Etwas Neues geschieht

Howard Gray war gerade mit dem Abendessen fertig und stand am Tor, als ein Nachbar vorfuhr. Howard war mit diesem jungen Mann, der etwa im gleichen Alter war, oft zusammen. Am Tor hielt er an und rief:

„Guten Tag, Howard. Hör mal! Zwei neue Prediger halten drüben in Ridge Gottesdienste. Gestern Abend war ich dort. Sie erregen großes Aufsehen. Willst du nicht heute Abend mit mir gehen?“

„Ja, natürlich“, antwortete Howard. „Warum nicht? Aber was sind das für Leute?“

„Nun, ich weiß kaum, wer sie sind. Aber sie predigen Dinge, die ich noch nie hörte. Wenn ich dorthin fahre, komme ich bei dir vorbei.”

„In Ordnung“, sagte Howard, „ich werde auf dich warten“.

Seine Neugier wurde geweckt. Doch hatte er nur wenig Interesse an dem, was sie predigen mochten. Mehr als zwei Monate waren seit den Ereignissen des letzten Kapitels vergangen. Howard versuchte sein Gewissen mit dem Einwand zu beruhigen, dass er genau so gut wie die anderen Gemeindemitglieder war. Sie standen doch alle recht, denn wenn einer von ihnen starb, versicherte der Prediger seinen Zuhörern, dass der Verstorbene nun sicher im Himmel war. Könnte denn Gott von ihm mehr verlangen, wenn er das Beste tat, was er konnte?

Dennoch gab es Zeiten, wo sein Gewissen unruhig wurde. Eigentlich ärgerte er sich darüber, denn er mochte diese Unruhe nicht und wollte, wie jeder andere, Frieden im Herzen. Und wenn sich etwas erhob, das seinen Frieden störte, wich er davor zurück und versuchte es zu vergessen. Doch das ihn ständig mahnende Gefühl, dass irgendwo etwas verkehrt sei und es an etwas mangele, konnte er nicht loswerden. Er konnte auch nicht sagen, was es war. An diesem Abend wollte Howard nun zum Gottesdienst gehen und etwas von diesen neuen Dingen hören. Er hatte keine Angst, dass die Predigten ihn beunruhigen würden, denn die Unruhe in seinem Herzen wurde scheinbar von etwas, das in ihm war, verursacht. Auf das, was der Prediger sagen würde, könnte er eine Antwort finden oder es vergessen. Doch dieses Etwas in seiner Brust ließ ihn die nagenden Gefühle der Unzufriedenheit höchstens nur für eine kurze Zeit vergessen.

Als Howard und sein Nachbar am Gottesdienstort, der ein paar Meilen von ihnen entfernt lag, ankamen, stellten sie fest, das sich dort eine große Menge versammelt hatte. Die geräumige Kirche war gefüllt. Neben der Kanzel saßen zwei unbekannte Prediger, die verständig und kräftig aussahen. Bald fing der Gottesdienst an. Die Einleitung war für Howard nichts Ungewöhnliches. Das Gebet des Predigers dagegen erfüllte ihn mit gemischten Gefühlen der Ehrfurcht und des Erstaunens. Den Grund dafür konnte er zwar nicht nennen, doch in diesem Gebet war etwas, das gerade zu seinem Gewissen zu reden schien. Zwei Dinge fielen ihm auf: zum einen die Einfachheit und Ernst und zum anderen, dass der Betende Gott so anredete, als ob er mit ihm gut bekannt wäre, als ob er sein Freund wäre.

Nach dem Gebet stand einer der Prediger auf und ging zur Kanzel. „Heute Abend“, sagte er, „will ich meinen Text aus dem ersten Teil von Ps. 11:4 nehmen: ‚Der Herr ist in seinem heiligen Tempel‘.“ Dann beschrieb er kurz den ehemaligen Tempel in Israel und die Stiftshütte, die vorher gebaut wurde. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Zuhörer darauf, wie der Tempel eingeweiht und dann abgesondert wurde, um eine Wohnung Gottes unter seinem Volk zu sein. Dann fuhr der Prediger fort und beschrieb, wie Gott dort seine Herrlichkeit offenbarte und wie heilig der Tempel und alle Gegenstände in ihm gehalten wurden. Er erwähnte auch, wie übel gesinnte Leute das Heiligtum Gottes verunreinigten, indem sie fremdes Feuer hereinbrachten, und wie dann das Gericht Gottes über sie kam. Er zeigte, dass Gott sich nur dann in der Stiftshütte oder im Tempel offenbarte, wenn dort alles rein und unbefleckt war.

