Wahrheit über alles

„... sie freut sich aber der Wahrheit“ (1.Kor. 13:6).

Die Schrift schreibt: Alle Menschen sind Lügner (Röm. 3:4). Gewiss, die Welt ist das Gebiet des Vaters der Lüge. Er hat sich ja zum Fürsten der Welt gemacht. Die Welt ist voller Lüge, so dass die Kinder Gottes wirklich Mühe haben, unter allen Umständen der Wahrheit zu folgen. So sehr verstrickt und umgarnt die Lüge alle Verhältnisse. Wie ist der gesellige Verkehr von der Lüge durchzogen! Die Höflichkeitslügen, diese Schmeicheleien. Und die Leute erwarten einfach, dass man lügt. Wenn etwa einer so ehrlich ist und zugibt, dass der Besuch ihn gerade jetzt stört, dann sagt man nicht: „Das ist ein ehrlicher Mensch,“ sondern: „Das ist aber ein ungebildeter Mensch, ein ungeschliffener Mensch“.

Wie sieht es im geschäftlichen Leben aus? Wie viel wird da gelogen! Hat der Kaufmann die geforderte Ware gerade nicht mehr vorrätig, dann sagt er nicht etwa: „Die habe ich leider nicht im Lager“, sondern er sagt: „Das ist gar keine Mode mehr. Das nimmt kein Mensch mehr. Jetzt nehmen all die Herrschaften dieses“. Ach, und die armen Angestellten. Wie werden sie dazu genötigt und angehalten, die Unwahrheit zu sagen. Mündlich und schriftlich, per Telefon und Telegraph wird gelogen.

Wie geht man mit den Kranken um! Wie werden die armen Kranken und Sterbenden geradezu eingehüllt in die Lüge. Dass nur ja keiner ihnen sagt, wie bedenklich es um sie steht. Der Arzt hat jede Aufregung verboten. Mir erzählte einmal eine Krankenschwester eine Geschichte aus ihrem Leben. Sie war zu einer Privatpflege gerufen worden. Als sie auf den Bahnhof kam, eröffnete man ihr: Die Kranke habe die Halsschwindsucht, aber sie dürfe es um alles in der Welt nicht wissen. Die Schwester durfte das ihr um keinen Preis sagen. Die Schwester war wohl damals noch nicht bekehrt. Kurz, sie gab das Versprechen und sagte der Kranken nichts von ihrem nahen Ende. Sprechen konnte die Kranke nicht mehr. Aber plötzlich fühlte sie das Herannahen des Todes. Da schaute sie mit entsetzten Augen die Schwester an. Aus diesen Augen sprach der Stumme und doch so laute Vorwurf: „Schwester, ich sterbe ja, und sie haben es mir nicht gesagt.“ Die Schwester sagte mir später, sie sähe noch immer die vorwurfsvollen Augen der Sterbenden. Nie wieder werde sie so ein Versprechen geben. Sie werde immer die Wahrheit sagen. Ja, die Liebe freut sich der Wahrheit, die Liebe lügt nicht. O sage doch dem Kranken offen und ehrlich, wie es um ihn steht, damit er die wenigen Tage oder Stunden noch ausnutzen kann, um zu bedenken, was zu seinem Frieden dient. Es steht ja geschrieben: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll selig werden“ (Apg. 2:21). Und das kann noch in der letzten Stunde geschehen. Darum sage die Wahrheit, sage jetzt in Liebe die Wahrheit.

 Ein anderes Gebiet, auf dem Kinder Gottes sich nicht immer freihalten von der Unwahrheit, ist das Gebiet der Übertreibungen. Wenn irgendwo etliche Leute zusammenliefen, dann heißt es gleich: „Die ganze Stadt war auf den Beinen“. Oder wenn es stark geregnet hat, dann sagt man: „Es regnete, wie mit Eimer geschüttet“. Das sind Übertreibungen, und Übertreibungen sind Lügen. Wenn Kinder Gottes übertreiben, dann tun sie großen Schaden. Denn wenn sie ein Zeugnis vom Herrn ablegen und von einem völligen Glück, von einem tiefen Frieden reden, dann denkt die Welt, das ist auch Übertreibung. „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel“, sagt der Herr (Mt. 5:37). Kinder Gottes lieben die Wahrheit, halten es mit der Wahrheit in jedem Wort, denn die Liebe freut sich der Wahrheit.

Die Liebe, man sollte es eigentlich nicht nötig haben zu erwähnen, schreibt auch keine anonyme Briefe. Sie schreibt auch keine anonyme Artikel für die Zeitung. Sie schießt keine Pfeile aus dem Hinterhalt. Wie sollte das auch die Liebe übers Herz bringen? Das überlässt sie dem Hass. Der kämpft mit solchen Waffen. Die Liebe denkt nicht daran. Wenn die Liebe etwas zu sagen hat, tut sie es offen, Angesicht in Angesicht. Sie tut es trauernd unter vier Augen, den Worten des Herrn gemäß: „Sündigt aber dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein“ (Mt. 18:15). Aber sie greift niemals nach den giftigen Pfeilen der Namenlosigkeit.

Sie lässt sich auch gern die Wahrheit sagen, und zwar von Freund und Feind. Ob es der Freund liebevoll und zart und unter vier Augen tut, oder ob es der Feind in gehässigen Weise tut und vor der Öffentlichkeit, die Liebe freut sich der Wahrheit. Sie ist dankbar für jeden Liebesdienst, der ihr auf diese Weise geschieht. Sie sagt nicht: „Sie haben auch immer was auszusetzen, sie suchen wohl etwas bei mir“, sondern sie lässt sich sagen, denn sie möchte um jeden Preis in das Bild dessen umgewandelt werden, der von sich sagt: „Ich bin die Wahrheit“. Bist du bereit, dir die Wahrheit sagen zu lassen? Wenn du dazu nicht bereit bist, dann wirst du deine Sünde nicht erkennen. Und wenn du sie nicht erkennst, dann bekommst du keine Vergebung und erfährst keine Reinigung. Darum lass dir die Wahrheit sagen, ganz einerlei, ob man dir den Kopf wäscht oder die Füße.

Bei den Konferenzen werden oft gedruckte Zettel verteilt, auf denen allerlei Winke für die Teilnehmer an Glaubensversammlungen stehen. Vor Jahren wurde mir einer solcher „Winke“ sehr wichtig. Er hieß: „Sei bereit, auch alte Ansichten und ererbte Vorurteile fahren zu lassen, wenn Gottes Wort dich eines anderen belehrt“. Das ist oft ein großes Hindernis. Man hängt so fest an alten Ansichten und Gewohnheiten, man verschanzt sich dahinter: Das ist hier immer so gewesen; unsere Väter haben so gedacht und auch so gesagt usw. Und damit verschließt man sich gegen die Wahrheit. Freust du dich der Wahrheit? Stehst du offen für die Wahrheit? Gerade das Festhalten an alten Anschauungen ist eine große Gefahr. Das Festhalten an alten Ansichten kann ein Wendepunkt werden im Leben, wo die ganze weitere Entwicklung eine Abwärtsbewegung wird, weil man sich gegen die Wahrheit stellt. Bist du offen für die Wahrheit? Denn die Liebe freut sich der Wahrheit.