Ich wurde nicht enttäuscht

Howard kam gerade von einem dreiwöchigen Besuch im Staate Kapitol zurück. Während dieses Besuches war er sehr viel mit den Gedanken über die völlige Heiligung beschäftigt. Er redete darüber mit verschiedenen Personen und hatte auch Predigten über dieses Thema gehört. Er konnte es kaum erwarten, um mit Bruder Miles darüber zu sprechen; denn die Meinungen, die er darüber hörte, stimmten nicht überein. Er ergriff die erste Gelegenheit, die sich bot, und besuchte Bruder Miles. Dieser empfing ihn herzlich, und sie verbrachten den Abend in freundlicher Unterredung.

„Bruder Miles“, sagte Howard, „als ich in der Stadt war, sprach ich über die Heiligung mit einem alten Mann. Er sagte, dass er schon sein Leben lang davon hörte und alles darüber wisse. Unter anderem behauptete er, man wachse in diese Erfahrung hinein. Mit anderen Worten, man könne wachsen und sich nach und nach weiterentwickeln, doch ergreifen könne man sie erst im Tode.“

„Ja“, sagte Bruder Miles, „es gibt viele, die so etwas lehren. Doch sie beachten nicht, was die Bibel darüber lehrt. Die Bibel spricht nämlich von der Heiligung als von einer gegenwärtigen Erfahrung. Judas richtete seinen Brief an die, die geheiligt sind und nicht an die, die in Zukunft geheiligt werden sollten (Jud. 1). Als Paulus seinen 1. Brief an die Korinther schrieb, richtete er ihn an die Geheiligten in Christus Jesu (1.Kor. 1:2). Und in 1. Kor. 6:11 sagte er: ‚Ihr seid geheiligt ...‘. Auch der Schreiber des Hebräerbriefes redet in Kap. 10:29 von solchen, die geheiligt wurden. Du siehst also, dass wir diese Erfahrung nicht erst im Tode erlangen.“

 „Es stimmt, dass wir in der Gnade wachsen können. Solange wir leben, sollten wir geistlich wachsen und uns entwickeln. Doch das ist etwas anderes, als die Erfahrung der völligen Heiligung. Hier sollten wir die Tatsache beachten, dass Wachstum die Natur einer Sache nicht verändert, sondern dass sich dabei nur das entwickelt, was bereits vorhanden ist. Durch Wachstum können wir also nur das entwickeln, was wir bereits besitzen. Wachstum entfernt auch nichts; deswegen kann die angeborene Sünde genauso wenig durch Wachstum entfernt werden, als das Unkraut aus dem Garten durch Wachstum entfernt werden kann. Wachstum schafft also weder etwas Neues, noch rottet es das Alte aus.“

 „Die Bibel lehrt klar, dass unsere Herzen gereinigt werden müssen, – doch nicht durch Wachstum, sondern durch das Blut Jesu Christi. Ich lese dir etliche Bibelstellen vor. In Hebr. 13:12 steht: ‚Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heiligte durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor‘. In Hebr. 10:10 lesen wir: ‚In diesem Willen sind wir geheiligt ein für allemal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi‘. Und im 29. Vers desselben Kapitels ist die Rede ‚vom Blut des Bundes …, durch welches er geheiligt wurde‘. Wenn wir nun, wie die Schrift sagt, durch das Blut Jesu Christi geheiligt werden, muss dann sein Blut oftmals angewendet werden, um uns jedesmal ein wenig zu reinigen? Der Begriff der Reinigung enthält keinen Hinweis auf das Wachstum, denn ‚das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde‘ (1.Joh. 1:7). Die Reinigung ist also ein bestimmtes und besonderes Werk Gottes. In 1.Thess. 5:23 steht: ‚Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und euer Geist müsse ganz, samt Seele und Leib, untadelig bewahrt werden …‘ Hier sieht man, dass die Heiligung nicht ein fortwährendes Werk, sondern genauso abgeschlossen und vollkommen ist, wie das Werk der Wiedergeburt, wo Gott uns von der Schuld unserer begangenen Übertretungen reinigt.“

