Zungenreden und Selbsterbauung?

1. KORINTHER 14; 4 – 6

„Wer in einer Sprache redet erbauet sich selbst […] es sei denn, dass er es auch übersetzt.“

LEHRE DER CHARISMATIKER

In der charismatischen Bewegung wird dem Zungenreden eine Vielzahl von wunderbaren Wirkungen zugeschrieben [3, 13, 14]. Das Zungenreden soll eine tiefe und umwandelnde Wirkung auf das geistliche Leben haben. Es lade geistliche Batterien auf, man werde bereichert im Glauben, in der Vollmacht, im Frieden, in der Freude und im Segen.

Durch das Zungenreden sollen die Einfallstore des Teufels wie Süchte und dergleichen geschlossen werden. Gestaute Spannungen, Zorn, Groll, Bitterkeit, Rachegefühle, Belastungen usw. könne durch Zungenreden förmlich weggeschwemmt werden. Zungenreden sei eine wichtige Waffe in der „geistlichen Kriegsführung“ und man könne durch Zungenreden auch besonders wirksam Dämonen austreiben.

Außerdem sei das Zungengebet das „vollkommene Gebet“, weil es zu 100% vom heiligen Geist inspiriert sei, im Gegensatz zum gewöhnlichen Gebet in der eigenen Sprache. In Zungen könne man sich viel besser ausdrücken als in der eigenen Muttersprache. Im Zungenreden erreiche die Anbetung ihren Höhepunkt. Weil der Verstand beim Beten ausgeschaltet werde, könne man mit Gott auf einer höheren Ebene kommunizieren. Das alles wird begründet mit 1. Kor. 14; 4.

LEHRE DER SCHRIFT

Die Wunderwirkungen des Zungenredens sind reines Wunschdenken und haben nichts mit der Lehre der Schrift zu tun, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Ursprung der Sprachen

Wie wir schon betrachtet haben, sind unsere Sprachen bereits göttlichen Ursprungs und von göttlicher Qualität. Es besteht nicht die geringste Notwendigkeit nach einer noch höheren Sprachqualität zu suchen, um alle unsere Anliegen auszudrücken.

2. Textzusammenhang 1. Kor. 14; 4–6

Es ist nicht das Sprachenreden an sich, das erbaut: Der Sprachenredner wurde erbaut; Der Zuhörer, der nichts verstand, wurde nicht erbaut; Der Zuhörer, der alles verstand, wurde wieder erbaut.

Schlussfolgerung 1: Es ist nicht das übernatürliche Phänomen an sich, das erbaut, sondern der Inhalt dessen, was gesagt wird. Sonst würde der Zuhörer, der nichts verstand auch erbaut worden sein. Wurde er aber nicht. Das änderte sich aber schlagartig, als er durch Übersetzung den Inhalt verstand. Der Inhalt des Gesagten erbaut!

Schlussfolgerung 2: Nachdem der Inhalt des Gesagten erbaut und nicht das Phänomen des Sprachenredens an sich, ist auch völlig klar, dass Sprachenredner ganz genau wusste, was er betete.

Der Sprachenredner wird durch das, was er sagt, selbst erbaut, auch dann, wenn keiner etwas versteht. Allerdings hätte er diese Erbauung ebenso erfahren, wenn er in seiner Muttersprache gebetet, gelobt oder gedankt hätte. Denn aus allen Schriftstellen geht hervor, dass es nicht das übernatürliche Phänomen an sich ist, das erbaut, sondern der Inhalt dessen, was gesagt wird.

Der biblische Sprachenredner betet zu Gott (V. 2), d.h. auch er betet bewusst und zielgerichtet (Apg. 12; 5). Dieser Grundsatz ist auch im ersten und größten Gebot enthalten: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken“ (Matth. 22;37). Der charismatische Zungenredner kann darum nicht biblisch erbaut werden. Denn er redet, ohne zu denken und versetzt sich damit selbst in eine Lage, wo es ihm gar nicht mehr möglich ist, Gott mit seinem ganzen Denken zu lieben. Vielmehr zerstört er die Schutztür „Verstand“, die für ihn wichtig gewesen wäre. Dennoch behaupten Zungenredner oft, sich Gott nahe zu fühlen. Dies hat aber nichts mit wirklicher Erbauung zu tun, sondern ist auf ganz andere Ursachen zurückzuführen, wie wir später noch sehen werden.

