8. Konflikte mit dem Riesen Fehler

Frage: Ich mache so viele Fehler und komme mir wie ein Bündel Widersprüche vor. Wohl versuche ich, das Beste zu tun; aber manchmal sind meine Anstrengungen so ungehobelt, dass sie mehr zu schaden als zu nützen scheinen. Was soll ich nur tun? Obwohl ich immer versuche, keine Fehler zu machen, mache ich sie doch. Es scheint mir, dass ich nicht geheiligt bin; denn sonst würde ich doch vollkommener sein. Gebietet uns nicht die Schrift, vollkommen zu sein, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist? Ich bin nicht vollkommen, ja, weit davon entfernt. Ich muss doch furchtbar unvollkommen sein. Darf ich noch glauben, dass ich geheiligt bin? Könnt ihr mir helfen?

Antwort: Lasst uns heute einige der Pioniere Kanaans besuchen und sie bitten, uns etwas von ihren Erfahrungen zu berichten. Wir wollen sehen, ob Bruder Treu zu Hause ist. Er hat in einem der prächtigsten Täler sein Besitztum, wo die herrlichsten Blumen blühen und die lieblichsten Früchte gedeihen – ganz dazu angetan, ihn zu einem der glücklichsten Bürger des Landes zu machen. Ich bin mir gewiss, dass er uns gern eine Geschichte erzählen wird.

Schon sind wir nahe an seiner Wohnung. O sieh nur den Garten an! Wie ein Garten des Herrn! Sieh, er ist nicht ganz quadratisch, sondern etwas länger als breit, und ist mit einer Reihe von schützenden Sträuchern, Gnade genannt, umzäunt. Das Hauptmerkmal des Gartens ist die weiße Lilie, genannt Liebe. Man merkt, dass dieser Pflanze außergewöhnlich viel Sorgfalt zugewandt worden ist. Sieh, wie sie sich so hoch über die anderen erhebt und ist doch so überaus demütig. Ihr Duft ist weit und breit wahrzunehmen. Erwacht in dir nicht der Wunsch, unter ihren herrlichen Blüten zu sitzen und ihren köstlichen Duft zu genießen? Links von der Liebe sehen wir eine Anzahl anderer verschiedener Blumen. Die große cremefarbene Blume heißt Geduld. Jene purpurne wird Freude genannt. Und diese mit den breiten herabhängenden weißen Blättern ist die Demut. Der süße Duft, den du allerwärts wahrnimmst, kommt von der Demut. Diese rosafarbene Blüte rechts ist der Friede und hat auch einen wunderbar lieblichen Duft. Die nächste neben ihr ist der Glaube. Sieh, welch eine starke Pflanze! Beachte die Blüte; hat sie nicht eine reingoldene Farbe? Aber sie hat keinen wahrnehmbaren Duft. Jene Blume dort mit den verschiedensten und prächtigen Farben wird Güte genannt. Kein Wunder, dass Bruder Treu als Besitzer solch eines Gartens so glücklich und heiter ist (Gal. 5:22).

Doch, still! Treu liegt dort auf seinen Knien und betet zu dem Allmächtigen. Welch einen ruhigen, sicheren und erhabenen Gesichtsausdruck er hat! Komm, er steht auf.

– Guten Morgen, Bruder Treu!

– Guten Morgen, Pilger. Der Segen des Herrn sei mit euch! Womit kann ich euch dienen?

– Wir sind Pilger in Kanaan und haben erst kürzlich über den Jordan gegangen. Wir suchen ein Heim. Aber wir haben von den Riesen gehört und sahen auch einen nicht weit von hier. Wir fürchten uns ein wenig und dachten, du könntest uns wahrscheinlich sagen, wie wir am besten diese Riesen überwinden. Willst du?

– Mit dem größten Vergnügen. Es ist mir immer eine große Freude, wenn ich Pilgern den Umgang mit den geistlichen Waffen lehren und ihnen sagen kann, wie man die Enakiter Kanaans überwindet (2.Kor. 10:4).

Einer der ersten Riesen, dem ich in Kanaan begegnete, war Fehler, ein großer und außerordentlich gelenkiger Kerl, der, wie ich festgestellt habe, mächtig herumtobt und prahlt, aber schwach ist wie ein Zwerg. Er ist in Wirklichkeit kein Enakiter, sondern einer der Gibeoniter, die uns feind sind, bis wir sie gefangen genommen haben. Dann werden sie für uns Holzhauer und Wasserträger, also unsere Diener (Jos. 9:21). Aber zuerst maßt sich Fehler die ganze Stellung und Charakteristik eines wahren Riesen an.