 „Dazu noch etwas: Wir werden geheiligt durch den Glauben. In Apg. 26:18 spricht Jesus von denen, die ‚geheiligt sind durch den Glauben an mich‘. Auch Petrus spricht von der Reinigung der Herzen durch den Glauben (Apg. 15:9). Das ist genauso wie bei der Rechtfertigung: Einer bestimmten Glaubenshandlung folgt eine bestimme Wirkung des Heiligen Geistes in unseren Herzen. Wie ich schon früher darauf hinwies, ist die Reinigung des Herzens mit der Gabe oder Taufe des Heiligen Geistes verbunden. Und Gott gibt uns seinen Geist doch nicht stückweise. Der Heilige Geist kam auf die Jünger an Pfingsten ‚plötzlich‘. Es gab dabei also keine stufenweise Entwicklung.“

„Weiterhin sollten wir die Tatsache beachten, dass, wenn im griechischen Originaltext des Neuen Testaments auf Heiligung oder Reinigung Bezug genommen wird, die Verben oft in einer Vergangenheitsform stehen. Das lässt immer eine abgeschlossene Handlung erkennen, die ein für alle mal geschehen ist. Als Beispiel führe ich Eph. 5:26 an, wo gesagt wird, dass Christus sich für die Gemeinde dahingab, ‚auf dass er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort‘. Das Werk ist also geschehen, es liegt nicht in der Zukunft und ist auch kein Wachstum. Darauf muss man nicht bis zum Tode warten, denn es geschieht in der Gegenwart und ist abgeschlossen. Man könnte auch noch andere ähnliche Stellen anführen.“

 „Bruder Miles, ich sehe, dass dieser alte Mann irrte. Du hast recht, wenn du sagst, dass man in die Heiligung nicht hineinwächst, sondern dass sie in einem Augenblick geschieht. Doch ich fand auch Menschen, die darüber ganz anders lehrten. Sie erwähnten zwar vieles von dem, was auch du mir sagtest, doch behaupteten sie, dass der Beweis dafür, dass jemand mit dem Heiligen Geist getauft ist, das Reden in Zungen sei. Und dass keiner es erfahren habe, wenn er nicht in Zungen rede. Ich besuchte einige ihrer Gottesdienste. Sie lehren sehr überzeugend und ich sah unter ihnen einiges, was mir fremd war. Ich habe einige Schriften aus ihrer Literatur hier. Willst du sie anschauen?“

„Ich nehme an, dass sie ganz ähnlich dem sind, was ich schon gesehen habe“, sagte Bruder Miles. „Mir sind ihre Lehren wohl bekannt und ich besuchte auch schon einige ihrer Gottesdienste an verschiedenen Orten. In der Bibel steht zwar etwas über Reden in Zungen, sie lehrt jedoch nirgends, dass alle Geheiligten diese Gabe empfingen oder empfangen werden, oder dass alle, die den Heiligen Geist empfangen, in Zungen reden.“

 „Etwas wirst du in ihren Gottesdiensten bemerkt haben, und zwar ihre Vorliebe für Spektakuläres. Sie mögen äußerliche Kundgebungen und fördern Schwärmerei. Wie ich schon vorher aufzeigte, besteht die Erlösung nicht aus solchen Dingen. Wenn man wilder Schwärmerei freien Lauf gibt, endet sie in einer Hysterie. Menschen, die ‚unter der Kraft fallen‘ oder sich ungebührend benehmen, tun dies, weil sie durch ungezügelte Schwärmerei in einen Zustand der physischen Erregung geraten. In Extremfällen kommt es oft zu einer Art Katalepsie (Muskelstarre mit lange dauernder Beibehaltung einer oft unnatürlichen Stellung der Gliedmaßen). Menschen fallen dabei in Trance und liegen manchmal stundenlang bewusstlos. Solche Dinge kommen nicht vom Geiste Gottes und sind in vielen Fällen Folgen eines physischen und psychischen Fehlverhaltens. Zungen, in denen Leute heutzutage sprechen, sind in vielen Fällen sicherlich Kundgebungen unterbewusster seelischer Vorgänge.“