Das ganze Kapitel 14 gibt, nüchtern betrachtet, keinen Hinweis auf die wundersamen Wirkungen des Zungenredens. Sie ist und bleibt eine der geringsten Gaben.

3. Verteilung der Gaben, nicht an alle

Röm. 12; 6: wir haben aber verschiedene Gnadengaben gemäß der uns verliehenen Gnade; wenn wir Weissagung haben, [so sei sie] in Übereinstimmung mit dem Glauben […]

Gott gibt seine Gaben zum allgemeinen Nutzen. Nach 1. Kor. 12; 11 und Röm. 12; 6 gilt außerdem, dass er längst nicht jedem jede Gabe austeilt, sondern er teilt jedem persönlich zu, wie er will. Auch die Sprachengabe wird nicht an alle verteilt, sondern nur, wem der heilige Geist sie geben will. Das steht im völligen Gegensatz zu der Idee der wunderbaren persönlichen Erbauung durch die Sprachengabe. Denn wenn diese Gabe zur persönlichen Erbauung wichtig wäre, dann müsste sie für uns alle zugänglich sein, weil wir alle geistliche Erbauung brauchen. Sie ist gemäß der Bibel aber eben nicht für alle vorgesehen! Das steht auch im vollen Einklang mit Markus 16; 17, nach der das Zeichen des Zungenredens die begleiten wird, die gläubig geworden sind.

V. 17: Diese Zeichen aber werden die begleiten, die gläubig geworden sind: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden, 18 Schlangen werden sie aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nichts schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.“

„Begleiten“ wird von vielen Charismatikern auch im Zusammenhang mit dem Zungenreden als „jeder muss es haben“ gedeutet, was der Text gar nicht aussagt. Wer „begleiten“ so deutet, muss sich auch in einen Raum voller Klapperschlangen noch pudelwohl fühlen können (siehe genau Vers 17 ). Der Text sagt etwas ganz anderes: Das Zeichen hat die Gläubigen begleitet, indem Gott es einzelnen aus der Gemeinde gab. Dadurch begleitete es die Gläubigen, obwohl keineswegs jeder diese Gabe hatte. So war die Praxis in der NT Gemeinde. Diese Praxis entspricht nicht dem Wunschdenken der Charismatiker, nach der jeder in Zungen reden können sollte. Aber dafür war diese Praxis durch und durch echt und keine Fälschung, auch hier im völligen Gegensatz zum Zungenreden der Charismatiker. Abgesehen davon spricht Markus 16 klar im Missionskontext, weit entfernt von einer Selbsterbauung für sich selbst.

4. Gaben dienen zum allgemeinen Nutzen

1. Kor. 12, 4–7 (Bruns): „Gewiss gibt es verschiedene Geistesgaben, aber es ist immer ein und derselbe Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber es ist immer derselbe Herr. Es gibt verschiedene Kraftwirkungen, aber es ist immer derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Jedem wird die Offenbarung des Geistes nur zum Besten des Ganzen zuteil“.

Gott gibt seine Gaben zum Nutzen anderer, nicht zum Nutzen oder zur Erbauung dessen, dem die Gabe gegeben wurde. Das Auge sieht in erster Linie für den ganzen Körper und der Fuß bewegt nicht nur sich selbst, sondern den ganzen Körper. Die Gabe der Lehre ist nicht dazu da, sich selbst zu lehren, die Gabe der Heilung nicht dazu, sich selbst zu heilen, der Evangelist predigt das Evangelium nicht sich selbst und die Propheten der Bibel erhielten ihre Prophezeiungen in erster Linie für andere und zum weitergeben. Bei der Ausübung der Gabe wird der betreffende Diener sicher auch selbst erbaut, aber das ist nicht der eigentliche Zweck der Gabe, sondern eine erfreuliche Begleiterscheinung. Der Gebrauch einer Gabe, die zum Dienst am Nächsten gegeben ist, für sich selbst zu nutzen, lässt sich von der Schrift her nicht rechtfertigen. Das Zeichen ist dazu gegeben, am Empfänger zu wirken, nicht am Sender. Darum lehrt die Bibel auch keine Verwendung des Sprachenredens zur Selbsterbauung [3, 15].