Nachdem der Prediger seinen Zuhörern die große Bedeutung der Heiligkeit des alttestamentlichen Tempels vor Augen geführt hatte, sagte er: „Dieser Tempel existiert nicht mehr, er wurde völlig zerstört. Gott hat nun keinen Tempel mehr, welcher der Mittelpunkt des alttestamentlichen Gottesdienstes war und aus Holz und Steinen bestand. Nun haben wir das Neue Testament und einen neuen Gottesdienst. Anstelle eines Tempels haben wir viele, denn in 1.Kor. 3:16-17 steht: ‚Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, – der seid ihr.‘ Weiterhin lesen wir in 1.Kor. 6:19: ‚Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst?‘ Während die erste Bibelstelle besagt, dass Gottes Volk als Gesamtheit den Tempel Gottes bildet, heißt es in der zweiten, dass jeder einzelne Christ ein Tempel Gottes ist. Ich möchte über diese zweite Bedeutung sprechen, wo jeder Einzelne ein Tempel Gottes ist.“

Er fuhr fort und brachte den Gedanken zum Ausdruck, dass das Wort ‚Tempel‘ auf jeden einzelnen Christen angewandt wird, damit man sich an den alten Tempel erinnerte, wo alles heilig war. Er legte dar, wie das Leben jedes Einzelnen Gott geweiht und heilig sein muss, und wie alles Verunreinigende von ihm ferngehalten werden muss. Er zeigte auch, wie die Sünde Gottes Tempel verunreinigte, und dass Gott deshalb von den wahren Christen verlange, sich von der Sünde fernzuhalten. Um seine Aussagen zu begründen, las er folgende Bibelstellen:

„… sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem euren Wandel. Denn es steht geschrieben: Ihr sollt heilig sein; denn ich bin heilig“ (1.Pet. 1:15-16).

„… wie er uns denn in ihm erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig sein sollten vor ihm in der Liebe“ (Eph. 1:4).

„… [auch euch] hat er nun versöhnt in dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, auf dass er euch darstellte heilig und untadelig und unsträflich vor sich“ (Kol. 1:22).

„Da nun das alles zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen mit heiligem Wandel und Gottseligkeit“ (2.Pet. 3:11).

Dann zeigte der Prediger, dass Gottes Volk ein heiliges Volk genannt wird: „So ziehet nun an, als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten ...“ (Kol. 3:12). In Hebr. 3:1 sind Christen als „heilige Brüder“ angesprochen. Petrus spricht von „heiligen Frauen“, „die ihre Hoffnung auf Gott setzten“ (1.Petr. 3:5).

„Diese Heiligkeit“, sagte er, „ist nicht etwas Eingebildetes oder Formelles, sondern die gibt es tatsächlich. Dazu gehören zwei Dinge: Heiligkeit oder Reinheit des inneren Menschen und ein heiliges Leben. Die Sünde kann jedoch diese Heiligkeit zerstören. Sie verunreinigt unseren Wandel, schließt uns von der Gemeinschaft mit Gott aus und weckt jedes ungestüme Element unseres Charakters auf. Die Sünde vergiftet unser geistliches Wesen, wird von Gott gehasst und kann von ihm nicht entschuldigt werden. Sie ruiniert unser Leben und unsere Glückseligkeit für Zeit und Ewigkeit.“

 „Gibt es in diesem Leben ein Mittel gegen die Sünde oder müssen wir unser ganzes Leben lang Sünder sein? Paulus schrieb, dass ‚Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder zu retten‘ (1.Tim. 1:15). Der Apostel Johannes betont, dass ‚das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde‘ (1.Joh. 1:7). Auch schreibt er: „[Christus sei die Ehre,] der uns geliebt hat und uns gewaschen von unsern Sünden mit seinem Blut“ (Offb. 1:5). Das Blut Christi reinigt uns also von aller Verunreinigung der Tatsünden und wäscht auch alle blutroten Flecken ab. Es hat die Kraft, uns weißer als Schnee zu machen. Erinnert ihr euch an das alte Lied, das wir von Kindheit auf sangen? Eine Strophe darin lautet: ‚Wasch mich jetzt und ich werde weißer denn Schnee‘. Das lehrt auch die Bibel. Jesus selbst sagte: ‚Glückselig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen‘ (Mt. 5:8).“