 „Ähnliche Dinge kann man auch woanders beobachten. Es heißt, dass geisteskranke Menschen oft in Zungen reden. Auch spiritistische Medien tun das. Außerdem ist bekannt, dass es unter Chinesen und Ostindern nicht ungewöhnlich ist, wenn dort einer in Zungen redet. Diese Menschen sind keine Christen und ihr Zungenreden ist nicht vom Heiligen Geist bewirkt. Deshalb sollten wir mit diesem Zungengerede, dass so viele Menschen irreführt, vorsichtig sein. Die Gesetzmäßigkeiten solcher Kundgebungen sind den Psychologen wohl bekannt. Es gibt viele Zungen, die nicht vom Geiste Gottes bewirkt sind. Sogar einige von den ‚Zungenpredigern‘ haben mir gegenüber zugegeben, dass sie nicht zwischen den falschen Zungen, die es, wie sie zugaben, unter ihnen gibt, und den ‚echten‘ unterscheiden könnten. Manche Leute, die sich nie zum Christentum bekannten, kommen in ihre Gottesdienste und fangen an, in Zungen zu reden. Auch Menschen, die sich zum Christentum bekennen und doch gottlos leben, reden häufig in Zungen. Für das Innewohnen des Heiligen Geistes brauchen wir einen besseren Beweis, als diesen.“

 „Der wirkliche Beweis, dass der Heilige Geist in uns wohnt, ist er selbst. Er bewirkt die Reinheit des Herzens, von ihm geht eine Kraft aus; er macht unser geistliches Leben reicher und gibt uns die Fülle der Liebe. All diese Werke zeugen von ihm.“

„Auch zur Zeit John Wesleys redeten Menschen in Zungen. Doch Wesley lehnte dies ab und sagte, dass diese Art von Zungen nicht von Gott sei. Die echte Gabe der Sprachen mag ausgeübt werden (Dort, wo die biblische oder echte Gabe des Heiligen Geistes gemeint ist, verwenden wir statt des Wortes ‚Zungen‘ das Wort ‚Sprachen‘, weil dadurch seine Bedeutung klarer wird (Anm. d. Red.). Manche Menschen, die völlig geheiligt sind, mögen in Sprachen reden; die Mehrheit jedoch tut es nicht und tat es auch laut der aufgezeichneten Geschichte nie. Die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten war wahrscheinlich die größte Kundgebung dieser Gabe, die es je gab. Ich möchte einen soliden Beweis haben und nicht ein vorübergehendes Plappern in einer vermeintlichen Zunge, das weder ich noch sonst jemand versteht, und das auch in vielen anderen Fällen auftreten kann. Howard, du wirst es auch ohne Sprachenreden wissen, ob du die biblische Erfahrung der Heiligung gemacht hast. Du wirst eine innere Gewissheit haben, dass das Werk geschehen ist. Und diese Erfahrung wird für dich genau so echt und wahr sein, wie deine Wiedergeburt.“

„Bruder Miles, kannst du mir bitte sagen, wie ich diese Erfahrung erlangen kann? Mein Herz sehnt sich so sehr danach und ich möchte völlig gereinigt werden. Mich verlangt danach, dass der Heilige Geist, der Tröster, in seiner Kraft und Herrlichkeit in mir wohnen möchte.“

 „Einiges, was du zu tun hast, um diese Erfahrung zu erlangen, kann ich dir sagen“, antwortete Bruder Miles. „Es gibt jedoch manches, das man nicht erklären kann. Gott möchte, dass wir, obwohl wir es mit dem Versand nicht ganz verstehen können, uns mit unserem ganzen Herzen nach ihm ausstrecken und nach ihm selbst verlangen. Dein Herz muss sich also bis zu den tiefsten Tiefen nach Gott ausstrecken, ohne dass du es mit dem Verstand ganz begreifen kannst. Wenn du diese Erfahrung nur nach einem gedanklichen Plan suchst, wirst du enttäuscht werden. Deswegen hat Gott in der Schrift nicht jeden Schritt bis ins Detail beschrieben. Doch der Heilige Geist wird uns leiten und das Sehnen unseres Herzens in die richtige Richtung lenken.“

