Unerwartete Erfahrungen

In der Zeit, die nun folgte, verglich Howard Gray sein neues Leben, an dem er sich erfreute, mit dem früheren. Wie anders war es doch jetzt im Vergleich zu früher, als er kein Glaubensbekenntnis hatte und in der Sünde so dahinlebte! Damals hatte er zwar Gewissensbisse und fühlte des Öfteren, wie unzulänglich sein geistliches Leben war. Anderseits aber machte er sich gewöhnlich wenig Gedanken über die moralische Seite seines Lebens und handelte im Allgemeinen aus üblichen, selbstsüchtigen Beweggründen. Wie ganz anders war und empfand Howard jetzt! Seine jetzigen Wünsche und Lebensanschauung hatten mit dem alten Leben wenig Gemeinsames.

Wie ganz anderes wurde sein Leben auch im Vergleich zu damals, wo er, obwohl ein Gemeindemitglied, nicht wiedergeboren war! Nun war ihm leicht ums Herz. Er war unbeschwert, voll Friedens und sein Herz floss über vor Freude. Nun war es ihm eine Freude, die Gottesdienste zu besuchen, und die Gemeinschaft mit Christen war ihm sehr lieb. Er war seinen alten Kameraden immer noch zugeneigt, hatte jedoch keinen Wunsch mehr, sich an ihren sündigen Vergnügen zu beteiligen. Auch konnte er sich nicht mehr wie früher an ihrer Gesellschaft erfreuen. Flüche, Gemeinheit und rohe Scherze waren ihm nun widerwärtig. Scherze, die Howard gewöhnlich so gerne machte, schienen ihm nicht länger zu gefallen, obwohl er seinen Sinn für Humor sicherlich nicht verlor. Sein Verstand war genau so scharf wie zuvor, er konnte auch herzlich lachen und sich gut unterhalten, und doch hatte sich seine Lebensweise irgendwie verändert. Im Gegensatz zu früher fand er jetzt an anderen Dingen Gefallen. Er las mit Vergnügen in der Bibel, hatte große Freude am Gebet und war sehr gerne in der Gesellschaft älterer Menschen, wenn sie von dem Heiland und ihren Erfahrungen im christlichen Leben erzählten. Im Gebet fühlte er die Nähe Gottes und ihm schien, dass er unmittelbar vor Gott stehe und Gott mit ihm rede. Er lernte, was es heißt, Gemeinschaft mit Gott zu haben, und wie zärtlich und lieblich diese Gemeinschaft ist.

Howard merkte auch, dass er sich gegenüber seiner Umgebung veränderte. Er fühlte in sich eine Liebe zu der ganzen Menschheit und eine Güte gegen Menschen, die ihm früher fremd waren. Früher konnte er einige Personen nicht leiden und konnte kaum an sie denken, ohne die Stirn zu runzeln. Von einigen sah er sich unrecht behandelt; die anderen mochte er nicht, ohne einen besonderen Grund dazu zu haben. Diesen Menschen gegenüber war er jetzt anders gesinnt. Die alte Bitterkeit und Abneigung, die sich früher in seinem Herzen ausbreitete, verschwand. Howard konnte auch jetzt nicht alles gutheißen, was einige taten, und an manchen Personen konnte er keine besonders gute Eigenschaften erkennen. Trotzdem war er ihnen gegenüber freundlich gestimmt, wenn er auch nicht geneigt war, mit ihnen Freundschaft zu pflegen. Der Groll gegen diejenigen, die ihn irgendwie betrogen hatten, war verschwunden; er hatte ihnen vergeben und vergaß die Sache für immer. Schon dies alleine beseitigte viele Ursachen der Verärgerung und ermöglichte den Frieden dort, wo früher kein Friede war.