Nicht lange, nachdem ich über den Jordan ging, traf ich ihn. Er überrumpelte mich, so dass ich dachte, meine Tage in Kanaan seien gezählt. Kurz nachdem ich ein paar Fehler begangen oder etwas Taktloses gesagt hatte, belästigte mich dieser Riese Fehler und machte mir unsagbare Schwierigkeiten. Einmal stand ein Pilger mit Namen Langsam am Weg. Als ich an ihm vorbeiging, war ich nicht so rücksichtsvoll, wie ich es hätte sein sollen, stieß ihn an und hätte ihn beinahe vom Weg heruntergestoßen. Armer Pilger! Er fing an zu weinen und sagte, er sei wie zuschanden geworden, und glaube, wenn das die Art und Weise sei, wie Pilger einander behandeln, so möchte er lieber nach Ägypten zurückkehren. Das machte mich natürlich sehr traurig. Ich ging zu ihm zurück und entschuldigte mich so gut ich konnte, aber das war ein schlechter Trost für ihn. Ich ging weiter, und siehe, da kam der Riese Fehler daher! Er erfasste mich und gab mir eine gehörige Tracht Prügel für das, was ich tat (1.Petr. 2:20).

Doch der Riese Fehler machte mir nicht so viel Schwierigkeiten wie der Riese Entmutiger. Dieser Riese Entmutiger ist ein wahrer Riese, ein echter Enakiter, und gewöhnlich begleitet er den Riesen Fehler. So geschah es jedes Mal, dass, wenn ich Fehler traf, der Riese Entmutiger mit ihm war. Der Riese Entmutiger schlug mich unbarmherzig beinahe jedes Mal, wenn ich Fehler begegnete. Er peitschte mich fürchterlich und warf mich dann zerschlagen und blutend zu Boden, dass ich fast wünschte, tot zu sein (1.Kön. 19:9-18). Fehler und Entmutiger schlugen mich nur dann, wenn ich einen Fehler gemacht hatte. Aber da dies fast jeden Tag vorkam, wurde mein Leben ein sehr elendes. Ich war nahe daran zu glauben, dass das Land Kanaan all seine Milch und all seinen Honig verloren habe; denn davon hatte ich bis dort nicht viel gefunden.

Es kam so weit, dass ich das Erscheinen dieser Riesen oft schon im voraus ahnte, und sie bestätigten meine Vorahnungen immer. Der Riese Entmutiger gab mir alle Arten von Namen, wie „Sünder“, „ganzer Fehlschlag“, „Tunichtgut“, „Schwächling“, „Feigling“. Dann sagte er mir: „Du hast keinen Glauben. Du wirst nie ein Heim in Kanaan gewinnen, und du wirst schließlich herausgeworfen“, und noch viele ähnliche Dinge warf er mir an den Kopf.

Als ich mich in meinem schlimmsten Kampf mit Fehler und Entmutiger befand, kam der alte Riese Verzweiflung, um mir einen Besuch abzustatten (1.Kön. 19:4). Er gab vor, dass er auf Grund meiner wiederholten Fehlschläge ein Recht habe, von meiner Seele Besitz zu ergreifen und sagte, dass er mich in seinen Kerker werfen und dort zu Tode schlagen werde, wie er es mit Bunyan’s Pilger Christ fast getan hatte. Das erschreckte mich fast bis zum Tod.

Als sich dieser Kampf aufs Äußerste steigerte, erschien eines Tages ein Engel Immanuels mit Namen Helfer-in-Not.

– Ich will dich lehren, wie du den Riesen Fehler zähmen und den Riesen Entmutiger in die Flucht schlagen kannst, – sagte er mir.

– O ja, sage es mir! – schrie ich.

– Nun, hier ist dein Schild des Glaubens. Nimm ihn und halte ihn hoch. Höre auf, ihn hinter dir im Schmutz herumzuziehen. Hier ist dein Schwert des Geistes; nimm es in deine rechte Hand und gebrauche es. Dazu ist es da. Es dient weder zum bloßen Schmuck, noch als bloßes Anhängsel, zu dem du es gemacht hast. Gebrauche es! Ziehe den Gürtel der Wahrheit ein oder zwei Löcher weiter zu, schnüre deine Evangeliumsschuhe fester, drücke dir den Helm des Heils auf die Stirn. Und wenn die Riesen kommen, kämpfe! (Eph. 6:10-17; 2.Kor. 7:5-7; 6:3-10).