 „Das Erste also, was du tun solltest, ist, dich Gott völlig zu weihen und dich in allem dem Willen Gottes zu unterordnen. Du musst zu dem Punkt kommen, wo du willig bist, nicht mehr dir selbst, sondern Gott zu gehören; nicht mehr für dich selbst entscheiden, sondern Gott für dich entscheiden zu lassen, um seinen Willen in dir, für dich und durch dich zu erfüllen. Deine Übergabe Gott gegenüber muss vorbehaltlos und völlig sein. Wenn du das wirklich getan hast, wirst du dich dessen auch bewusst sein. Du wirst es wissen, dass nun dein Alles Gott übergeben ist. Manche sagen, dass dieser Stand schon die Heiligung sei. Das ist aber nicht der Fall, denn, wie ich schon erklärte, die Heiligung ist ein Werk Gottes in uns, das er durch das Blut Christi bewirkt. Hingabe und Weihe sind unser Teil, die Heiligung jedoch bewirkt Gott.“

 „Wenn du dich Gott übergibst, musst du ihn auch ernstlich und anhaltend darum bitten, dass er sein Werk tun möchte. Gott vergab dir deine Sünden erst dann, als du es ernst nahmst und ihn von ganzem Herzen suchtest. So wird Gott dich erst dann heiligen, wenn du den gleichen Ernst zeigst und ihn von ganzem Herzen suchst. Während der vollständigen Hingabe und dem ernsten Suchen muss auch ein fester Glaube wirksam werden. Wir werden geheiligt durch den Glauben; deshalb muss der Glaube genauso fest und lebendig werden, wie es z. B. bei unserer Bekehrung war. Die Schrift sagt: ‚Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch werden‘ (Mk. 11:24). Gott will dir den Heiligen Geist geben und dein Herz völlig reinigen. Und sobald du den Stand erreichst, wo du dich völlig weihst, von ganzem Herzen Gott suchst und einen festen Glauben hast, wird er es auch tun. Du solltest auch beachten, dass der Glaube nicht ein Versuchen oder Kämpfen ist, sondern dass er sich einfach auf die Verheißungen Gottes verlässt. Mit anderen Worten, der Glaube nimmt die Verheißungen Gottes als wahr an – wahr für sich persönlich, hier und jetzt. Der Glaube wirkt natürlich, einfach und effektiv, wenn wir den richtigen Stand der Weihe und ernsten Suchens erreicht haben.“

 „Bruder Miles, was werde ich fühlen, wenn ich geheiligt werde?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Bruder Miles. „Die Heiligung ist genauso wie die Wiedergeburt keine Gefühlssache. Die Gefühle, die diese Erfahrungen begleiten mögen, sind nicht vorhersagbar, nebensächlich und kein Teil des Werkes Gottes. Wenn Menschen diese Erfahrung machen, sind sie gewöhnlich freudig. Bei manchen steigen die Gefühle sogar sehr hoch. Wenn ein Mensch einen emotionalen Charakter hat, wird er sich gewöhnlich sehr freuen und womöglich seine Freude auch laut hinausrufen. So sah ich Menschen, die so jauchzten und riefen, dass es kein Ende zu nehmen schien. Daneben sah ich auch andere, die völlig ruhig und gelassen blieben. Auf ihnen lag ein stiller, freudiger Friede, der von keinen äußerlichen Erscheinungen, außer der Zufriedenheit und Freude auf ihrem Gesicht, begleitet war. Diejenigen, die ruhig blieben und keine äußerlichen Kundgebungen hatten, zeigten in ihrem Leben, dass sie eine genauso tiefe und echte Erfahrung machten, als die, bei denen es äußerlich sehr zum Vorschein kam. Deshalb kann ich nicht sagen, was du fühlen wirst, wenn du die Heiligung erlangst“.