Howard zeigte sich gütig auch gegen stumme Lebewesen, die ihn umgaben. Er konnte nicht mehr länger rau oder grausam mit diesen Geschöpfen umgehen und sie mit seinen Streichen quälen. Im Gegensatz zu früher fühlte er in sich eine Barmherzigkeit und Güte gegen sie. Er hatte überhaupt kein Verlangen mehr, jemanden Schmerzen zuzufügen und entdeckte in sich eine ihm bisher unbekannte Überlegung und Rücksicht. Howard war wirklich eine neue Kreatur geworden, nicht nur in seiner Beziehung zu Gott und in seinem inneren Leben, sondern auch in seiner Beziehung zu Gottes Schöpfung.

Dieses neue Leben befriedigte Howard völlig. Und wenn er in die Zukunft blickte, dachte er, dass es sicherlich auch so bleiben wird, wie es nun war. Von solch einem christlichen Leben träumte er früher. Diese Freude, die Frau Burns zu dem machte, was sie war, kannte er nun auch. Er wusste jetzt, warum Frau Burns so gelassen bleiben konnte und woher sie diese verborgene Quelle der Freude in ihrem Leben hatte.

Wie viele junge Christen, sah auch Howard Gray die Zukunft in rosigem Licht. Doch wie alle es früher oder später feststellen, sollte auch er lernen, dass die Rosen im Leben Dornen haben und dass auch die heiligsten Menschen ihre Schwierigkeiten haben. Die große Veränderung, die in ihm vorgegangen war, und die neuen Erfahrungen, die er machte, vernebelten ihm für eine Zeit lang die Wirklichkeit des Lebens. Er war darüber gänzlich unwissend und lebte von seinen Gefühlen eine Zeit lang wie in einem Paradies der Zufriedenheit. Hätte er zu dieser Zeit manche sehr nötige Belehrungen bekommen, würde er manches vermieden haben, das ihm nachher viele Schwierigkeiten bereitete. Viele Seelenqualen hätte er sich dadurch erspart.

Doch selbst inmitten dieser Freude gab es Etwas, das Howard beunruhigte. Er erinnerte sich an manche Dinge, die in seinem alten Leben geschahen, und zwar als er anderen gewisses Unrecht zugefügt hatte. Weil er belehrt wurde, dass es seine Pflicht sei, diese Dinge in Ordnung zu bringen, wollte er es auch tun, obwohl das natürlich eine demütigende Aufgabe war. Es gab nicht viele solche Dinge in seinem Leben, jedoch drei oder vier traten ganz deutlich hervor und beunruhigten sein Gewissen sehr. Sicherlich war Howard willig, sie in Ordnung zu bringen, und wünschte sehr, dass dies schon geschehen wäre. Doch den betreffenden Menschen in die Augen zu schauen, demütig zu bekennen, was er getan hatte, und sie um Vergebung zu bitten – davor schrak er zurück. So etwas ist selten eine leichte Aufgabe und Howard verschob es von Tag zu Tag. Eines Tages traf er einen Mann, dem, wie er fühlte, er schuldig war, etwas zu bekennen. Obwohl er wünschte, es auch tatsächlich zu tun, war es ihm so schwer, dass er die Gelegenheit ungenutzt ließ. Danach fühlte er sich ganz elend und wünschte sehr, die Gelegenheit wahrgenommen zu haben. Doch nun war sie vorbei. Sein Gewissen tadelte ihn scharf und er empfand, dass er Gott betrübt hatte. Howard fiel auf seine Knie und versprach Gott, er würde die Sache schnellstens in Ordnung bringen. Der Friede kam wieder in sein Herz und die Freude kehrte zurück. Etwas später hatte er noch eine Gelegenheit, doch sein Mut schwand. Nun verdammte ihn sein Gewissen wieder.

