Keine Freude über das Böse

„Sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit“ (1.Kor. 13:6).

Es gibt in der Welt eine hässliche Untugend, sich zu freuen über den Schaden des anderen. Manchmal wird diese Untugend noch hässlicher, indem sie sich in den Mantel des Bedauerns hüllt. Das klingt dann so fromm, so moralisch, wenn man den Fall des anderen beklagt. Aber im Grunde des Herzens wohnt die garstige Schadenfreude. Die Liebe freut sich nicht der Ungerechtigkeit. Sie trauert darüber und ihre Trauer ist aufrichtig. Und wenn es auch der Feind ist, der den Schaden hat, die Liebe trauert darüber, denn sie liebt ja auch den Feind.

In Psalm 35 begegnen wir dem großen Gegensatz, der in dieser Beziehung zwischen dem Kind Gottes und dem Kind der Welt herrscht. David klagt dort: „Sie aber freuen sich über meinen Schaden“ (V. 15). Und was tut er? „Ich aber, wenn sie krank waren, zog ich einen Sack an, tat mir wehe mit Fasten und betete stets von Herzen; ich hielt mich, als wäre es mein Freund und Bruder; ich ging traurig wie einer, der Leid trägt über seine Mutter“ (V. 13-14). Kinder Gottes tragen Leid über die Schicksale des Nächsten, weil sie ihn lieben. Sie sagen auch nicht: „Das ist das gerechte Gericht Gottes, das du reichlich um mich verdient hast“. O nein. Sie trauern, sie leiden, denn sie lieben. Ja, die Kinder Gottes trauern, denn die Welt ist voll Ungerechtigkeit. Die Ungerechtigkeit nimmt überhand. Darüber blutet den Kindern Gottes das Herz. Sie gehen nicht in pharisäischem Hochmut, wie die Welt ihnen nachsagt, an der Not vorbei. Sie halten sich nicht für besser als die anderen. O nein. Sie trauern tief über das Elend einer sterbenden Welt. Sie suchen ihrer Stadt Bestes und beten für sie zu Gott. Die Ewigkeit wird es einmal offenbaren, was die Welt den verachteten Kindern Gottes zu danken gehabt hat. Oder soll ich sagen: zu danken gehabt hätte?

Da steht Abraham vor Gott und tut Fürbitte für die sündenhaften Sodomer: „Es möchten vielleicht 50 Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um 50 Gerechter willen, die darin wären?“ (1.Mose 18:24). Der Herr spricht: „Finde ich 50 Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihrer willen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: ,Ach siehe, ich habe mich unterwunden zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. Es möchten vielleicht 5 weniger denn 50 Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen?‘ Er sprach: ,Finde ich darin 45, so will ich sie nicht verderben.‘“ (V. 26-28). Und Abraham fuhr fort, bis er auf 10 Gerechte kam. Und der Herr sprach: „Ich will sie nicht verderben um der 10 willen“ (V. 32). Wären da 10 Gerechte in der Stadt gewesen, dann wäre Sodom nicht untergegangen. Und wenn Sodom nicht untergegangen wäre, wem hätten sie für ihre Bewahrung zu danken gehabt? Den verachteten und verspotteten Frommen.

O wie wenig weiß die Welt davon, was sie den Gläubigen zu danken hat! Längst wären unsere Städte und unsere Dörfer dazu untergegangen in ihren Sünden und Schanden, wenn nicht ein paar Kinder Gottes darin wären, die ihre Knie beugten und mit heißem Flehen für die Stadt eintraten. Sie sind das Salz der Erde. Sie halten die Fäulnis des Verderbens zurück. Sie trauern tief über die Ungerechtigkeit, auch dann, wenn die Ungerechtigkeit ihnen selbst etwas zu Nutzen oder Vorteil brächte. Sie wollen keinen Gewinn, der auf ungerechte Weise ihnen zufällt. Und mag die Ungerechtigkeit Mode werden in der Welt. Die Liebe freut sich nicht der Ungerechtigkeit.