 „Im geheiligten Leben solltest du das anwenden, was du schon in deinem Leben nach der Wiedergeburt lerntest. Dadurch kannst du Probleme vermeiden, die du nach deiner Bekehrung hattest, als du deinen Gefühlen vertraut und dein Verhältnis zu Gott danach beurteilt hast. Die Gefühle eines Menschen hängen von seinem Charakter ab. Je mehr ein emotionaler Mensch auf seine Gefühle vertraut, umso größere Probleme wird er in seinem geistlichen Leben haben. Man sollte also weder nach tiefen Gefühlen ausschauen, noch nach irgendwelchen äußerlichen Kundgebungen. Nur äußerliche Kundgebungen bedeuten noch gar nichts; und auch sonst haben sie, vom geistlichen Standpunkt aus betrachtet, einen geringen Wert. Die Freude vieler Menschen hängt von ihren Gefühlen ab, weil die Gefühle ein Bestandteil des Lebens sind. Wenn wir jedoch unsere Erlösung ganz oder teilweise von unseren Gefühlen abhängig machen, bereiten wir uns selbst Schwierigkeiten. Auch wenn wir gute Gefühle haben, müssen wir im Glauben leben und unsere Erlösung auf den Glauben gründen. Wenn wir das nicht tun, wird, wenn die Gefühle abklingen, unser Glaube und das Selbstvertrauen sinken und wir werden mit Zweifeln zu kämpfen haben.“

Sie sprachen dann noch über weitere Einzelheiten dieser herrlichen Erfahrung und über andere Dinge. Als Howard nach Hause kam, beschloss er in seinem Herzen, diese Erfahrung der völligen Heiligung unverzüglich zu suchen. Als er auf sein Leben zurückblickte, sah er, dass er schon am Anfang seines Lebens mit Gott alles, soweit er es damals verstand, ihm übergab. Doch nun konnte er in einem viel tieferen Sinn und einem viel größeren Umfang die Möglichkeit einer völligeren Weihe und einer umfangreicheren Übergabe erkennen. So machte er den ersten Schritt und übergab sich Gott. Er konnte es zwar nicht gleich und nicht auf einmal tun, doch mit der Zeit kam er zum Punkt der völligen Übergabe. Obwohl dies nicht allzu lange dauerte, suchte er in dieser Zeit oft und von ganzem Herzen die Gegenwart Gottes. Er fand dabei viele kleine Hinweise darauf, dass er früher nie verstanden hatte, was es heißt, sich Gott völlig zu übergeben. Sobald er erkannte, was und wie er weihen sollte, tat er es auch. Und je mehr er sich Gott übergab, umso größer wurde sein Verlangen nach der Erfahrung, die er suchte. Je ernster er betete, umso näher schien ihm Gott zu sein. Eines Abends wurde sein Verlangen so groß, dass er sich entschloss, sein Zimmer abzuschließen und solange zu suchen, bis er die ersehnte Erfahrung fand.

Howard fiel auf seine Knie. Es schien, als ob auf einmal der Heilige Geist ihm das Verständnis gab, so dass er schnell den Punkt der völligen Selbstübergabe erreichen konnte. Als er ihn erreichte, wusste er es auch und war sich bewusst, nichts zurückbehalten zu haben. Und als sein Glaube sich an Gott klammerte, erkannte er, dass das Werk geschah. Seine Gefühle waren nun völlig anders als bei seiner Bekehrung. Das kam sicherlich aufgrund seiner Haltung und des Gemütszustandes, die anders als damals waren. Manche Menschen haben ähnliche Gefühle in beiden Fällen, andere wiederum ganz verschiedene. Howard hatte keine besonderen Gefühle; doch eine tiefe Ruhe und ein wunderbarer Friede erfüllten seine Seele. Er stand von seinen Knien auf und ging zu Bett. Ihm war nicht danach, um seine Freude auszurufen. Am deutlichsten war ihm das innere Bewusstsein, dass das Werk geschah, und das stellte ihn zufrieden. Er fühlte sich wie ein Mann, der nach einer langen Reise zu seinem Heim zurückkehrte, die Tür öffnete, hineinging und so das Ende seiner Reise, den ersehnten Ruheort, erreichte.

