Der moderne Mensch und die Macht der Sünde und des Teufels

Die Anschauung des modernen Menschen steht in scharfem Gegensatz zu der biblischen Lehre von der Sünde; so sehr, dass ihm schon das Wort Sünde zuwider ist. Das kann uns nicht wundern. Dieser Gegensatz ist die notwendige Folge des Abfalls von Gott und seinem Wort. Wo immer der Glaube an einen persönlichen, lebendigen, heiligen und gerechten Gott schwindet, da hört alle Autorität des Wortes Gottes auf, und an die Stelle der Schriftwahrheiten treten menschliche Einbildungen.

Die Schattierungen des Unglaubens sind heute wie immer verschieden. Aber darin sind alle modernen Parteien einig: Sie verwerfen die Autorität der Heiligen Schrift. Von des Menschen Fall und von der Verderbtheit der menschlichen Natur wollen sie nichts wissen. Man hört sie nicht reden von Sünde als Übertretung der Gebote Gottes; sie reden höchstens von Unsittlichkeit, sittlicher Schwachheit und sittlichen Mängeln. Die sittlichen Fehler gehören nach moderner Anschauung zur menschlichen Natur. Sie behaupten, dass der Mensch jetzt schon weit höher stehe als in Urzeiten, und er werde sittlich immer weitere Fortschritte machen. Letzteres könne und müsse aber durch eigenes Streben, in eigener Kraft des Menschen geschehen. Göttliche Hilfe brauche er hierzu nicht. Er bedürfe nur sittliche Schulung, die aber frei sein müsse von christlicher Dogmatik.

Diese Anschauungen haben die Franzosen in ihren Schulen in den letzten 40 Jahren verwirklicht, und es muss uns sehr interessieren, die Früchte ihrer Volksbildung kennen zu lernen. Die Französische Republik hat Gott und die Religion völlig aus der Schule ausgeschaltet. Sie gibt vor, die Jugend national zu erziehen und lehrt sie, dass der Mensch in eigener Kraft tugendhaft leben kann. Was ist die Folge? Die meisten Verbrecher stellt verhältnismäßig das Alter von 16 bis 20 Jahren. Die Ehescheidungen haben sich in den letzten 25 Jahren vervierfacht. Die Autorität schwindet rasch im ganzen Volksleben. Das sind einige schauderhafte Früchte einer Erziehung ohne Gott, erschreckende Leistungen der Menschen in eigener Kraft.

Muss man nicht staunen, wenn deutsche Pädagogen und Nichtpädagogen unsere Schulen in französischem Sinn umgestalten wollen, um unser Volk auf eine höhere Stufe von moderner Kultur zu erheben? Man sollte meinen, wir hätten jetzt schon Material genug in unseren Gefängnissen, in unserer Fürsorgeerziehung, in unseren Asylen für Gefallene, unter den Opfern der Trunksucht und der Unzucht, um Studien machen zu können über die Leistungen von Menschen ohne Gottesfurcht, von Menschen, die Gottes Wort verachten. Diese alle können jeden, der Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, belehren, wie weit es der Mensch in eigener Kraft bringt. Er wird elend zuschanden und steht da als ein Opfer der Sünde und des Lasters.

Die moderne Anschauung, dass die Sünde nur eine Schwachheit der menschlichen Natur sei, die ohne sogenannte göttliche Hilfe überwunden werden könne, erinnert uns lebhaft an das Wort des Apostels in Röm 1,22: „Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden“. Tausende von Beispielen aus der Inneren und Äußeren Mission und aus der Kirchengeschichte lehren das Gegenteil von der modernen Behauptung, dass der Mensch die sittlichen Schwachheiten ohne Erlöser überwinden könne.

Ich erwähne zwei Fälle aus neuester Zeit. Ein Sozialdemokrat stand an der Front seiner Genossen und kämpfte für das Kommen eines glückseligen Zukunftsstaates. Darin soll die Gesellschaft das Übel ohne Gott und ohne Christus besiegen. Er verzweifelte jedoch an seiner Zukunft und schoss sich eine Kugel in die Herzgegend. Er wurde schwer, aber nicht tödlich verletzt. Im Krankenhaus fand er die liebevolle Pflege von Diakonissen. Unter ihrem Einfluss öffnete ihm die Barmherzigkeit Gottes die Augen. Er fand seinen Heiland und in ihm Vergebung der Sünden und Frieden. Heute ist dieser Mann ein Führer derer, die an eigener Kraft verzagen, die Sünde als Verderben der Menschen erkennen und sich nach Erlösung sehnen.

