Nicht aufgeblasen

„Die Liebe blähet sich nicht“ (1.Kor. 13:4).

In dem Lesebuch, in dem wir einst als Kinder in der Schule gelernt, stand eine Fabel. Die habe ich noch nicht vergessen. Ein Frosch befand sich, so ist mir in der Erinnerung, in einer Gesellschaft, in der die Größe eines Ochsen bewundert und angeschaut wurde. Das verdross den Frosch aufs Höchste. „Oh,“ sagte er, „das ist gar nichts! Wenn ich nur will, dann kann ich gerade so groß werden, wie der Ochse“. Die anderen lachten. Aber der Frosch fing an, sich aufzublasen. Er blies und blies, bis die aufgeblasene Haut platzte und er tot dalag.

Wir haben damals über die Fabel gelacht, aber eigentlich ist dabei nicht zu lachen. Wie viele Frösche gibt es in der Welt, die sich bemühen sich aufzublasen, um dadurch Bedeutung zu erlangen! Du bist doch nicht vielleicht auch so ein armer Frosch? Die Liebe blähet sich nicht. Die Welt mag sich aufblasen, um Bewunderung zu finden. Die Liebe blähet sich nicht. Ach, es ist nur Wind, was die Leute so aufgeblasen macht. Es ist ein Nichts, darauf sie stolz sind.

Da ist ein junger Mann, dem sieht man es schon an seinem Äußeren an, dass er zu den Aufgeblasenen gehört. Was hat er für einen Verdienst? Warum tut er so wichtig? Er selbst hat keine Verdienste. Sein Vater ist durch Fleiß und Energie emporgekommen. Er ist ein reicher Mann geworden. Und das ist der einzige Verdienst dieses jungen Mannes, dass er einen reichen Vater hat. Darum meint er, jeder müsse ihm aus dem Wege gehen. Ich hatte einst einen Schulkameraden, der sehr stolz darauf war, dass sein Vater es als Leinwebersohn zum Landgerichts-Präsidenten gebracht hatte. Aber es war Gefahr vorhanden, dass dieser Schulkamerad es vom Landgerichts-Präsidentensohn wieder zum Leinweber brachte, und vielleicht nicht mal das.

Es ist schwer mit einem Aufgeblasenen auszukommen und umzugehen. Er hat so viel vermeintliche Rechte, dass sie schwer zu befriedigen sind. Er stellt solche Anforderungen an seine Umgebung, dass er schwerlich seine Genüge bekommt. Darum fühlt er sich verkannt und zurückgesetzt, darum ist er verstimmt und schlechter Laune. Der arme Aufgeblasene ist wirklich zu bedauern. Und doch, ist nicht die Eitelkeit die Triebfeder zu den vielleicht allermeisten Handlungen? Das Leben vieler Menschen ist eigentlich nur eine Kette von ununterbrochenen Versuchen, Effekt zu machen. Die Eitelkeit reicht gerade so gut zur Ausführung von Heldentaten, wie von Verbrechen. Sie regiert den „Salonlöwen“, der mit seiner neuesten Mode prangt, gerade so wie den gelehrten Professor, der sich zerarbeitet, um etwas zu finden oder zu erfinden, was die Bewunderung erregt. Und ach, wie beseelt doch auch Prediger Gefallen, während sie doch sagen, nichts anderes zu wollen und nichts zu wissen, als Jesum den Gekreuzigten.

Die Liebe blähet sich nicht. Die Liebe ist nicht aufgeblasen. Stell dir den Herrn Jesus vor. Da war kein Haschen nach Effekt. Kein Jagen nach äußerem Erfolg. Wenn man den Erfolg seines Lebens mit modernem Maßstab messen würde, so würde man sagen, ein Misserfolg: Verlassen, einsam, verspottet, verachtet hing er am Kreuz. Und doch war er ein König. Und doch werden ihm alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden. Und doch wird sein Reich die Welt erfüllen. Worauf ruht es? Auf Liebe. In einem war er groß, im Lieben. „Des Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene“ (Mk. 10:45). Das ist wahre Größe, lieben und dienen. Aufgeblasenheit und Einbildung ist falsche Größe, ist hohl und leer. Die Liebe blähet sich nicht!