Als Howard am nächsten Morgen erwachte, war sein Herz voller Freude. Der Herr schien ihm sehr nahe zu sein. Es hat jedoch hier keinen Sinn, seine Empfindungen einzeln zu beschreiben, da die persönlichen Erfahrungen in diesem Punkt sehr unterschiedlich sind. Wir sollten nicht die Erfahrung des einen an der Erfahrung eines anderen messen, außer darin, was der Geist Gottes im Inneren bewirkt. Äußere Kundgebungen und Gefühle unterscheiden sich sehr.

Einige Tage später traf Howard einen Mann, den er mehrmals in Rigde sah. Er erzählte ihm von seiner neuen Erfahrung.

„Ja“, sagte jener, „ich wurde in der Erweckungsversammlung, die im letzen Winter stattfand, auch geheiligt. Ich weihte mich und fasste es im Glauben genauso, wie du es erzähltest“.

„Hattest du das Bewusstsein, dass du die Erfahrung auch tatsächlich gemacht hast?“, fragte Howard.

„Nun“, sagte der Mann, „ich merkte keinen großen Unterschied; ich fasste es einfach im Glauben“.

 „So habe ich es auch gemacht“, sagte Howard. „Aber bei mir brachte der Glauben das Bewusstsein, dass sich in mir etwas verändert hat und dass ich etwas bekommen habe. Ich wusste, dass das Werk geschah, und weiß es noch jetzt. Stimmt das mit deiner Erfahrung überein?“

Der Mann sagte unsicher: „Ich kann es nicht sagen, was ich darüber empfinde. Manchmal fühle ich mich geheiligt, danach bezweifle ich es; ich tat jedoch mein Bestes, als ich es im Glauben fasste“.

Am nächsten Tag ging Howard zu Bruder Miles, um ihm über seine Erfahrung zu berichten. Sein Gesicht sagte Bruder Miles schon alles, noch bevor er ein Wort sprach. „Ah!“, sagte Bruder Miles, „ich sehe, du hast das bekommen, was du wolltest“.

„Ja“, sagte Howard, „ich habe es. Ich weiß, dass ich es habe.“ Dann berichtete er über die gnädige Ausgießung des Heiligen Geistes in sein Herz und erwähnte die Besonderheiten seiner Erfahrung. „Ich wurde nicht enttäuscht!“, rief er aus. „Es ist das, wonach ich mich sehnte. Doch eines kann ich nicht verstehen. Ich sprach gestern mit Bruder Jason, der sagte, dass auch er es im Glauben fasste. Doch er schien nicht zu wissen, dass er dabei etwas empfing. Mich wundert, wie dies zuging.“

 „Es ist wahr, Howard, dass manche Menschen behaupten, im Glauben etwas erfasst zu haben, und dabei kein inneres Bewusstsein haben, dass sie es auch tatsächlich haben. Sicher bekommen wir von Gott alles durch den Glauben. Doch wenn wir einen bestimmten Glauben ausüben und das Erbetene im Glauben auch ergreifen, bekommen wir ein inneres Bewusstsein, dass unser Gebet erhört wurde und dass wir das Erbetene nun haben. Glaube bewirkt Erkenntnis. Das Problem von Bruder Jason ist, dass er nicht die notwendige Tiefe der Übergabe an Gott erreichte, wo der Glaube wirksam werden kann. Der Glaube, den er ausübt, ist eher ein verstandesmäßiger Glaube. Es gibt einen Unterschied zwischen einem eher verstandesmäßigen Glauben und dem wahren Herzensglauben, der die Verheißungen Gottes ergreift und sie sich zu eigen macht. Diesen Glauben können wir nur dann ausüben, wenn wir die Bedingungen, die Gott für das Erbetene stellte, vollständig erfüllen.“