Es kam jedoch die Zeit, wo Howard wie ein Mann handelte und anfing, jede ihn belastende Sache in Ordnung zu bringen. Und als er damit angefangen hatte, fand er es bei Weitem nicht so schwer, wie er es sich vorstellte. Alle behandelten ihn freundlich. Der Mann, vor dem er sich am meisten fürchtete, behandelte ihn besser als alle anderen. Howard war beschämt, dass er ein Feigling war und so lange zögerte, seine Pflicht zu tun. Doch nun war sie getan. Dem Herrn sei Dank, diese Last wird ihn nicht mehr drücken. Wie erleichtert fühlte er sich! Viele andere Menschen haben gerade da versagt, wo auch Howard beinahe versagte. Dadurch verloren sie den Frieden in ihrem Herzen und kamen unter das Verdammungsurteil Gottes. Hätten sie in dieser Angelegenheit ganz entschieden gehandelt, wäre der Friede und die Freude in ihrem Herzen erhalten geblieben. Sie hätten ihre Pflicht getan und könnten mit erhobenem Haupt und reinem Gewissen allen Menschen begegnen. Es lohnt sich also, ganz entschieden zu handeln. Der Weg des Feiglings ist immer ein schwerer Weg. Notwendige Dinge in Ordnung zu bringen – das ist der edle Weg; jeder andere Weg ist unedel und eines echten Christen unwürdig.

Howard lebte so eine Zeit lang weiter: freudig, friedlich und siegreich. Oh, wie genoss er dies Leben! Doch bald darauf passierte etwas Seltsames. Aus irgendeinem Grund schien sich seine Freude zu legen, so dass er nicht mehr solch eine Flut guter Gefühle wie am Anfang und die meiste Zeit danach hatte. Es kam soweit, dass er schließlich keine besonderen Gefühle mehr hatte. Sein Gewissen quälte ihn nicht, er empfand auch nicht, dass er etwas Verkehrtes getan hatte, und doch war er beunruhigt. Die Freude, die, wie er sich vorstellte, immer bei ihm bleiben würde, schien verschwunden zu sein. Er fragte sich selbst: ‚Was habe ich getan?‘ Zweifel schlichen sich ein. ‚Sicherlich habe ich etwas getan, sonst würde ich mich nicht so fühlen!‘, schloss er daraus. Die feste Gewissheit seiner Erlösung, die er solange besaß, schien zu schwinden. Er ging ins Gebet und gelobte Gott, dass er ihm treu sein wolle, bat ihn ernstlich, ihm zu helfen, ein wahrer Christ zu sein, und betete, bis die Freude in sein Herz zurückkam. Er wusste nun, dass er erlöst war, denn er bekam dieselbe Freude und dieselbe Gewissheit wie früher.

Bestürzt musste er jedoch feststellen, dass die freudigen Gefühle nicht lange währten. Als sie wieder verschwanden, entwich auch seine Zuversicht und seine Gewissheit gab Raum den Zweifeln. Je mehr er zweifelte, desto schlechter fühlte er sich. Schließlich kam es zu einem verzweifelten Ringen, unter dem er heftig litt. Nun wusste Howard, dass er etwas Verkehrtes getan hatte. Doch was es war, wusste er nicht. Als er auf sein Leben zurückschaute, konnte nichts Unrechtes finden. Aufrichtig versuchte er, das zu tun, was er tun sollte. Und doch war er sicher, dass er sich nicht so fühlen würde, wenn er nichts Verkehrtes getan hätte. Tagelang befand er sich nun in diesem unruhigen Zustand. In seiner Entmutigung sprach er manchmal nicht so freundlich und war auch nicht so geduldig wie zuvor. Unerwartete Versuchungen kamen über ihn. Dann suchte er Zuflucht bei Gott und betete, bis die Wolken von seinem Himmel verschwanden und er wieder einmal freudig wurde.

Diese Freude dauerte jedoch nur wenige Stunden, dann legte sie sich. So war er nach dem Gebet oft eine Zeit lang freudig; doch als diese Freude verging, kamen seine Zweifel zurück. So rang er etliche Monate lang und war ernstlich bemüht, das Rechte zu tun. Manchmal ging es einige Tage gut, dann bedeckten wieder Wolken seinen Himmel.

