Neidlose Freude

„Die Liebe eifert nicht“ (1.Kor. 13:4)

Das heißt soviel: Die Liebe ist nicht eifersüchtig, oder, die Liebe beneidet nicht. Der Neid ist eine vom Teufel verzerrte und entstellte Bewunderung. Man sieht, dass ein anderer mehr hat: mehr Geld, mehr Gaben, mehr Kenntnisse, mehr Glück, mehr Erfolg. Was sollte man jetzt tun? Ihn bewundern. Aber das kriegt der arme kleine Mensch nicht fertig. Anstatt zu bewundern, beneidet er. Die Liebe beneidet nicht. Sie freut sich darüber von ganzem Herzen. Sie gönnt ihm sein Glück und sagt es nicht besonders, dass sie es ihm gönnt. Denn ich fürchte immer, wenn jemand es besonders betont: „O, ich gönne es ihm,“ ich fürchte immer, dass er es dann im Grund des Herzens ihm nicht gönnt. Denk einmal darüber nach, ob ich recht habe. Ob es nicht gerade ein Zeichen von Missgunst ist, wenn man sagt: „Ich gönne dir dein Glück von Herzen.“ Ich fürchte, man möchte es doch lieber selber haben. Hab ich nicht recht? Oh, der Neid steckt bei uns Menschen tief im Blut. Es ist ein Jammer.

Wenn einer in deiner Gegenwart gelobt wird, kannst du es gut anhören? Achte mal darauf, ob du dann nicht sehr geneigt bist zu sagen: „Ja, aber...“ und dann kommt etwas Ungünstiges über ihn. Du kannst es nicht sehr gut vertragen, einen anderen loben zu hören. Pass mal auf: Die Liebe beneidet nicht. Wenn dein Bruder mehr Frucht bringt in seiner Arbeit, freust du dich dann? Sieh, wenn du darüber neidisch bist, dann bist du nicht in der Liebe, dann stimmt es noch nicht mit deinem Leben. Ach, beneide doch deinen Bruder nicht, der einen mehr bevorzugten Platz hat, wie du. Weißt du, wie viel schwerer er es hat, als du? Nein, das weißt du nicht, das bedenkst du nicht. Da wird eine Kirche gebaut. Etliche Steine sollen in der Mauer Verwendung finden. Sie brauchen weiter nichts, als viereckig zu sein. Da ist keine besondere Bearbeitung nötig. Aber aus jenem Stein soll eine Kreuzblume herausgemeißelt werden. Das kostet manchen Meißelschlag. Wenn der Stein schreien könnte, dann würde er schreien und bitten: „Ach, gebt mir doch einen Platz in der Mauer, es tut so weh, so behauen zu werden!“ Oben auf dem Turm als Kreuzblume Bewunderung zu finden, das ist wohl viel schöner, als irgendwo in der Mauer eingefügt zu werden. Aber die Bearbeitung vorher! Und dann die Stürme, die da oben brausen. Und der Regen, der an der Kreuzblume nagt und wäscht. Ob der Platz wirklich so beneidenswert ist? Die Liebe beneidet nicht. Sie gönnt dem Nächsten von Herzen das Beste.

 Am schändlichsten ist wohl der Neid, wenn ein Knecht Gottes den anderen beneidet um die Erfolge seiner Arbeit. Was will denn ein Knecht Gottes? Er will Seelen gewinnen für den Heiland. Sollte da sich nicht jeder freuen, wenn der andere auch Seelen gewinnt, ja wenn er mehr Seelen gewinnt. Wir wollen doch nicht arbeiten für uns und unsere Ehre, sondern wir arbeiten doch, dass der Name Jesu verherrlicht wird. Und da kannst du neidisch sein? Oh, dadurch wird deine Arbeit für den Herrn gelähmt und gehindert, dadurch stehst du dem Herrn im Wege, wenn du mit Neid auf den Bruder blickst. Wenn du neidisch bist, kann Gott dich nicht segnen, denn jeder Segen würde dich ja stolz machen. Du würdest ihn ja auf deine Rechnung schreiben und dich über den Bruder erheben. Nein, nein. Die Liebe beneidet nicht. Die Liebe freut sich und ist dankbar, wenn nur Seelen gerettet werden. Und wenn sie nicht durch den Dienst der eigenen Gemeinschaft gewonnen werden, sondern in einer anderen. Die Liebe beneidet nicht, sie freut sich in uneigener, nützlicher, selbstloser Freude. Und wenn sie sich nicht freut? Da ist dann eben keine Liebe. Denn zum Wesen der Liebe gehört es: Die Liebe beneidet nicht.