Die Liebe hofft

„Die Liebe hofft alles“ (1.Kor. 13:7).

Wie traurig steht es doch in der Welt. Ich stand an einem Grab. Es war ein junger Mann, der da begraben war. Seine Eltern haben ihm einen Vers aufs Grabkreuz gesetzt, der heißt:

„Trostlos beweint der Eltern Klage

An des letzten Kindes Grab;

Jede Hoffnung ihrer Tage

Sank mit in die Gruft hinab.“

Jede Hoffnung, wie schauerlich! Hoffnungslos! Warum gibt es so viele Selbstmorde in der Welt? Weil es so viel Hoffnungslosigkeit in der Welt gibt. Da hat einer sein Leben ruiniert, seine Laufbahn sich abgeschnitten durch eigene Schuld und Sünde. Nun hat das Leben keinen Wert mehr. Er kann nicht hoffen, dass es noch mal anders wird. Er verzweifelt. Ach, wie viele Menschen sterben an der Hoffnungslosigkeit. Und was ist Hoffnungslosigkeit im letzten Grunde? Heilandslosigkeit. Wer den Herrn kennt, der hofft alles. Die Liebe gibt niemanden als unverbesserlich auf. Die Liebe hofft. Und wenn die Welt sagt: „Verlier doch deine Zeit nicht mit solchen vergeblichen Bemühungen. Es nützt ja doch alles nichts.“ Die Liebe hofft alles. Die Liebe weiß: Für den Herrn ist kein Hindernis unüberwindlich. Und darum hört sie nicht auf, hoffend, glaubend, liebend den Unverbesserlichen dazu zu bringen.

Die Lateiner hatten ein Sprichwort, das heißt: „So lange ich atme, hoffe ich“. Ja, Kinder Gottes haben eine lebendige Hoffnung. So dunkel es auch um sie her werden mag, so schwer die Verhältnisse auch sind, Kinder Gottes hören nicht auf zu hoffen. Und wenn es hier in der Zeit keinen Umschwung gibt, dann gibt es in der Ewigkeit. Aber es kommt die Zeit, dann liegt Schwachheit und Verdruss ewig unter unserem Fuß. Und wenn der Abfall die Massen ergreift, wenn es immer wüster und wilder zugeht in der Welt, dann schauen die Kinder Gottes aus nach dem kommenden Herrn, dann warten sie auf den Tag seiner Zukunft und beten: „Ja, komme Herr Jesu!“ Darum verzagen Kinder Gottes nicht. Darum lassen sie den Mut nicht sinken.

Ein englischer Offizier äußerte einmal dem bekannten Missionar Livingstone gegenüber, seine Verhältnisse seien rein zum Verzweifeln. Darauf entgegnete Livingstone, dass ein Christ nie Grund zum Verzagen und Verzweifeln hätte. Er erzählte ihm dann, dass er einst mit seinen Negern eine Jagt gemacht habe auf einen Löwen, der so großen Schaden angerichtete. Er schoss fehl, und der Löwe warf sich auf ihn. Da lag Livingstone unter den gewaltigen Tatzen des Raubtieres. Aber auch jetzt dachte der kühne Mann nicht ans Verzagen, sondern in seinem Herzen schrie er zu Gott um Hilfe. Einer der Neger, die in der Nähe waren, machte plötzlich eine Bewegung. Da ließ der Löwe von seinem Opfer ab und sprang auf den Neger zu. Da krachte ein Schuss, und der Löwe lag in seinem Blut. – Niemals verzagen.

Da stehen die drei mutigen Männer: Sadrach, Mesach und Abednego vor dem König, der sie in den feurigen Ofen werfen will. Und was sagen sie ihm? „Siehe, unser Gott, den wir ehren, kann uns wohl erretten... Und wo er’s nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deine Götter nicht ehren noch das goldene Bild, das du hast setzen lassen, anbeten wollen.“ (Dan. 3:17-18). Sie hofften auch jetzt noch, wo doch nach dem Lauf der Natur nichts mehr zu hoffen war. Und sie hofften nicht umsonst. Ihr Hoffen betrog sie nicht. Ein Kind Gottes rechnet mit anderen Faktoren, als die Welt es tut. Es schaut nicht auf die schwierigen Verhältnisse, es blickt auf die Berge, von denen ihm Hilfe kommt. Und darum lässt es den Mut nicht sinken unter keinen Umständen. Denn die Liebe hofft alles.