„Ich komme nochmal zurück zu der Bibelstelle: ‚... der Tempel Gottes ist heilig, – der seid ihr‘ (1.Kor. 3:17). Unser Wesen muss also heilig werden, wenn wir Christen sein wollen. Wir müssen von unseren Sünden in dem teuren Blut Jesu Christi rein gewaschen sein. Der Prophet Jesaja rief dem Volk zu: ‚Wascht euch, reinigt euch ...‘ (Jes. 1:16). Und Jesus sagte zu seinen Jüngern: ‚Ihr seid rein ...‘ (Joh. 13:10). Daraus sollten wir verstehen, dass der Herzenszustand derer, die Gott gereinigt hat, sich von ihrem früheren Zustand unterscheidet.“

 „Die heute weit verbreitete Ansicht, dass ein Christ in seinem Inneren das ganze Leben lang sündig bleibt, widerspricht der Heiligen Schrift. Gott gebietet, dass wir heilig sein sollen. Unheilig zu sein bedeutet also, für Gott nicht angenehm zu sein. Er lehrt uns auch: ‚habt euch untereinander inbrünstig lieb aus reinem Herzen‘ (1.Petr. 1:22). Wir können uns ‚aus reinem Herzen‘ nur dann lieb haben, wenn wir auch tatsächlich reine Herzen haben. Im ersten Teil des obigen Verses sagt Petrus: ‚Da ihr eure Seelen gereinigt habt im Gehorsam der Wahrheit ...‘. Es ist also möglich, dass unsere Seele von Sünden gereinigt wird, denn ‚das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde‘ (1.Joh. 1:7).“

 „Heiligkeit ist nicht nur eine innere Eigenschaft, sondern auch ein Merkmal des christlichen Lebens. Christus ist für uns ein Beispiel in allem. So schreibt Petrus: ‚... weil auch Christus gelitten hat für uns und uns ein Vorbild hinterlassen hat, dass ihr nachfolgen sollt seinen Fußtapfen; welcher keine Sünde getan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde gefunden worden‘ (1.Pet. 2:21-22). Seinen Fußtapfen nachzufolgen heißt, so zu handeln und sich so zu verhalten, wie er – also auch heilig sein, wie er ‚heilig ist‘ (1.Pet. 1:15). Auch steht geschrieben: „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Lüsten und besonnen, gerecht und gottselig leben in dieser Welt‘ (Tit. 2:11-12). Ebenso: ‚... dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle Tage unseres Lebens‘ (Lk. 1:74-75).“

 „Einige sagen jedoch, dass ein Mensch dieser Anforderung nicht entsprechen kann, weil sie zu hoch ist. Man sagt, dass Gott damit nur das Streben nach Heiligkeit meinte; erreichen könnten wir sie jedoch nie. Eine solche Behauptung stellt die Weisheit Gottes in Frage. Er weiß, was wir tun und sein können, und was seine Gnade an uns vollbringen kann. Deshalb kommt die Aussage, dass Gott an uns zu hohe Anforderungen stelle, fast einer Gotteslästerung gleich. Es gilt das, was in der Bibel steht. Und sie betont, dass der Tempel Gottes, d. h. ein Christ, heilig sein muss. Also müssen die Menschen in ihrem Herzen und in ihrem Leben heilig werden, wenn sie nicht unter das göttliche Verdammungsurteil fallen wollen.“

„Viele bekennende Christen sind heutzutage unglücklich, weil ihnen die Heiligkeit fehlt. Darum leben sie in ständiger Ungewissheit. Obwohl sie Gott wohlgefallen wollen und das tun möchten, was vor ihm recht ist, gelingt es ihnen nicht, da die Sünde sie immer wieder überwindet. Sie sind unglücklich und entmutigt, weil sie den Willen Gottes nicht erfüllen können. Meine Freunde, es gibt ein besseres Leben. Das Christentum ist etwas Höheres, denn die Gnade Gottes kann uns über die Sünde erheben. Es steht geschrieben: ‚Wir wissen, dass, wer von Gott geboren ist, der sündigt nicht‘ (1.Joh. 5:18). ‚Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht‘ (1.Joh. 3:6).“