5. Die Lehre der ganzen Schrift

In der Bibel sind viele Gebete aufgezeichnet und festgehalten worden. In dem AT, in den Evangelien, in der Apostelgeschichte und in den Lehrbriefen. Alle diese Gebete waren so, wie wir es seit jeher aus Gottes Wort kennen und wie wir es auch vom Herrn selbst gelernt haben: In klarer menschlicher Sprache haben die Beter ihre Anliegen vor Gott ausgebreitet.

Dabei ist den Betern in ihren Gebeten alles an Erhörung, Erbauung, Segen und göttlicher Hilfe zuteil geworden, was man sich nur denken kann. Nirgends findet sich der leiseste Hinweis dafür, dass ihren Gebeten noch etwas ganz Besonderes fehlen könnte. Die Lehre, dass ihr Gebet noch vollkommener gemacht werden könnte, durch ein wie auch immer geartetes Zungenreden, entbehrt jeder biblischen Grundlage. Wenn das Zungenbeten uns wirklich als wichtiges Mittel zur Erbauung gegeben wäre, wenn die Erbauung nicht nur eine Begleiterscheinung gewesen wäre, die der Sprachenredner auch dann bekommen hätte, wenn er in seiner Muttersprache gebetet oder gedankt hätte, dann wären die Lehrbriefe voll von Hinweisen auf das Zungenreden. Sind sie aber nicht, im völligen Gegenteil.

Außer im ersten Korintherbrief wird es nirgends in den Lehrbriefen erwähnt. Auch im Korintherbrief selbst steht es im hauptsächlich deshalb, weil die Korinther zwei Dinge nicht verstanden haben, nämlich dass die Sprachenrede eine der geringsten Gaben ist und die Sprachenrede nur dann Wert und Sinn hat, wenn sie bestimmungsgemäß verwendet wird (öffentliches Gebet/Lobpreis oder Danksagung mit Übersetzung und/oder Fremdsprachenkenntnisse). Es gibt absolut kein neutestamentliches Beispiel für die moderne charismatische Praxis, sinnlos in den Wind zu reden, auch nicht daheim für sich selbst [5].

Im völligen Gegensatz dazu sind die Lehrbriefe aber voller Hinweise auf wirkliche Mittel der Erbauung; wie z.B. das Gebet und das Wort Gottes.

6. Jesus Christus (wichtigstes)

Er wurde versucht wie wir (Hebr. 4; 15) und er brauchte Stärkung im Gebet wie wir. Jesus hat nie in unverständlichen „Zungen“ gebetet, weder in Gethsemane noch sonst irgendwann. Immer war sein Gebet klar, verständlich, vollmächtig und voller Inhalt für die Zuhörer. Auch in Bezug auf das charismatische Zungenbeten gilt der Ausspruch des Paulus: “Ihr habt Christus nicht so kennen gelernt“ (Eph. 4; 20).

Der Einwand vieler Charismatiker, dass Jesus nicht in Zungen redete, weil er vollkommen war und dies daher nicht brauchte, ist ein weiterer Versuch, eine gefälschte Gabe zu rechtfertigen. Denn jeder weiß, dass Jesus auch das Gebet suchte und brauchte, obwohl er vollkommen war.

1. Kor. 14; 4! Lasst uns aus diesem Kapitel auch lernen, was typisch für Irrlehren ist [16]: Ein einziger Satz, wird in seinem ursprünglichen Sinn völlig verdreht und daraus wird Fundament gelegt für eine Fülle von Behauptungen, die nirgends in der Bibel belegt sind.

Alle Herleitungen über die Wunderwirkungen des Zungenredens stehen völlig neben der Schrift.