Während dieser Zeit besuchte Howard die Gottesdienste in Ridge. Der gegenwärtige Pastor dort war ein ernster Diener Gottes. Er war an diesem Ort neu und führte das Werk weiter, das nach der zweiten Reihe von Erweckungsversammlungen entstand, die auch Howard zur Bekehrung führten. Howard hörte ihn gerne predigen, weil er die Schrift gut erklärte, und er lernte durch seine Predigten vieles. Doch dieser Pastor unterließ es, wie viele andere, den Neubekehrten sehr notwendige Lehren über die praktischen Dinge zu erteilen, denen sie in ihrem Leben begegnen werden. Wahrscheinlich verstand er nicht, was Jesus meinte, als er sagte: ‚Weide meine Lämmer‘. Sicherlich dachte er, dass die Neubekehrten durch dieselben Predigten gedeihen würden, deren sich die alten und erfahrenen Christen erfreuten. Er versäumte es, die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass die Neubekehrten noch Säuglinge sind und einer entsprechenden Fürsorge bedürfen. Sie brauchen Speise, die für sie geeignet ist; Belehrungen, die ihnen helfen würden, den verwirrenden Schwierigkeiten zu begegnen, die in ihrem täglichen Leben auftreten; eine praktische Anleitung, die ihnen hilft, ihre Probleme zu lösen.

In den Predigten, die Howard in Ridge hörte, fand er keine solche notwendigen Belehrungen. So kämpfte er alleine weiter, ging auf einem unbekannten Weg, verstand seine Erfahrungen nicht und kämpfte eine Schlacht mit unbekannten Feinden. Obwohl der Sieg oft schon in Reichweite war, wurde er überwältigt, weil er nicht wusste, wie der Sieg zu erlangen war. Doch Howard beschloss fest, nicht aufzugeben. Wenn er entmutigt war und durch dunkle Zeiten ging, erinnerte er sich an die großen Schwierigkeiten, durch die er gegangen war, bevor er erlöst wurde. Immerhin hatte er in seinem christlichen Leben auch beträchtliche Enttäuschungen erlebt. Er machte eben dieselben Erfahrungen, die viele junge Christen schon machten, und vor denen er durch richtige Belehrung und Anleitung hätte bewahrt werden können.

Doch die Hilfe kam bald, so dass einige von Howards Schwierigkeiten auf eine einfache und unerwartete Weise gelöst wurden. Kurz nach Howards Bekehrung kam ein alter Bruder Namens Miles mit seiner Familie zu der Ortsgemeinde hinzu und ließ sich in der Nähe von Ridge nieder. Howard hörte sein Zeugnis während eines Gottesdienstes. Dieser Bruder schien so friedlich, fest, vertrauensvoll und in seinem christlichen Leben so erfolgreich zu sein, dass Howard sich sehnte, so zu werden, wie er. Bruder Miles beobachtete Howards Freudigkeit nach seiner Bekehrung und merkte, dass er schon seit einiger Zeit mal freudig und mal ganz niedergeschlagen war. An einem Sonntagmorgen, nachdem der Gottesdienst zu Ende war, rief er Howard beiseite und fragte ihn, wie es ihm ginge.

 „Nun, Bruder Miles“, antwortete Howard, „ich kann es kaum beschreiben. Manchmal denke ich, dass ich gut vorankomme, und ein anderes Mal scheint es, dass ich überhaupt keine Fortschritte mache.“

„Howard, komm heute zu mir nach Hause und lass uns darüber reden“, sagte Bruder Miles. Howard war über diese Gelegenheit sehr froh. Obwohl er sich nach Hilfe sehnte, zögerte er, wie die meisten Menschen es von Natur aus tun, mit jemandem über seine Schwierigkeiten zu sprechen. Gerade in der Zeit, wo sie Hilfe zur Lösung ihrer Schwierigkeiten suchen sollten, fühlen sie so etwas wie eine Scheu vor denen, die ihnen helfen könnten, obwohl sie wirklich froh sein würden, wenn sie Hilfe erhielten. Howard lernte, dass er viele Schwierigkeiten, durch die er gegangen war, hätte vermeiden können, wenn er früher zu diesem Freund gegangen wäre und ihm sein Herz ausgeschüttet hätte. An jenem Tag ging er zu Bruder Miles und nach dem Mittagessen hatten sie ein gutes und langes Gespräch. Howard öffnete ihm sein Herz und erzählte alles. Er war beschämt, dass es so weit gekommen war und verriet die Geheimnisse seines Herzens nur deswegen, weil er so dringend Hilfe brauchte.