 „Nun wollen wir einige Bibelstellen betrachten, die unsere Frage von einer anderen Seite beleuchten: ‚Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht‘ (1.Joh. 2:4). Wiederum lesen wir: ‚Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde...‘ (1.Joh. 3:9) und in dem nächsten Vers: ‚Wer nicht Gerechtigkeit tut, der ist nicht von Gott‘. Und noch: ‚Wer da sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch so wandeln, wie er gewandelt ist‘ (1.Joh. 2:6).“

 „Meine Freunde, das sind nur ganz wenige von vielen Bibelstellen, die gelesen werden könnten, um zu beweisen, dass ein Christ aus reinen Beweggründen handelt und ein Leben führt, das heilig und frei von Sünde ist. Die Frage, die heute Abend vor mir und euch steht, ist: Leben wir heilig? Leben wir gerecht vor Gott? Auch diese Bibelstelle sollten wir beachten: ‚Wer Sünde tut, der ist vom Teufel‘ (1.Joh. 3:8). Doch unter allen heute verlesenen Bibelstellen sollten wir die größte Aufmerksamkeit dem Text schenken, den ich bereits anführte: ‚Der Tempel Gottes ist heilig, – der seid ihr‘. Das Blut Christi hat die Kraft, uns von allen Sünden zu reinigen, und die Gnade Gottes ist mächtig, uns von der Sünde zu bewahren. Ein sündiges Christenleben ist kein Christenleben, ebenso wie ein Sünder kein Christ ist. Abschließend möchte ich nochmal die Stelle lesen, wo Petrus schreibt: ‚Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem euren Wandel‘ (1.Petr. 1:15).“

Nach dem Gottesdienst standen die Leute in Gruppen im Hof und sprachen über das Gehörte. Manche hießen die Botschaft des Predigers gut, manche missbilligten sie. Howard und sein Freund hörten den Gesprächen nur zu. Auch auf dem Heimweg waren sie meistens still, sprachen jedoch auch über die Predigt und kamen zu dem Schluss, dass der Prediger sich in der Anwendung des verlesenen Bibeltextes geirrt haben musste. In der Stille seines Zimmers dachte Howard nochmal über das Gehörte nach. Die Predigt beunruhigte ihn mehr, als er dachte; und je mehr er darüber nachdachte, desto unruhiger wurde er. Wenn er das, was der Prediger lehrte, annähme, würde es ihn in eine sehr unangenehme Lage versetzen. Wenn er es aber ablehnte, was sollte er dann mit den verlesenen Bibelstellen tun? Seine Entrüstung wurde immer größer. „Die Ansicht“, sagte er zu sich selbst, „dass wir in diesem Leben heilig sein und ohne Sünde leben können, verbreitet sich immer mehr, obwohl wir überall von Sünde und Versuchung umgeben sind. Das ist unvernünftig. Dieser Mann weiß nicht, wovon er redet. Ich weiß sehr wohl, dass ich aufrichtig versuchte, gerecht zu leben und dabei immer wieder feststellte, dass ich es nicht kann. Ich lebe zwar nicht ohne Sünde, tue jedoch mein Möglichstes, um es zu erreichen. Ich glaube nicht, dass Gott gerecht ist, wenn er von mir mehr fordert, als ich tun kann.“ Howard beschloss, diesen Predigern nicht mehr zuzuhören und blieb den weiteren Gottesdiensten fern. Trotzdem konnte er den Eindruck, den die gehörte Predigt in ihm hinterließ, nicht los werden.

Wenige Tage später traf er den alten Herr Benton, der seit über 40 Jahren ein Gemeindemitglied war. Herr Benton besuchte diese Gottesdienste nicht, wusste aber davon. Als Howard erwähnte, dass er dort war, bat er ihn, ihm vom Gehörten zu berichten. Als Howard es tat, wurde Herr Benton zornig. „Ja, ich hörte, dass sie dort über Heiligkeit predigten und dass man ohne Sünde leben könne. Doch jeder, der so viel Erfahrung im Dienste Gottes hat wie ich, weiß sehr gut, dass in dieser Welt so etwas unmöglich ist. Wenn wir in das verheißene herrliche Land hinübergehen, werden wir von der Sünde befreit. Doch solange wir in dieser Welt leben, bleiben wir Sünder, denn die Bibel sagt: ‚Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.‘“

