Über Vernachlässigung

In der Hölle war alles in Aufregung. Beelzebul war eben von einer anderen Reise von der Erde zurückgekehrt und hatte Nachricht von einer neuen Tätigkeit der Streitmächte des Herrn gebracht.

„Etwas muss getan werden, um dieser Selbstaufopferung des Heiligen Immanuels Einhalt zu gebieten!“, sagte Satan. „Sie gehen hin, reden und predigen – und es scheint, dass beinahe alle predigen können – verkaufen, verschenken und verteilen Bücher, geistliche Zeitschriften und Traktate. Sie gehen pünktlich und regelmäßig zur Versammlung, legen Zeugnis ab, beten und genießen eine solch köstliche Zeit im Herrn, dass viele meiner Leute über ihren Zustand in Unruhe versetzt und imstande sind, in die Reihen des großen Feindes überzugehen. Etwas muss geschehen! Hat irgendjemand von euch Teufeln hier etwas zu sagen?“

Da trat ein Teufel hervor, welcher der gebrechlichste, abgemagertste und heruntergekommenste Teufel war, der im ganzen  Abgrund gefunden werden konnte. Seine ganze Erscheinung wies eine überaus große und unverbesserliche Vernachlässigung auf. Seine Kleidung war in äußerster Unordnung; für seine Toilette, wenn es so etwas in der Hölle gibt, war jahrhundertelang keine Sorge getragen worden. Der Schmutz, welcher an seinem satanischen Angesicht klebte, legte Zeugnis von einer äußersten Gleichgültigkeit und von Versäumnis ab. Sein Name war Aufschub.

Er schlenderte in der gleichgültigsten Weise daher und sagte: „Ich glaube, dass ich derjenige bin, der das Werk ausführen kann. Ich will den Heiligen einreden, dass es keinen Nutzen und Wert hat, so tätig und fleißig zu sein, und dass es besser ist, etliche ihrer Pflichten unbeachtet zu lassen, damit sie ein angenehmeres Leben haben. Wenn es irgend möglich ist, werde ich ihnen die nötigen Entschuldigungen für ihre Versäumnisse liefern. Ich werde ihnen eine Entschuldigung besorgen, damit sie zu Hause bleiben, wenn die Versammlungszeit heranrückt. Oder wenn sie doch hingehen, so will ich sie überreden, dass sie nicht Zeugnis ablegen oder beten.“

„Versuche es“, sagte Satan, „aber wisse, dass du es in einer solchen Weise darstellen musst, dass du den Zweck, den du im Auge hast, verhüllst. Mache sie zuerst glauben, dass es keine Folgen haben wird, wenn sie eine Versammlung vermissen. Oder dass es ihnen nicht viel schaden wird, wenn sie hin und wieder abends nicht beten oder es versäumen, die Bibel zu lesen. Gebrauche Vorsicht und gehe mit Ruhe ans Werk! Veranlasse sie, zuerst eine Kleinigkeit zu vernachlässigen; dann führe sie in größere Dinge hinein.“

„Gewiss“, sagte der Teufel Aufschub; „so werde ich es tun! Du weißt, dass ich erfolgreich war, Bruder Nachgiebig zu Fall zu bringen. Zuerst veranlasste ich ihn, das verborgene Gebet zu vernachlässigen. Ich brachte es stets fertig, ihn beschäftigt zu halten oder trat mit einer gewissen Versuchung an ihn heran, indem ich den Teufel Sorge zu Hilfe nahm. Und so veranlasste ich ihn, das verborgene Gebet zu versäumen. Danach brachten wir ihn soweit, dass er aufhörte, die Bibel in der Familienandacht zu lesen, und schließlich auch die Gebetsversammlung und Sonntagsschule zu versäumen. An diesem Punkt nahm ich mir den Teufel Habgier zur Hilfe und er machte ihn glauben, dass er keine Zeit hätte, zu beten oder in die Versammlung zu gehen; und bald kam er zu uns zurück.“