Einer energischen Sozialdemokratin, die an der Spitze ihrer Genossinnen stand, lief ihre Tochter weg, und sie hatte zwei Tage lang keine Spur von ihr. In dieser Zeit brach diese Heldin innerlich zusammen. Lange hatte sie nicht mehr gebetet. Jetzt schrie sie zu Gott und er erhörte sie in doppelter Weise. In jenen Tagen und Nächten der Angst trat ihr Jesus nahe und offenbarte sich ihr, und ihre Tochter fand sie auch wieder. Heute ist diese Frau eine eifrige Jüngerin des Heilandes, bekennt ihn als Erretter armer, verblendeter Sünder und dient ihm. Gottlob, dass das praktische Leben stärker ist als graue Theorien, und dass es Menschen, in welchen noch eine Spur von Aufrichtigkeit ist, durch die Macht von Erfahrungen belehrt, wieder zu der Wahrheit des Evangeliums zurückkehren!

So gewiss es ist, dass das Wort in Psalm 119,105 Wahrheit ist: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg“, so gewiss ist es, dass alle Verwerfung der Autorität des Wortes Gottes den Verstand des Menschen verfinstert. Haben wir bisher gesehen, dass die Verächter von Gottes Wort kein Verständnis vom Wesen der Sünde haben, so müssen wir jetzt hinzufügen, dass sie noch weniger ein Verständnis haben von der biblischen Lehre vom Teufel. Mit überlegenem Lächeln hören sie es an, wenn ein gläubiger Christ vom Teufel und von einem Reich der Finsternis redet. Der Glaube an einen Teufel, an ein Reich der Finsternis ist einem modernen Menschen mittelalterliche Rückständigkeit; darüber ist er erhaben. Er ist sich so sehr bewusst, dass der Kulturmensch unseres Jahrhunderts die höchste Autorität und darum über biblische Anschauungen erhaben ist, dass er mit Spott zur Tagesordnung übergeht, wenn man von einer Macht der Finsternis redet.

Hat man durch die Offenbarung des Wortes Gottes erkannt, wie unzertrennlich die Sünde mit dem Satan zusammenhängt, so ist es klar, dass mit dem Verwerfen der biblischen Lehre von der Sünde und der Existenz des Teufels die Möglichkeit schwindet, das Erlösungswerk Christi zu verstehen, der gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören. Darum ist es ganz folgerichtig, wenn der moderne Mensch die Erlösung durch Christus verwirft und Selbsterlösung an deren Stelle setzt. Dadurch verlässt er den Boden des Christentums und richtet eine neue Weltanschauung auf, die mit der christlichen nur insofern zu tun hat, als man mit evangelischen Phrasen operiert, um den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Wollen wir das Wesen der Sünde und die Macht des Teufels kennenlernen, so gehen wir zunächst nicht zu den Männern, die in ihren Studierzimmern sitzen, sondern auf die Gassen der Stadt und hören den Volksmund von einem Saufteufel, einem Hurenteufel, einem Stehlteufel, einem Lügenteufel und einem Hochmutsteufel reden. Wir gehen in die Baracken geschlechtskranker Soldaten, in die Asyle kranker Prostituierten, in die Gefängniszellen von Verbrechern, zu den Eltern, die über missratene Kinder weinen, in die Gerichtssäle, wo Schläger, Diebe, Mörder und andere Verbrecher verurteilt werden, zu unglücklichen Eheleuten, die einander das Leben zur Hölle machen. Da machen wir unsere praktischen Studien über das Wesen der Sünde und über die Macht des Teufels und kommen zu der überraschenden Erfahrung: Gottes Wort hat recht, wenn es die Sünde als eine furchtbare Macht schildert, hinter welcher der Satan steht. Die Lehre von der Selbsterlösung des Menschen ist eine große Lüge verblendeter Menschen, die man lächerlich nennen könnte, wenn sie nicht so entsetzlich ernst wäre.