 „Viele Menschen sagen, dass sie etwas im Glauben fassten; doch in Wirklichkeit haben sie es nicht. Das Problem ist, dass sie es nicht tatsächlich im Glauben fassten, sondern es nur versuchten zu fassen und nicht erreichten. Ohne eine feste Grundlage kann der Glaube nicht wirksam werden. Bei der völligen Heiligung besteht diese feste Grundlage aus der völligen Übergabe und dem ernsten Suchen nach Gott. Wenn es mehr Menschen gäbe, die sich Gott völlig und rückhaltlos übergeben und ihm ihren Willen unterstellen würden, würde es weniger solcher geben, die zwar behaupten, diese Erfahrung gemacht zu haben, die jedoch in ihren Herzen und Leben die entsprechenden Früchte nicht haben. Echter Glaube bringt auch echte Erfahrungen. Und, wie ich schon sagte, in diesem Fall ist die völlige Übergabe an Gott und seinen Willen die Grundlage und Stütze des Glaubens. Glaube, der sich darauf gründet, bewirkt auch eine echte Herzenserfahrung. Solche Erfahrung ist etwas Bestimmtes und Zufriedenstellendes.“

 „Bruder Miles, wenn nun der Feind in mir zunichte gemacht ist und mein Herz gereinigt wurde, werde ich dann noch Versuchungen und Kämpfe haben?“

„Oh, ja“, sagte Bruder Miles, „du wirst eine Menge davon haben“.

„Aber wenn mein Herz rein ist, wie kann ich dann versucht werden?“, fragte Howard.

„Wie wurde Jesus versucht? Sein Herz war rein, und doch steht von ihm geschrieben, dass er ‚versucht worden ist in allem gleichwie wir, doch ohne Sünde‘ (Hebr. 4:15). Auch Adams Herz war rein; doch als er versucht wurde, hielt er nicht stand. So garantiert ein reines Herz nicht, dass wir keine Versuchungen haben werden. Du wirst viele Kämpfe auszufechten und Vieles zu überwinden haben. Doch du wirst nicht mehr gegen diesen inneren Feind zu kämpfen haben, der den Versuchungen nachgibt. Allerdings bleibst du ein Mensch und wirst feststellen, dass du menschliche Schwächen hast. Obwohl du von allen Sünden erlöst bist und dein Herz durch das Blut Christ gereinigt wurde, wirst du in dir viele Mängel entdecken, wie z. B. den Mangel an Urteilsvermögen und Verständnis. Auch wirst du im Laufe deines Lebens noch viele Fehler machen und oft feststellen, dass deine Weisheit nicht ausreicht.“

 „Oft wirst du zusätzliche Kraft von Gott benötigen, um den Anforderungen zu entsprechen, die an dich gestellt werden. Auch hast du angeborene Charakterzüge, die ihrem Wesen nach nicht sündig und ein Teil deiner selbst sind. Die Heiligung beseitigt sie nicht, weil sie keine geistliche Verunreinigungen sind. Allerdings müssen sie sorgfältig überwacht werden. Auch solltest du stets daran denken, dass du als geistlicher Christ in einem menschlichen Körper wohnst. Dieser fleischliche Leib hat seine natürlichen, zweckmäßigen Bedürfnisse, die überwacht und gelenkt werden müssen und manchmal nur durch Willenskraft überwunden werden können. Sie sind an sich nicht böse, doch Paulus sagte, dass er seinen Leib betäubte und knechtete, damit er nicht den anderen predige und selbst verwerflich werde (1.Kor. 9:27). Er herrschte also über sich selbst.“

 „Du wirst nicht automatisch gerecht leben können. Man kann sich nicht ohne Anstrengung beherrschen. Aber es ist wahr, dass je mehr Gnade du bekommst, umso einfacher wird es für dich, gerecht zu leben. Paulus vergleicht das christliche Leben sowohl mit einem Kampf, als auch mit einem Wettlauf. Selbstbeherrschung muss also sein. Das heißt, dass es in uns noch etwas gibt, das beherrscht und manchmal überwunden werden muss. Ja, und im Leben gibt es vieles, das wir überwinden müssen. Doch durch die Gnade Gottes können wir es überwinden und können ein siegreiches christliches Leben führen, bis Gott uns zu sich ruft.“

„Der innenwohnende Geist Gottes und die Kraft der Heiligkeit erweisen sich im Leben als etwas Wunderbares. So wirst du feststellen, dass Dinge, die dich früher beunruhigten, es nun nicht mehr tun. Du wirst in deinem Leben auch mehr Ausgeglichenheit im Vergleich zu früher finden. Auch wirst du eine, vorher nicht gekannte, Erleuchtung deines geistlichen Verständnisses feststellen, so dass du Geistliches mehr und tiefer begreifen kannst. Dein Leben wird reicher und erfüllter sein. Und wenn du geistlich leben wirst, wirst du dir der Gegenwart Gottes bewusst sein …“