„Gut!“, sagte Satan. „Ich hasse diese betenden Gesellen. Ich konnte niemals etwas mit ihnen anfangen, solange sie beteten. Ich versuchte mein Bestes, sie zu verführen, aber solange sie das verborgene Gebet pflegten, endeten alle meine Anschläge in einem Fehlschlag. Dann fand ich es auch sehr schwer, die zurückzugewinnen, die zur Versammlung gingen. Aber, wie du sagst, Bruder Aufschub, dies ist leicht, wenn wir sie veranlassen können, aufzuschieben und nachlässig zu werden.“

„Etwas kommt mir gerade jetzt in den Sinn. Können wir nicht etwas tun, um die Gemeinde in B. davon abzuhalten, den kommenden Winter Sonntagsschule und Gebetsversammlungen zu halten? Ich erinnere mich noch, dass wir vor einiger Zeit die Gemeinde in E. veranlassten, ihre Versammlungen für den Winter einzustellen. Und während dieser Zeit lockten wir zwei Knaben einer Familie der Heiligen in schlechte Gesellschaft und ruinierten sie dermaßen, dass sie von zu Hause fortliefen. Auch wurde ein Mädchen von dem Teufel Stolz gefangen genommen. Einer der Brüder wurde abtrünnig. O, mit welcher Freude und mit welcher Leichtigkeit konnten wir jenen Winter arbeiten! Es gab keine Versammlungen, keine Predigten der verhassten Prediger. Keine Sonntagsschulen hinderten uns und wir verrichteten jenen Winter ein gutes Werk, indem wir die Heiligen und ihre Kinder in Schwierigkeiten und Unruhe brachten. Ich wünsche, dass wir etliche veranlassen könnten, diesen Winter ihre Sonntagsschulen und Versammlungen aufzugeben!“

„Ich werde mein Bestes tun, mein Herr!“, sagte Aufschub. „Ich werde die kraftvollsten geistlichen Schlaf- und Betäubungsmittel zusammenmischen, wie es nur in meinen Kräften steht. Und außerdem werde ich noch ein neues Betäubungsmittel versuchen und ich glaube, dass es noch eine größere Wirkung ausüben wird als das, was ich bisher gesehen habe. Ich habe es schon zweimal versucht. Ich ging zu dem alten Bruder H. und ließ den kraftvollsten Betäubungsgeruch ausströmen, den ich nur kannte. Aber er sprang auf und ging auf mich im Namen Immanuels los. Ehe ich mich rühren konnte, hatte er mich zu Boden gestreckt, gab mir eine tüchtige Tracht Prügel und zerbrach meine Betäubungsmaschine, so dass sie für eine lange Zeit nicht funktionieren wollte. Ich hätte wissen sollen, dass es erfolglos ist, ihn anzugreifen, denn er betete zu viel; ich jedoch dachte, es zu versuchen. Es übte aber die gewünschte Wirkung auf den nächsten Gesellen aus. Ich wiegte ihn beinahe in den Schlaf, raubte ihm seinen Schild und Gürtel und entriss ihm sein Schwert. Als er aufstand, erzählte ich dem Teufel Unglauben davon, und er ging hin und schoss einen Pfeil der Entmutigung auf ihn ab, so dass er starb.“

„He! He! Wer kommt jetzt?“, fragte Satan, als drei kleine Teufel sich an ihn herandrängten.

„O Herr Beelzebul, wir bringen gute Botschaft. Das Versammlungshaus, das du uns beauftragtest zu bewachen, ist uns sicher. Der Teufel Vernachlässigung besuchte die Versammlung vorigen Monat und überredete die Leute, ihre Versammlung bis zum Frühjahr aufzugeben. Wir haben nichts zu tun.“

– „Und wer ist das?“, fragte Satan.

„O Meister, wir können nichts tun. Die Heiligen in jenem Haus, welches du uns beauftragtest zu bewachen, haben Versammlung und Seelen werden errettet. Wir müssen Hilfe haben. Sie wollen den ganzen Winter nicht aufhören, sondern damit fortfahren. Es ist so warm ...“

„O schweige!“, rief Satan. „Sagt mir nichts mehr!“