Unser Sohn beim Militär

„Jesus aber antwortete und sprach: Sind ihrer nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte und gäbe Gott die Ehre, denn dieser Fremdling?“ (Lk. 17,17-18).

In den 50er-Jahren zog man in der Sowjetunion wieder deutsche junge Männer zum Militärdienst ein. In jener Zeit musste man in den Landtruppen 3 Jahre und bei der Marine 4 Jahre dienen. Das war für unsere jungen Männer eine schwere Zeit. Wenn sie zum Militär mussten, gab es immer einen schmerzlichen Abschied. Der Kontakt konnte nur über den Briefwechsel erhalten werden. Es gab kaum Telefone und Urlaub erhielten sie nur in Ausnahmefällen, wenn sie zum Beispiel gute Leistungen erbracht hatten. Folglich gab es selten eine Möglichkeit, die Familie zu besuchen.

Auch unser Sohn musste zum Militär und wurde zu den Panzertruppen eingezogen. Dort wurde er zum Panzerführer ausgebildet. Er diente bereits im dritten Jahr, als wieder ein Manöver stattfand. Es war unter anderem ihre Aufgabe, die Kama (ein großer Nebenfluss der Wolga) mit den Panzern zu durchqueren. Der Panzer fährt dabei auf dem Boden des Flusses und ist zeitweise vollständig vom Wasser bedeckt. Als nun unser Sohn in seinem Panzer im Fluss nicht weit vom Ufer entfernt war, ging der Motor aus. Alle Bemühungen, ihn wieder anzulassen, halfen nicht. Als die Todesangst immer größer wurde und bei den Kameraden Panik aufkam, wollten sie die Luke öffnen, um sich auf diese Weise Hilfe zu verschaffen. Unser Sohn ließ das nicht zu, weil dadurch alle ertrunken wären. Da aber die Luft immer enger wurde und die Hoffnung auf Rettung von Minute zu Minute schwand, begann man nach Gottes Hilfe zu schreien. So betete jeder, wie er es verstand und es für gut hielt. Insgesamt muss sich die Zeit unter Wasser auf etwa 6 Stunden hingezogen haben.

Als die anderen Panzer, die am Manöver teilgenommen hatten, zusammenkamen, bemerkte man, dass ein Panzer fehlt. Unverzüglich begann man mit der Suche. Man befragte Hirten, die in der Nähe ihre Herden weideten, ob sie einen verirrten Panzer gesehen hätten. Da die Suche aber erfolglos blieb, gab es nur noch die Möglichkeit, im Wasser zu suchen. So kamen Taucher zum Einsatz. Zu aller Erstaunen wurde der Panzer bald gefunden und aus dem Wasser geborgen. An Land öffnete man die Luke und fand alle Insassen des Panzers bewusstlos. So wurde ein Soldat nach dem anderen aus dem Fahrzeug gehoben und auf den Boden gelegt. Erst als die verunglückten Soldaten von den medizinischen Ersthelfern versorgt wurden, kamen sie einer nach dem anderen wieder zu Bewusstsein. Den Soldaten aus dem Panzer waren die Haare weiß geworden, später fielen sie aus.

Als dann alles vorüber war, sprach man nur noch von einem weisen Einsatz und vom klugen und kühnen Handeln der Soldaten. Und niemand mehr hat an Gott und seine Hilfe gedacht.

Als unser Sohn uns dieses Erlebnis in einem Brief mitteilte und wir zurückdachten, wurde es uns zu etwas Besonderem. In dieser Nacht, in der unser Sohn in Gefahr war, erwachte meine Frau plötzlich und war sehr beunruhigt. Sie weckte mich und sagte, dass etwas passiert sein müsse oder noch passieren würde. Wir dachten über alles Mögliche in unserer Umgebung nach, fanden aber nichts Merkwürdiges. So kamen wir zu dem Entschluss, dass es etwas mit unserem Sohn in der Ferne zu tun haben müsse. An Schlaf war zunächst nicht mehr zu denken. So standen wir auf und beteten ernstlich zu Gott, dass er doch unseren Sohn bewahren oder, falls er in einer Gefahr wäre, ihm helfen möge. Wir waren umso mehr besorgt um unseren Sohn, weil er noch unerlöst war. So wünschten wir, dass Gott sich seiner erbarmen und ihn vor dem Tod im unerlösten Zustand bewahren möge.

Als er nun diesen Vorfall in seinem Brief beschrieb, die Gefahr, in der er schwebte, und die Rettung, so waren wir dem lieben Gott für seine wunderbare Hilfe sehr dankbar. Bei ihm ist doch kein Ding unmöglich.

Aber wo blieb der Dank für solch wunderbare Hilfe? Dieser Sohn hat sie nicht geschätzt. Er diente beim Militär in der Stadt Gorki und hat sich dort mit einem Mädchen aus der Welt bekannt gemacht. Alle unsere Bitten und Warnungen, er solle sie nicht nehmen, schlugen fehl. Als er aus dem Militärdienst entlassen wurde, heirateten die beiden. Doch leider ruhte der Segen Gottes nicht auf dieser Ehe. Er verstarb fern unserer Heimat in einem hoffnungslosen Zustand. Wie traurig ist es, wenn junge Leute alle guten Ratschläge und Warnungen der Eltern nicht ernst nehmen und das Gebot Gottes nicht achten: „Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat: auf dass dir‘s wohl gehe und du lange lebest auf Erden“ (Eph. 6,2-3).