Kein falscher Schein

„Die Liebe treibt nicht Mutwillen“ (1.Kor. 13:4).

Man kann das Wort wohl zutreffender so übersetzen: „Die Liebe prahlt nicht“. Die Welt prahlt. Sie putzt sich mit ihrer Äußerlichkeit. Auf Innerlichkeit legt sie keinen Wert, die sieht man ja nicht. Die Welt schmückt und putzt das, was vor Augen ist. Der Schein drückt dem Geschlecht unserer Tage so recht seinen Stempel auf. Wenn es nur schon aussieht! Ob es wirklich schön ist, dass ist eine andere Sache. Manchmal sieht man, dass Häuser eingestürzt sind, die noch nicht einmal fertig waren. Da hat man glänzende Fassaden gemacht, kunstvolle Balkons angebracht, und die Fundamente sind schlecht. Aber die sieht man ja nicht. Da stehen viele Bücher im Schrank. Was für prächtige Einbände! Goldschnitt und Golddruck, und drinnen schlechte Verse oder fade Geschichten. Hochklingende Bezeichnungen auf den Etiketts der Flaschen und drinnen ein saurer Wein. Geputzte junge Dame und nichts dahinter. Nicht wahr, der Schein regiert in der Welt? Man will auffallen, man will die Bewunderung und Anerkennung auf sich ziehen. Man will beachtet sein, aber die Liebe verlangt nicht danach. Es ist der Liebe ganz recht, wenn sie verborgen bleiben kann. Sie drängt sich nicht vor. Ihre Freude ist, zurückzutreten und zu dienen.

Theodor Janker erzählt in seinem Buch über das Kapitel von der Liebe ein Gleichnis. Irgendwo in Syrien wurde bei einem Venus-Tempel ein kleiner See mit kristallenem Wasser gefunden. Die Pilger, die sich bei dem Orakel Rat holten, warfen ihre Geschenke in den See. Diese Geschenke sanken in die Tiefe, wenn sie den Göttern wohlgefällig waren, andernfalls trieben sie auf der Oberfläche. So geht es im gewissen Sinne noch immer. Das wahrhaft Gute zieht sich in die Verborgenheit zurück und das Schlechte, das man für gut hält, lasst sich sehen in der Welt. Das keine Bedeutung hat, möchte gesehen werden, um so wenigstens einigermaßen Bedeutung zu erlangen.

Die Liebe prahlt nicht. Die meisten Bezeichnungen, die hier von der Liebe stehen, sind negativ. Sie sagen, was die Liebe nicht ist, und was die Liebe nicht tut. Das ist sehr bedeutsam. Kinder Gottes sind Menschen des Gegensatzes. Sie lieben nicht, wie die Welt liebt. Sie reden nicht, wie die Welt redet. Sie unterscheiden sich von der Welt. Sie stellen sich ihr nicht gleich. Das ist gerade das, was die Welt so gegen die Kinder Gottes aufbringt, dass sie so andere Leute sind, dass ihr Leben so ganz anders ist. So lange man nur fromm redet, so lange lässt es sich die Welt gefallen, so lange lacht sie. Aber wenn man für das Christentum anfängt zu leben, dann wird sie böse, dann fängt sie an zu schelten: „Ihr wollt besser sein als wir? Ihr seid hochmütige Pharisäer!“ Vor frommen Worten hat sie keinen Respekt, aber vor dem treuen, stillen Wandel eines Kindes Gottes hat die Welt Scheu. Er hält ihr auch eine Strafpredigt ohne Worte. Und das sind die besten Predigten, die Tatpredigten.

Stehst du im Gegensatz mit deiner Umgebung? Tust du das alles nicht, was die Welt tut? Du brauchst weiter nichts zu tun. Du brauchst nur das nicht tun, was in der Welt Tagesordnung ist, und du fällst schon auf. Du wirst beobachtet. Du wirst angefeindet. Du wirst verspottet. Aber nicht wahr, das lässt du dir gefallen? Die Liebe ist langmütig und freundlich. Die Liebe beneidet nicht. Die Liebe prahlt nicht. Die Liebe tritt im Gegensatz zur Welt, denn in der Welt herrscht die Selbstsucht. Und die Selbstsucht ist der geschworene Feind der Liebe.