Noch immer Krieg

Nach einigen Monaten mussten wir unsere Stellungen wechseln und kamen an einen Frontabschnitt, wo die feindlichen Schützengräben nur einige Meter von den unseren entfernt waren. Das war ein recht ungemütlicher, gefährlicher Platz. Zwischen beiden Schützengräben lag Drahtverhau, der nur im Schutz der Nacht hinausgetragen oder geworfen wurde. Eines Tages wurde ich einer anderen Korporalschaft zum Postenstehen zugeteilt und kam infolgedessen an den am weitesten vorgeschobenen Platz der Front. Ich konnte diese Maßnahme nicht verstehen, setzte aber mein Vertrauen auf Gott, der keine Fehler macht. Selbst der wachhabende Offizier wunderte sich, dass ich ihm zugeteilt sei. Ich zog aber auf Posten und musste wieder zwei Stunden stehen. Nach etwa einer Stunde kam mein Nebenposten erregt auf mich zu und sagte: „Sie kommen! Soll ich schießen?“ Da gewahrte ich in der Dunkelheit etwa zehn Schritt entfernt einen Trupp Franzosen, die sich am Drahtverhau zu schaffen machten. Ich verbot meinem Kameraden das Schießen, weil es doch keinen Zweck gehabt hätte, und wir verhielten uns ruhig, bis sie sich entfernten.

Als ich am anderen Tage wieder Posten stand, wurde unsere Stellung unter starkes feindliches Minenfeuer genommen. Um mich herum wurde alles zerschossen. Ich verharrte mehrere Stunden auf meinem Posten, geschickt den Minen ausweichend. Trotz der Beschießung unternahmen die Feinde doch keinen Überfall. Als es wieder ruhiger geworden war, sah man erst, was geschehen war. Schützengräben und Unterstände waren in ein Trümmerfeld verwandelt, tiefe Granatlöcher klafften in der Erde und die Drahtverhaue hingen zerrissen umher. Meine Korporalschaft, der ich früher angehörte, war in einem Unterstand, der einen Volltreffer erhielt. Ein trauriges Bild bot sich mir! Viele meiner alten Kameraden waren tot oder verwundet, der Unterstand verbrannt, die Patronen explodiert und die Tornister (Ranzen aus Leder oder Segeltuch (Anm. d. Red.)) in Stücke gerissen. Da trug man eben einen meiner liebsten Kameraden verwundet im Zelttuch vorüber. Die Sanitäter stellten die Bahre ab, so dass ich ihm das letzte Lebewohl sagen konnte. Das Blut rieselte von seinem Kopf und an der Schläfe sah ich die kleine, todbringende Wunde. Betrübten Herzens teilte ich seiner Familie das Geschehene mit. Das hätte auch mein Los sein können, wenn Gottes weise Vorsehung mich nicht rechtzeitig auf einen anderen Platz gestellt hätte.

Nach vielen ernsten Gebeten gewährte mir Gott meinen Wunsch, dass ich wieder als Telefonist zum Kompanieführer in den Unterstand kam. Wenn es hier auch nicht so gefährlich war wie auf Posten, so saßen wir doch oft wie eine Maus in der Falle, während die Granaten und die schweren Minen neben uns einschlugen und mit ohrenbetäubendem Lärm explodierten. Mein Gehör hatte schon sehr darunter gelitten, so dass ich oft nach einer Beschießung nur ein Sausen und Brausen in den Ohren fühlte. Eines Tages bekamen wir wieder sehr starkes Artillerie- und Minenfeuer in unsere Stellung. Ich wurde gerade abgelöst und benutzte die Gelegenheit, mich zum Gebet zurückzuziehen. Plötzlich erhielt auch unser Unterstand einen Volltreffer. Drei Mann wurden schwer verwundet. Auch ich erhielt eine Verletzung am Kopf und durch die Erschütterung wurden meine Ohren verletzt, so dass ich heftige Schmerzen verspürte. Mit zwei anderen Kameraden lief ich zum Sanitätsposten, der uns einen Notverband anlegte. Dann mussten wir wieder zurück, um das Telefon weiter zu bedienen. Glücklicherweise war es unbeschädigt geblieben.