Als er endete, sagte Bruder Miles: „Ja, Howard, ich kenne das. Solche Erfahrungen, die du machtest, haben schon Tausende gemacht. Ich möchte dir erklären, wo deine Schwierigkeit liegt. Einerseits waren all diese Schwierigkeiten unnötig, denn wenn du ihnen richtig begegnet wärest, hättest du sie leicht überwunden. Anderseits waren diese Dinge für dich sehr nötig, damit du einige notwendige Lektionen lernen konntest, die dir dein ganzes Leben hindurch nützlich sein werden und vielleicht auch für andere von Nutzen sein können“.

„Bruder Miles, ich verstehe nicht, wie daraus etwas Gutes entstehen kann“.

„Gutes entsteht aus allem, wenn wir ernstlich bemüht sind, Gottes Willen zu tun. Hast du nicht die Bibelstelle gelesen, wo es heißt, ‚dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen‘ (Röm. 8:28)?

„Ja, ich habe sie gelesen“, sagte Howard, „doch kann ich diese Bibelstelle nicht verstehen, auch nicht, wie aus meinen Problemen Gutes entstehen kann“.

 „Manchmal lernen wir am besten durch unsere Fehler“, sagte Bruder Miles, „und manchmal kommt das Verständnis am deutlichsten durch Missverständnisse hervor. Deine Schwierigkeit liegt darin, dass du Einiges missverstanden hast. Das erste Missverständnis bezieht sich auf Gott. Du hieltest Gott für einen harten Herrn und nicht für einen liebenden, freundlichen und mitleidsvollen Vater, der er ist. Du hattest das Gefühl, dass er dich verdammen würde, wenn du unwissentlich etwas Falsches tust. Du fühltest, dass Gott dich verdamme, und doch konntest du kein Unrecht finden, dass du getan hättest. Du liebtest Gott und doch hattest du noch ein wenig Angst vor ihm. Gott ist liebevoll, freundlich und gut. Er verlangt von uns nichts, das ihn unfreundlich, hartherzig oder ungerecht erscheinen lassen würde. Es wäre von Gott ungerecht gewesen, dich zu verdammen, wenn du kein bewusstes Unrecht tatest, sondern dein Bestes gabst, um ihm zu gefallen. Nicht Gott verdammte dich also, sondern du selbst. Du verstehst dich selbst nicht und richtest dich nach einem falschen Maßstab. Du denkst, dass du beinahe so schlecht empfunden und fast solche Zeiten erlebt hättest, wie vor deiner wirklichen Bekehrung. Doch du schaust die Dinge nur von einer Seite an. Du sagtest, dass du manchmal überhaupt kein Zeugnis deiner Bekehrung hattest, obwohl du dachtest, dass du es immer haben würdest. Dabei hast du nur einen Teil des Zeugnisses in Betracht gezogen und deine Gefühle untersucht. Wenn du dich gut fühltest, dann warst du sicher, dass du recht stehst; fühltest du dich dagegen schlecht, dann warst du sicher, dass etwas verkehrt ist.“

 „Du lebtest also von deinen Gefühlen und das Vertrauen in deine Erfahrung war von deinen Gefühlen abhängig. Doch unsere Gefühle können niemals ein sicherer Standpunkt sein, von dem aus wir unseren geistlichen Stand beurteilen können. Unsere Gefühle sind wie Meereswogen, die den Umständen entsprechend sich erheben oder sinken. Die Gefühle folgen sehr oft den äußeren Umständen. Du hast Unterschiede zwischen deinem gegenwärtigen und früheren Leben übersehen, die am meisten zählen. Schau auf deine veränderten Wünsche; auf deine veränderte Stellung Gott gegenüber; auf die anderen Beweggründe, aus denen du handelst und auf deine Stellung, die du Gott, seinem Volk und seiner Wahrheit gegenüber einnimmst. Denk an den Unterschied zwischen dem früheren Leben und dem jetzigen, das heißt, an dein Verhalten. Vergleiche die scheinbaren Mängel deines jetzigen Lebens mit den bekannten Mängeln des früheren – siehst du da nicht einen großen Unterschied?“