– Und ferner, was den Riesen Fehler anbelangt, – sagte der Engel weiter, – ist er kein wahrer Riese. In seinen Adern fließt kein Enakiterblut. Er ist ein Gibeoniter. Du musst ihn nur überwinden, und er wird dein Diener sein. Du kannst ihn nicht ganz loswerden, sogar in Kanaan nicht; aber durch geschickte Behandlung kann er dir dienstbar sein (Hebr. 12:5-11). Aber den Riesen Entmutiger musst du besiegen; denn er hat schon manchen armen Pilger erschlagen und wartet nur darauf, dass er auch dich erschlage.

Ich dankte Immanuel für die Sendung des Engels Helfer-in-Not, der mich auf das Geheimnis der Kriegsführung aufmerksam machte und mich lehrte, wie man mit Fehler und Entmutiger umzugehen hat. Wie er mich belehrte, so fand ich es auch bestätigt. Ich machte meine Fehler wie gewöhnlich, und Fehler und Entmutiger kamen, um über mich wieder herzufallen. Fehler ließ ich unbeachtet, ergriff aber mein Schwert, hielt den Schild des Glaubens hoch, machte mich an den Entmutiger heran und versetzte ihm einen kräftigen Schlag auf den Kopf. Entmutiger forderte mich noch weiter heraus und überschüttete mich mit schmählichen Worten. Ich aber ließ die Schwertschläge so oft, wie ich nur konnte, auf ihn niederfallen. Gar bald trat er mit großem Lärm seinen Rückzug an und stürzte sich in eine tiefe Schlucht, wo er, wie man sagt, zu Hause ist. Als ich um mich schaute, war Fehler ungefähr bis zur Hälfte seiner früheren Größe zusammengeschrumpft.

– Du kommst mit mir, – sagte ich zu ihm, – ich kann ohne dich nicht sein; aber du musst dich von jetzt an gut aufführen.

– Ich will, – sagte er, und er hat es auch seither getan.

Die Geschichte des Bruders Treu gibt uns Mut, nicht wahr?

 

Heiligung reinigt die Beweggründe und macht die Quelle der Triebe und Handlungen rein. Doch sie gibt uns weder die Reife des Urteils, noch macht sie unsren Verstand vollkommen. Wenn eine unkundige Person geheiligt wird, so wird sie zwar in Bezug auf das, was recht und unrecht ist, scharfe und klare Begriffe haben, aber im allgemeinen noch ebenso unkundig sein wie zuvor.

Heiligung meint nicht, dass eine geheiligte Person etwa nicht mehr nötig hätte, zu forschen und in der Erkenntnis zuzunehmen (2.Petr. 1:5-9). Obwohl geheiligt, sind wir doch noch menschliche Wesen und müssen genau wie die andern unseren gesunden Verstand gebrauchen. Heiligung betrifft hauptsächlich das Herz. Ihre Aufgabe ist, das Böse, die Erbsünde, aus dem Herzen herauszunehmen und es heilig und rein zu machen. Auch schließt sie ein die Erfüllung mit dem Geiste Gottes, der nach der Heiligung unsre Natur durchdringt, wie es vorher die Sünde tat. Aber Heiligung beseitigt nicht das Menschliche unsrer Natur.

Fehler sind daher das Teil aller: der Sünder, der Gerechtfertigten und der Geheiligten. Wir sind nicht nur fähig Fehler zu machen, sondern wir können uns in unsrer irdischen Existenz von ihnen nie ganz trennen. Wenn jemand in Erfahrung, Erkenntnis und Reife des Urteils zunimmt, mag er weniger Fehler machen. Niemand auf Erden aber darf erwarten, von ihnen vollkommen frei zu werden.

Lasst uns einige Beispiele anführen. Ein junger Christ hatte einen Vater, der ein Trinker war. Eines Tages sah ein anderer Christ diesen christlichen jungen Mann in ein Wirtshaus gehen. Er erzählte es überall herum, dass er diesen Bruder in ein Wirtshaus gehen sah. Der junge Bruder muss abtrünnig geworden sein, war sogleich die Schlussfolgerung; und so wurde es weitererzählt. Aber der junge Mann war ins Wirtshaus gegangen, um seinen Vater zu bewegen, nach Hause zu kommen – eine sehr edle Tat. Die Geschichte aber, die von dem jungen Mann erzählt wurde, war sehr nachteilig und schädlich. War es nicht ein Fehler, die Vermutung herumzutragen, dass er abtrünnig geworden sei, ohne sich erst der Sache zu vergewissern?

Eine Mutter hat drei Kinder. Eins davon kommt hereingerannt und schreit aus Leibeskräften: „Erwin hat mich mit einem Stock geschlagen!“ Die Mutter ruft Erwin und straft ihn dafür, dass er seine Schwester mit einem Stock geschlagen hat. Nach und nach erfährt die Mutter, dass nicht Erwin, sondern ein Spielkamerad es getan hat. Ein Fehler war begangen.

