Heitere Zwischenfälle

Neben manchen aufregenden, gefahrvollen Tagen gab es in diesem Stellungskrieg auch manchmal heitere Stunden, in denen die Soldaten gern ihr trauriges Geschick vergaßen. Unser Regiment hatte aus den verschiedenen Berufs- und Privatmusikern die besten Spieler herausgeholt und eine gute Musikkapelle zusammengestellt. Oft, wenn wir nach anhaltendem Trommelfeuer (anhaltendes, heftiges Artilleriefeuer (Anm. d. Red.)), das eine so zermürbende Wirkung auf Kopf und Nerven hatte, in die rückwärtigen Ruhestellungen kamen, erfreuten uns die ernsten oder heiteren Weisen dieser Kapelle wie Klänge aus einer anderen Welt.

In meiner Kompanie gab es Leute aus allen Ständen und aus allen Gegenden, gebildete und ungebildete, reiche und arme, der heitere Rheinländer neben dem schwerfälligen Norddeutschen, gemütliche Sachsen und witzige Berliner. Das Zusammenleben mit all diesen Menschen, doppelt zusammengeschmiedet durch das gleich Los, durch die stete Lebensgefahr, war ein interessantes und kameradschaftliches. Unter uns war auch ein passionierter Wilderer, der einmal Anlass zu einem heiteren Erlebnis gab.

Wir lagen mitten im Wald in Stellung und er erzählte uns immer wieder, dass er hier Gelegenheit hätte, uns einen schönen Kaninchenbraten zu verschaffen. Bei der schmalen, einfachen Soldatenkost hätte uns ein solcher Braten gut gemundet und wir freuten uns schon auf den versprochenen Genuss. Eines Tages kam er freudig angelaufen und befahl, dass man die Pfanne und den Ofen bereit halten solle, denn er haben einen schönen Bau gefunden, den wir zusammen ausnehmen müssten. In gehobener Stimmung, bewaffnet mit Spaten und Pickel, machten wir uns auf den Weg. Wie richtige Wilderer schlichen wir auf Umwegen zu der bezeichneten Stelle und fanden auch richtig den Bau. Mit ernster Miene stellte uns unser Anführer an die verschiedenen Ausgänge des Baues, damit wir den Fliehenden aufhalten sollten.

Er selbst fing an zu graben. Tiefer und tiefer ging es, aber nichts Lebendiges zeigte sich. Immer eifriger grub unser Jäger, der Schweiß lief ihm die Stirn herunter, aber vergeblich war die Mühe. Endlich erklärte er: „Das Vieh ist nicht drin“, und gab die Arbeit auf. Enttäuscht kehrten wir um und wurden von unserem Koch, der sich inzwischen eine Pfanne besorgt hatte, noch tüchtig ausgelacht. Am anderen Tag brachte der biedere Jägersmann die Freudenbotschaft: „Jetzt sind wir unseres Bratens sicher, denn ich habe das Vieh selbst gesehen!“ Wir ließen uns wieder überreden und, bewaffnet wie gestern, zogen siegessicher aus. Er führte uns an einen Platz, wo wir leicht vom Feind hätten gesehen werden können. Vorsichtig gruppierten wir uns um den Bau. Ein Kamerad tastete mit einem Stock in die Öffnung des Baues und rief auch gleich: „Da ist er! Da ist er!“, und schlug wie toll drauf los. Unser Anführer fing nun an zu graben, unermüdlich und voll Eifer, bis er schon einen ziemlichen Berg aufgeworfen hatte. Aber noch immer wollte sich nichts zeigen. Er achtete nicht auf die perlenden Schweißtropfen, grub weiter und weiter! Nach etwa einer Stunde gab er die Arbeit auf. Er war vor Schweiß  durchnässt und sein Gesicht sah aus wie das eines Lehmgräbers.

Ich versuchte, mit einem Stock das verborgene Nest aufzuspüren und stieß auch wirklich darauf. Das gab ihm wieder neuen Mut. Vorsichtig fing er wieder an zu graben und tastete mit der Hand in den Bau. Er musste sich dazu lang auf die Erde legen und bis zur Schulter in die Höhle eindringen. Plötzlich stieß er einen Schrei aus: „Das Tier hat mich gebissen!“ Tapfer griff er nochmals hinein und zog tatsächlich ein Tier hervor. „Jetzt hab ich ihn!“, triumphierte er, sprang blitzschnell auf die Füße, warf das Tier mit aller Wucht zur Erde und hielt es mit seinem Stiefel fest, bis es tot war. Neugierig umstanden wir unseren heißerkämpften Kaninchenbraten, aber es war ein – Iltis (zu den Mardern gehörendes kleines Raubtier (Anm. d. Red.))! Wir zogen ihm sein schönes Fell ab, spannten es auf ein Brett zum Trocknen und verzichteten wieder auf Kaninchenbraten.

Ein andermal – es war im Winter – zeigte sich in unserer Nähe ein schöner Hase. Einige Kameraden machten sich auf, ihn zu schießen. Man forderte auch mich auf mitzugehen, weil ich als guter Schütze bekannt war. Obwohl es gegen mein Empfinden war, lockte mich doch die Aussicht eines schönen Hasenbratens, und ich ging mit. Bald sahen wir den Hasen und mein Kamerad drängte mich zum Schuss. Es tat mir leid um das Tierchen. Ich legte an, ein Schuss ging fehl, ein zweiter traf ihn sicher. Freudig holten wir den feinen Braten. Als wir ihn noch bewunderten, merkten wir, dass wir von einem Offizier durchs Fernglas beobachtet wurden. Rasch entschlossen versteckten wir unseren Braten in einem leeren Unterstand, in dem etwas Grundwasser war, und gingen zurück. Bei den Kameraden herrschte große Freude und alles wurde für diesen festlichen Genuss hergerichtet. Nun sollte der Braten aus dem Versteck geholt werden. Nach einer Weile kamen die Kameraden mit leeren Händen zurück. Der Hase war verschwunden. Wir vermuteten, dass der Hase vielleicht durch Zuckungen in das Grundwasser des Unterstandes hineingefallen war. Nochmals machten sich einige Kameraden auf, um ihn zu suchen. Aber trostlos kehrten sie zum zweiten Mal ohne den Hasen zurück. Unser Beobachter hatte ihn geholt und andere hatten ihn sich gutschmecken lassen.