich sogleich. Doch sie konnte ihren Platz nicht verlassen. Erst musste alles mit dem Zug geordnet sein und dann begrüßten wir uns. Es waren fast 4 Jahre vergangen, dass wir uns nicht gesehen hatten. War das ein Wiedersehen!

Gott sei Dank für seine Gnade, die uns alle während dieser Zeit beschützt und bewahrt hatte. Damals wurde mir das Wort des Psalmisten wichtig: „Ich will den Herrn loben, solange ich lebe und meinem Gott lobsingen, solange ich hier bin“ (Ps. 146:2). Beide konnten wir uns in die Augen schauen, denn jeder war dem andern treu geblieben. Ja, auch dem Herrn konnten wir in die Augen sehen. Er kannte unser Herz. Das darf ich zur Ehre Gottes sagen. Die Zeit der Internierung war mir zum großen Segen geworden. Doch nicht nur mir, sondern auch andern, mit denen ich zusammen sein konnte. Es hatte sich gelohnt, auch in dieser Zeit Gott von Herzen treu zu dienen, und ich wünsche mir diese Zeit nicht aus meinem Leben. Gott sei alle Ehre für seine wunderbaren Führungen!