Manchmal hört jemand etwas Nachteiliges über den Charakter eines anderen. Aufgrund dessen mag der andere sich zu dem Betreffenden eigenartig verhalten. Nach und nach stellt es sich vielleicht heraus, dass der erste Bericht nicht ganz auf Tatsachen beruht. Nun bereut es der erste, sich so verhalten zu haben. Der Fehler aber ist gemacht.

Fehler werden auf allen Lebensgebieten begangen: im Geistigen, im Geistlichen und im Irdischen; daheim, in der Schule, im Labor; in der Werkstatt, im Geschäft und in der Regierung. Es ist einfach unmöglich, immer zu wissen, was man tun oder sagen soll. Fehler kommen mehr oder weniger zu jeder Zeit vor. Vieles, was wir heute wissen, haben wir aus unseren Fehlern gelernt. Ein Landwirt schreitet zum Erfolg, indem er die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt. Ein Fabrikant wird erfolgreich, indem er die Mängel seiner Waren beseitigt. So ist es auf jedem Lebensgebiet.

Zur Reife gelangt man nur durch Erfahrung, die man nur mit der Zeit sammeln kann. Daher haben die geheiligten Leute genau so aus ihren Fehlern zu lernen wie alle andern; und durch Wachsamkeit und sorgfältige Beobachtung sind sie in der Lage, viele Fehler auszumerzen und ein glücklicheres Leben zu führen.

Unser himmlischer Vater kennt unsre Unvollkommenheiten, und Er wird uns wegen unsrer Fehler nicht verstoßen. Betrachte Fehler nicht als Sünden. Für manche deiner Fehler magst du wohl um Vergebung bitten, und zwar sowohl Gott als auch Menschen. Aber gestatte der Entmutigung keinesfalls, Raum zu gewinnen. Sei mit deinen Fehlern oder trotz deiner Fehler glücklich.

Es gib ein eigenartiges, aber natürliches Gesetz des menschlichen Gemüts, das wie folgt wirkt: Machst du einen Fehler und bist darüber beunruhigt, brütest darüber und fürchtest dich, wieder einen ähnlichen Fehler zu begehen, so bist du fähig, denselben Fehler wieder und wieder zu begehen, so oft du dich davor fürchtest. Auf irgendeine Weise wird dieser Fehler durch dein Nachgrübeln zur Wiederkehr eingeladen. Durch deine Furcht und dein Nachgrübeln entsteht eine gewisse Anziehung für Fehler. Obwohl du die Fehler verabscheust, werden sie dir wieder ankleben. Wenn aber jemand einen Fehler begeht und ihn sogleich vergisst, nachdem er, wenn es nötig war, um Vergebung gebeten hat, und geht ruhig und getrost weiter, als habe sich gar nichts Ungewöhnliches zugetragen, wird feststellen, dass er denselben Fehler kaum noch einmal begehen wird.

Hier ist für diejenigen, die erst nicht lange geheiligt wurden, ein Geheimnis verborgen. Du wirst Fehler begehen; aber lerne, sie völlig zu bekennen, und nachdem du dies getan hast, denke darüber überhaupt nicht mehr nach. Überlasse dich und auch den Fehler Gott.

Die Unvollkommenheit des menschlichen Wesens ist eine fruchtbare Quelle der Fehler. Da ist jemand so langsam, dass er fast jedem, der mit ihm umzugehen hat, Versuchung bereitet, während ein zweiter durch sein flottes Wesen fortgesetzt die Gefühle der anderen verletzt. Einer ist von Natur so ungeduldig, dass er manchmal seine Mitmenschen dadurch stößt und verwundet. Die Absichten solcher Personen werden oft missverstanden, und aus den Missverständnissen entspringen Fehler. Indem wir meinen, gewisse Dinge seien aus bestimmten Zwecken getan oder gesagt worden, sagen oder tun wir auch gewisse Dinge. Und nachher finden wir aus, dass ein anderes Verhalten weiser und besser gewesen wäre.

Darum, liebe ängstliche Seele, erwarte nicht, vollkommen den Fehlern zu entrinnen. Ziehe aus denen, die du begehst, Nutzen. Verwende sie als Stufen zu einer besseren Erfahrung. Bleibe geweiht, behalte deinen Glauben ungetrübt und lass dich selbst und alle deine Fehler Gott übergeben sein. Heiligung macht uns rein; aber Zeit und Erfahrung ist nötig, uns zur Reife zu bringen.