Howard dachte eine Weile gründlich nach und sagte: „Ja, Bruder Miles, in dieser Hinsicht gibt es in meinem Leben einen großen Unterschied.“

 „Diese Dinge“, sagte Bruder Miles, „machen den entscheidenden Unterschied zwischen einem Christen und einem Nichtchristen aus. Wenn du analysierst, worin deine Schwierigkeit liegt, wirst du feststellen, dass sie hauptsächlich in deinen Gefühlen liegt. Als du dein gegenwärtiges Leben mit dem früheren verglichen hast, übersahst du den großen Unterschied in deinem Verhalten, in deinen Beziehungen, in deiner Einstellung und in anderen ähnlichen Dingen. Doch gerade diese Dinge sind das Wesentliche in einem christlichen Leben. Ob du gute oder schlechte Gefühle hast, hat wenig zu sagen, wenn du im Wesentlichen recht stehst.“

„Aber“, sagte Howard, „wenn ich recht stehe, sollte ich da nicht immer angenehme Gefühle haben?“

Bruder Miles lächelte. „Deine Gefühle hängen manchmal von etwas ab, dem du wenig Beachtung schenkst. Hast du jemals in der Bibel gelesen, dass der Gerechte von seinen Gefühlen leben wird? Oder, ‚Wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind, denn wir fühlen uns freudig?‘ Nein, so etwas hast du noch niemals gelesen. Die Bibel sagt: ‚Der Gerechte aber wird aus Glauben leben‘ (Hebr. 10:38). Und, ‚Wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder‘ (1.Joh. 3:14). Glaube und Liebe sind das, was im Christentum am meisten zählt. Der Glaube hat eine viel sicherere Grundlage als unsere Gefühle, denn er gründet sich auf dem unwandelbaren Wort Gottes. Es steht geschrieben, dass ‚wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat dieses Zeugnis in sich‘ (1.Joh. 5:10); und: ‚Wir haben geglaubt und erkannt …‘ (Joh. 6:69). Das Wort Gottes verheißt: ‚Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.‘ (1.Joh. 1:7). Wenn du nun weißt, was dem Herrn wohlgefällig ist, und das auch tust, dann hast du auch das volle Recht zu glauben, dass das Blut Jesu dich jetzt von aller Sünde und der Schuld all deiner Übertretungen befreit, und dass du dann in seinen Augen rein bist.“

 „Dir ist es in etwa auf dieselbe Weise ergangen, wie auch vielen anderen Menschen. Als du an die Erlösung glaubtest, kam Freude in dein Herz. Und diese Freude hast du als einen Beweis deiner Erlösung angenommen, anstatt dafür das Wort Gottes und die grundlegende Veränderung, die in dir vorging, zu nehmen. Du kamst solange gut voran, bis deine Gefühle sich legten und dein Gemüt nicht mehr bewegt wurde. Mit anderen Worten, du hast etwas getan, was man am Anfang seines christlichen Lebens gewöhnlich tut. Deine Gefühlsregungen, die nicht immer so hoch steigen konnten wie am Anfang, wurden gelassener. Ein naturwissenschaftliches Gesetz besagt, dass es zu jeder Reaktion eine gleiche Gegenreaktion gibt. Wenn deine Gefühle angeregt und belebt werden, muss dieser Anregung notwendigerweise eine Reaktion in die entgegengesetzte Richtung folgen. In der geistlichen Welt gilt also dieses Naturgesetz genauso. Solch eine Rückwirkung dieses freudigen Zustands war zu erwarten. Deine Schwierigkeit lag darin, dass du nicht verstanden hast, wie man ihr begegnet, wenn sie kommt. Sobald deine Freude sich legte, fingst du an, nach den Ursachen zu fragen; und sobald du anfingst zu fragen, kamen Zweifel auf. Dann hast du den Zweifeln die Tür geöffnet und sie eingelassen. Als dies geschah, ver­schwand deine Gewissheit oder das innere Zeugnis der Erlösung. Dieses Zeugnis können wir nur dann haben, wenn wir Gott glauben; denn es gründet sich auf den Glauben. Wenn der Glaube nicht wirksam ist, verschwindet auch die Gewissheit. Dieser Gesetzmäßigkeit kann man nicht ausweichen.