„Ja“, antwortete Howard, „ich weiß, das sie das sagt. Ich habe es schon gelesen.“

„Gewiss“, sagte der Herr Benton. ‚Auch sagt sie: „Es ist kein Mensch so gerecht auf Erden, dass er nur Gutes tue und nicht sündige.‘ Das findest du in Pred. 7:20.“

Howard notierte sich diese Bibelstelle und Herr Benton fuhr fort: „Auch in Spr. 20:9 steht: ‚Wer kann sagen: Ich habe mein Herz geläutert und bin rein von meiner Sünde?‘ Und in Mt. 19:17 sagte Jesus selbst: ‚Was heißest du mich gut? Niemand ist gut als nur einer: Gott.‘ Es gibt noch andere Bibelstellen, an die ich mich im Moment nicht erinnern kann, die das Gleiche lehren. Ich werde sie aber nachschlagen und dir auch mitteilen.“

„In Ordnung“, sagte Howard. „Ich hoffe, dass du sie findest. Und wenn ich diesen Prediger nochmals sehe, sage ich ihm etwas.“

Obwohl diese Bibelstellen Howard sehr trösteten, gab es immer noch Zeiten, wo er in seinem Innern beunruhigt wurde. Darüber ärgerte er sich. Auch jedesmal, wenn er an Frau Burns oder Herr Peters dachte, hatte er ein sehr unangenehmes Gefühl. So vergingen mehrere Wochen. Eines Abends ging er zu einer Gesellschaft, zu der er vor ein paar Tagen eingeladen wurde. Das Wetter war aber ziemlich unfreundlich, so dass nur wenige anwesend waren. Einer von ihnen, Howards früherer Schulkamerade, war ein paar Jahre älter als er. Die Prediger, welche die oben erwähnten Gottesdienste hielten, wohnten in seinem Haus, weil seine Eltern sie zu sich einluden. Nun kamen er und Howard ins Gespräch über diese Gottesdienste und Howard äußerte seine Einwände gegen das Gepredigte. Der junge Mann zog ein Neues Testament aus der Tasche und sagte: „Ich war bei den Gottesdiensten dabei und hörte beiden Predigern zu. Zugleich habe ich zu Hause viel mit ihnen gesprochen. Ich glaube, dass ihre Predigten biblisch und richtig sind.“

Howard war überrascht, so etwas von seinem Freund zu hören, und führte einige Bibelstellen an, auf die er sich in den vergangenen Wochen stützte. „Nun, John“, sagte er, „wenn du diese Bibelstellen beachtest, wirst du bestimmt nicht mehr behaupten, dass diese Prediger recht haben.“

 „Lass uns auf die Seite gehen, damit wir darüber ungestört reden können“, sagte John. „Ich bin kein Christ und bekenne mich auch nicht dazu. Aber ich habe kürzlich sehr viel in der Bibel gelesen und stellte fest, dass das, was diese Prediger predigen, wahr ist. Ich weiß, dass in der Bibel das steht, was du anführtest, und fragte die Prediger deswegen. Sie gaben mir eine Erklärung, die mich völlig zufriedenstellte. Lass uns einige davon betrachten. Nehmen wir 1.Joh. 1:8: ‚Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.‘ Hast du beachtet, was im vorhergehenden Vers geschrieben steht? Ich lese es: ‚Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde‘. Nun, wenn jemand von aller Sünde rein gemacht wurde, wie viel Sünde bleibt noch übrig? Johannes spricht in Vers 8 von solchen, die durch das Blut Jesu Christi nicht gereinigt sind und behaupten, dass sie dieser Reinigung nicht bedürfen, weil sie keine Sünde hätten. Natürlich widerspricht dies der Bibel; denn jeder, der nicht gereinigt wurde, ist durch die Sünde verunreinigt. Die Bibel sagt: ‚Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes‘ (Röm. 3:23). Doch wie du siehst, sagt uns der 9. Vers, wie wir von der Sünde gereinigt werden können: ‚Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit‘. Nun, wenn ‚das Blut Jesu Christi uns von aller Sünde rein macht‘, wie Vers 7. sagt, ‚und von aller Ungerechtigkeit‘, wie es in Vers 9 steht, können wir dann nicht sagen, dass wir keine Sünde haben? Dies muss für den, der so gereinigt wurde, gelten, sonst würden sich diese Bibelstellen widersprechen“.

