Dein Wille geschehe!

Eines Tages veranlasste mich mein Kompanieführer zu einer Notlüge. An unbedingten Gehorsam gegenüber dem Vorgesetzten gewöhnt, sprach ich unbedacht die befohlene Lüge aus. Bald mahnte mich die sanfte Stimme des Geistes Gottes und eine tiefe Traurigkeit erfüllte mein Herz. Sollte ich nicht Gott mehr gehorchen als Menschen und sollte ich den betrüben, der mir Tag für Tag eine Fülle von Wohltaten erwies? In ernstem Gebet rang ich vor meinem Gott und trat bei der nächsten Gelegenheit freimütig vor meinen Vorgesetzten, um ihm meine Stellungnahme gegenüber solcher Notlügen zu bekennen. Mein Kompanieführer war von meinem Bekenntnis sichtlich bewegt und befahl, um seinetwillen nie mehr zu lügen. Ja, ich sollte sogar meinen Kameraden sagen, dass sie nicht lügen oder sich einer unehrenhaften Handlung schuldig machen sollten um seinetwillen. Wie jubelte mein Herz, dass diese Sache nun wieder vor Gott und vor Menschen ins Reine gekommen war. Obwohl ich fürchtete, durch mein Bekenntnis meinen Posten zu verlieren, war ich doch willig, alles auf mich zu nehmen, um nur den Frieden Gottes in meiner Seele zu behalten.

In dieser Zeit erreichte mich die Nachricht, dass zwei mir gut bekannte Brüder und Freunde in Christus gefallen waren. Mit einem von ihnen hatte ich noch vor kurzem ein Wiedersehen. Er war in Garnison und wurde fürs Feld ausgebildet. Als ich kam, holte er rasch ein Essgeschirr voll Speckerbsen, damit ich etwas Kräftiges zu essen hätte, und dann sprachen wir von den wunderbaren Führungen Gottes. Auch er hatte eine herrliche Gebetserhörung erfahren, indem ihm seine gestohlenen Stiefel, die ihm gut passten, wieder zurückgebracht wurden. Unsere Unterhaltung diente uns zur großen Ermutigung. Wir versprachen, füreinander zu beten und Gott treu zu sein um jeden Preis. Mit einem herzlichen „Auf Wiedersehn!“ schieden wir.

Doch Gottes Ratschluss war anders. Der Gedanke, dass Gott diese Treuen nicht vor dem Soldatentod bewahrt hat, bewegte meine Seele aufs tiefste. Ich suchte ein einsames Plätzchen, um dort zu weinen und zu beten. Ich prüfte mich, ob auch ich bereit war, vor Gott zu erscheinen und willig diese Welt zu verlassen. Der Gedanke, meine liebe Frau und meine kleinen Kinder dranzugeben, war mir furchtbar. Gleichzeitig fühlte ich, dass ich in diesem Zustand nicht bleiben konnte, ohne Gott zu betrüben. Ich betete ernstlich und es kostete mich ein heftiges Ringen, bis ich völlig ergeben von Herzen sagen konnte: „Dein Wille, o Gott geschehe!“ Es zog ein tiefer Friede und eine heilige Freude in mein Herz hinein, als ich allem abgesagt hatte, was ich besaß und liebte. Noch an demselben Abend konnte ich meine Übergabe prüfen. Wir mussten die sogenannten Spanischen Reiter (bewegliche Stacheldraht-Barriere (Anm. d. Red.)) nach vorne transportieren, als plötzlich heftiges feindliches Maschinengewehrfeuer einsetzte. Alle warfen sich rasch auf die Erde, um sich vor den tödlichen Geschossen zu schützen. Ich blieb stehen, breitete meine Arme aus und rief: „Hier bin ich, o Gott, wenn du jetzt meine Seele von mir forderst!“ Aber Gott wollte nicht mein Leben, er wollte nur meinen ergebenen Willen. Heil durfte ich wieder zurückkehren.