Als das Zeugnis schwand, zweifeltest du noch mehr; je mehr du gezweifelt hast, umso schlechter fühltest du dich; und das hat dann wiederum noch mehr Zweifel hervorgebracht. Wenn du, als deine Freude sich legte, im Glauben standhaft geblieben wärest und dich verlassen hättest auf die Erlösung, die du von Gott bekamst, hättest du nicht gewankt. Du würdest wissen, dass du errettet bist, sowohl wenn du schlechte oder keine besonderen Gefühle hast, als auch wenn du freudig bist. Dein Glaube wäre nicht auf Gefühle gegründet, sondern auf etwas wirklich Zuverlässigem. Dann hätten die Schwankungen deiner Gefühle deine Heilsgewissheit nicht im Geringsten gestört. Du bist erlöst, wenn du gerecht lebst, Gott gehorsam bist, dich seinem Willen unterstellst und ihm vertraust. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, war es für dich also nicht nötig, durch solche Schwierigkeiten zu gehen.“

 „Wenn du lernst, auch dann, wenn du keine besonderen Gemütsbewegungen oder schlechte Gefühle hast, gerade so fest zu glauben, wie du es sonst tust, wirst du immer siegreich sein. An etwas solltest du dich immer erinnern, nämlich, dass Gott treu ist. Wenn du in deinem Christenleben etwas tust, das ihm missfällt, dann wird er es dich wissen lassen und es dir zeigen. Du wirst feststellen, dass Gott immer bereit ist zu helfen, damit du die richtige Stellung ihm gegenüber einnimmst und sie auch behältst.“

„Bruder Miles, sicherlich wird das, was du sagtest, für mich eine große Hilfe sein. Ich sehe jetzt, dass, wenn ich diese Dinge früher gewusst und danach gehandelt hätte, ich viele Schwierigkeiten und Leiden vermieden hätte.“

 „Ja“, sagte Bruder Miles, „das ist gewiss wahr. Dennoch wirst du durch deine Schwierigkeiten eine sehr wertvolle Lektion lernen. Du wirst noch feststellen, dass es nicht einfach ist, den schlechten Gefühlen keinen Glauben zu schenken. Und weil du so lange auf deine Gefühle gebaut hast, wird es für dich nicht leicht sein, damit aufzuhören. Aber du musst damit aufhören und daran denken, wie unzuverlässig unsere Gefühle sind, und deine Erlösung auf etwas gründen, das sicherer ist. Wenn du jedoch noch weitere Schwierigkeiten bekommst, dann zögere nicht zu mir zu kommen, damit wir darüber sprechen. Du kannst auch zu anderen erfahrenen Christen gehen und mit ihnen über deine Schwierigkeiten sprechen. Es gibt vieles, was erfahrene Christen wissen und das sie mühelos den jungen Christen mitteilen können, wenn sie die Not erkennen. Sprich also mit solchen Christen offen und frei, und sie werden dir helfen, viele Schwierigkeiten zu vermeiden. Denn ein Christ kann durch viele unnötige Schwierigkeiten im Leben gehen, wenn er nicht weiß, wie er ihnen zu begegnen hat. Die Hauptsache ist, aufrichtig und gewissenhaft vor Gott zu wandeln, indem du nach bestem Wissen das ihm Wohlgefällige tust und meidest, was ihm missfällt. Dann kannst du in voller Gewissheit des Glaubens auf den Verheißungen ruhen, dass er dich jeden Tag bewahren wird.