 „Ja“, sagte Howard, „aber die Bibel sagt: ‚Es ist kein Mensch so gerecht auf Erden, dass er nur Gutes tue und nicht sündige‘ (Pred. 7:20).“

„Gut“, antwortete John, „wir vergleichen sie mit 1.Joh. 3:9: ‚Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde ...‘ Was willst du mit dieser Bibelstelle tun?“

Howard war verwirrt. Diese zwei Bibelstellen schienen einander sehr zu widersprechen. „Nun“, sagte er endlich, „ich weiß nicht, wie ich die letzte Stelle erklären soll, aber ich weiß, dass die erste wahr ist.“

„Ja“, sagte John, „Die erste ist wahr und auch die letzte. Es ist notwendig, ein richtiges Verständnis beider Verse und ihres Verhältnisses zu einander zu bekommen. Du musst berücksichtigen, dass diese Aussage und manche ähnliche im Alten Testament gemacht wurden, bevor Christus kam und sich selbst opferte, um uns zu erlösen. Damals hatten die Menschen die göttliche Gnade nicht erfahren, die erst seit dem Kommen Jesu erfahren werden kann. Nun aber macht uns ‚das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, … rein von aller Sünde‘. Wahr ist auch die Aussage, dass ‚wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde.‘“

„Ja“, sagte Howard sarkastisch, „ich hörte, dass diese Menschen lehrten, sie könnten nicht sündigen. Solche Menschen würden für diese Welt zu gerecht sein. Die Bibel sagt: ‚Da ist keiner, der gerecht sei, auch nicht einer.‘“

 „Ja“, sagte John, „in der Bibel steht dies im 3. Kapitel des Römerbriefs. Aber von wem spricht Paulus dort? Spricht er von Christen? Im 10. Vers sagt er: ‚Da ist keiner, der gerecht sei, auch nicht einer‘, und im 9. Vers: ‚Was denn? Haben wir einen Vorteil? Gar keinen. Denn wir haben vorher bewiesen, dass beide, Juden und Griechen, alle unter der Sünde sind.‘ Was will er damit sagen? Wir lesen ein wenig weiter, beginnend vom 13. Vers: ‚Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handeln sie trüglich. Otterngift ist unter ihren Lippen; ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Ihre Füße eilen, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist lauter Schaden und Elend, und den Weg des Friedens kennen sie nicht. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.‘ Wird hier von Christen gesprochen? Ist hier ihr Wesen beschrieben? Auf keinen Fall. Christen leben in der Furcht Gottes, sie kennen den Weg des Friedens. Ihre Füße eilen nicht, Blut zu vergießen und ihr Mund ist nicht voll Fluchens und Bitterkeit. Paulus spricht hier von der Welt ohne Christus. Und Jesus sagt: ‚Entweder machet den Baum gut, so wird die Frucht gut; oder machet den Baum schlecht, so wird die Frucht schlecht. Denn an der Frucht erkennt man den Baum… Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem guten Schatz des Herzens; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.‘ (Mt. 12:33.35). Du siehst also: Jesus setzte voraus, dass es gute Menschen gab, die ein gerechtes Leben führten und die Gutes – nicht Böses – in ihrem Herzen hatten.“

So fuhren sie fort, eine Bibelstelle nach der anderen zu betrachten. Howard sah, dass sein Freund für jede Bibelstelle, die er zum Einwand gegen ein sündenfreies Leben anführte, eine Erklärung bereit hatte, die seinen Einwand widerlegte. Endlich wandte sich sein Freund an ihn und sagte: „Du bist nun ein Gemeindemitglied und ich nicht. Ich weiß, dass ich sündige, und gebe es auch zu. Du sagst, dass du auch sündigst. In welcher Hinsicht bist du dann besser als ich, wenn wir doch beide das Gleiche tun? Wir leben ja auf dieselbe Art und Weise – du sündigst und ich. Womit bist du also besser als ich? Wenn Gott mich für meine Sünden in die Hölle verstößt, wird er dies nicht auch mit dir wegen deiner Sünden tun?“