 „Sünder führen ein anormales Leben. Die volle Erlösung stellt das normale Leben wieder her. Deshalb, Howard, bleibe im Herzen einfach und schlicht. Lebe nahe bei Gott. Denke nicht, dass du nun als Mensch besser seist als vorher, denn all das Gute hast du empfangen durch die Gnade Gottes. Führe ein heiliges, reines und Gott wohlgefälliges Leben, dann wirst du den wahren Wert des Lebens erkennen und die Süßigkeit der Gemeinschaft mit Gott schmecken. Auch wirst du feststellen, dass das menschliche Leben sich nur durch die Wirkung der Gnade und der Kraft Gottes und seines Geistes richtig entfalten kann.“

 „Und nun, Howard, möchte ich dir noch etwas über das inwendige Leben sagen. Das inwendige geistliche Leben ist die Frucht des Geistes Gottes in uns. Diese geistliche Beziehung zu Gott müssen wir erhalten, denn daraus entspringt unser geistliches Leben und auch die Gnade, die wir benötigen, um erlöst zu bleiben. Auch vor unseren Mitmenschen können wir nur dann christlich leben, wenn wir diesen inneren christlichen Charakter erhalten, denn unser inneres Leben wird sich im äußeren widerspiegeln. Die innere Lebensquelle muss also rein sein, wenn es die äußere sein soll. Ein christlicher Charakter ist von unschätzbarem Wert. Wenn wir zulassen, dass etwas unseren christlichen Charakter befleckt, verlieren wir unseren wertvollsten Besitz.“

 „Du bist noch jung, Howard, und hast das Leben vor dir. Bewahre sorgfältig die hohen Ideale, die du hast. Setze deinen Maßstab nicht herab. Denke daran, dass, von einem richtigen Standpunkt betrachtet, jeder Erfolg in deinem Leben letztendlich davon abhängt, ob du die Grundsätze des Christentums auslebst. Christliche Grundsätze sollten in deinem Leben alles durchdringen. Nur christliche Ideale werden uns helfen, einen hohen Stand innezuhalten. Wahrer Adel ist im Leben Christi zu finden. Achte deshalb darauf, dass dein äußeres Leben mit den inneren Idealen übereinstimmt. Sei stets rechtschaffen, aufrichtig und ehrlich und sei auch in kleinen Dingen des Lebens treu. Wenn du das tust, wirst du ein Christ werden, der sich nicht zu schämen braucht, und der fest und unbeweglich in den Stürmen des Lebens stehen kann.“

 „Bruder Miles, ich will ein würdiges Christenleben führen und nach hohen Idealen leben. Auch bin ich entschlossen, die Gebote Gottes im Leben zu befolgen. Ich weiß, dass dies möglich ist, denn andere taten es auch. Ich bin überzeugt, dass dies sich wie in diesem Leben so auch in der Ewigkeit lohnen wird. Danke dir für deine Ratschläge und Unterweisungen, sie sind mir sehr nützlich!“

Howard wandte sich dann seiner gewöhnlichen Alltagsarbeit zu. Er bewährte sich als ein treuer Christ und trat etliche Jahre später in den Predigerdienst. Sein ernstes und treues Christenleben spornte viele an.

An dieser Stelle unserer Erzählung werden wir Howard verlassen. Wir haben ihn am Anfang des Weges begleitet, auf dem er später zu einem gegründeten, heiligen und lebendigen christlichen Mannesalter gelangte. Gott möchte, dass alle diesen Weg gehen. Alle können darauf wandeln und dieses Lebensziel erreichen. Solch ein christliches Leben wird mit der Zeit immer tiefer, reicher und himmlischer. Und wenn dann die erlöste Seele den letzten Kampf im Leben auskämpft, kann sie freudig zu den goldenen Toren der Ewigkeit eingehen und so ihr letztes Ziel erreichen.