„Nun lass mich noch etwas lesen. In Joh. 8:34 steht: ‚Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht‘. Und in Mt. 6:24 sagte er: ‚Niemand kann zwei Herren dienen; entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.‘ Wer sündigt, ist also laut der ersten Bibelstelle ‚der Sünde Knecht‘. Und die zweite Bibelstelle besagt, dass niemand zwei Herren dienen kann. Man kann also nicht gleichzeitig der Sünde und Christus dienen.“

Howard schwieg still, weil er darauf keine Antwort hatte. Diese Bibelstellen trafen eine wunde Stelle in seinem Gewissen; deswegen wollte er weggehen. Aber John sagte: „Warte ein wenig, ich bin noch nicht fertig. Ich bitte dich, zu Hause eine Bibelstelle zu lesen und dann dir selbst eine ehrliche Antwort zu geben, inwieweit sie auf dich zutrifft. Du findest sie in 1.Joh. 3:8: ‚Wer Sünde tut, der ist vom Teufel ...‘. Ich möchte gerne wissen, ob du es mit der Schrift beweisen kannst, dass du überhaupt ein Christ bist, wenn du doch Sünde tust. Und auch im nächsten Vers steht: ‚Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde.‘ Zum Schluss möchte ich dich noch auf etwas aufmerksam machen. Du hast gehört, die Prediger hätten gesagt, dass sie so gut seien, dass sie nicht sündigen könnten. Das stimmt gar nicht. Sie sagten, dass jeder sündigen kann, wenn er will, und dass wir niemals in einen Stand versetzt werden, wo wir nicht sündigen können, wenn wir es wollen. Doch durch die Gnade Gottes können wir das Böse meiden. Sie lehrten, dass Gott uns Gnade geben kann, seine Gebote zu halten. Auch erklärten sie deutlich, dass die Sünde eine Tat ist, von der wir wissen, dass es ein Unrecht ist; sie ist nicht ein Missgeschick, Fehler oder etwas, wofür wir nichts können. Wenn uns aus Unwissenheit ein Fehler oder ein Missgeschick passiert, sündigen wir dadurch nicht. Von der Sünde können wir uns durch die Gnade Gottes enthalten. Es würde von Gott ungerecht sein, von uns etwas zu verlangen, das wir nicht tun könnten. Gott ist nicht ungerecht – also können die Menschen genau so leben, wie die Bibel es ihnen vorschreibt, wenn sie die biblische Heilserfahrung machen.“

Howard ging von der Gesellschaft schweigend und nachdenklich heim. Die Bibelstelle: ‚Wer Sünde tut, der ist vom Teufel‘ schien ihn zu verfolgen, indem sie Tag für Tag in seinem Herzen tönte. Er wurde ärgerlich, weil er sie nicht los werden konnte, denn er war ein Christ – trotz allem, was John sagte. Er versuchte doch das Rechte zu tun. „Ich weiß, was ich tun werde“, sagte er zu sich. „Ich werde das Neue Testament durchlesen und alles markieren, was es zum Thema Sünde und Gerechtigkeit sagt; dann weiß ich Bescheid. Ich werde es John und jedem, der etwas darüber sagt, beweisen, dass ich wirklich ein Christ bin, und dass Christen nicht erwarten können, ohne Sünde zu leben.“

So fing er an, das Neue Testament zu lesen und mit einem Farbstift alles zu markieren, was seiner Meinung nach einen Bezug zum Thema hatte. Je weiter er kam, umso unruhiger wurde er. Endlich hatte er es durchgelesen. Dann fing er wieder von vorne an und las alle markierten Stellen. Nun konnte er nichts mehr darüber sagen, dass ein Christ ein sündiges Leben führen müsse, weil er sah, dass in der Schrift was ganz anderes stand. Howard merkte auch, dass er viel mehr versäumte, als er je gedacht hätte. In den nächsten zwei Monaten ging er durch harte innere Kämpfe, weil er empfand, dass er kein wirklicher Christ war. Obwohl er mit sich selbst völlig unzufrieden war, konnte er sich nicht demütigen, um vor anderen zu bekennen, dass er kein Christ sei. So lebte er, innerlich ganz elend, von einem Tag zum anderen. Dennoch hatte er im Herzen immer noch den Wunsch, gerecht zu sein und recht zu tun.