Vom Segen des Gebens

Georg Müller schrieb ein kleines Büchlein über das Geben unter dem Titel: „Ein Segen, der vielen verloren geht.“ Gewiss ist es ein Vorrecht, am Werk des Herrn und „an den Bedürfnissen der Heiligen“ teilzunehmen. Wie mancher Christ wäre in der Lage, das Werk des Herrn durch Gaben zu fördern, aber aus Geiz oder Gleichgültigkeit geschieht es nicht. So geht man eines Segens verlustig.

Paulus schreibt in 2.Kor. 9,6 von dem Säen und einem Ernten. Auf mancherlei Weise kann man Saat für die Ewigkeit ausstreuen, wir nennen nur die Verkündigung des Wortes Gottes, die Verteilung christlicher Schriften, die Unterweisung der Kinder in den Wegen des Herrn, die Unterstützung Notleidender mit Brot und Kleidern und so weiter. Aber auch das Opfern für das Reich Gottes ist eine Saat für die Ewigkeit. Schon in diesem Leben gibt es da oft ein Ernten, indem der Herr uns auch äußerlich segnet in unserem Beruf oder Geschäft. Ganz gewiss aber ist der Gnadenlohn in der Ewigkeit, wenn man hier rechte Saat ausstreut.

In diesem Zusammenhang seien Paulus’ Worte uns zugerufen: „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen“ (2.Kor. 9,6). Wollen wir reichlich ernten in diesem und dem zukünftigen Leben, so darf unser Säen kein sparsames, sondern muss ein reichliches sein. Aber nicht um der Ernte willen wollen wir reichlich säen, sondern aus Dankbarkeit und Liebe zu unserem Herrn. Der Herr hat verheißen, dass auch der Trunk frischen Wassers, einem seiner Jünger gereicht, nicht unvergolten bleiben soll. Nicht lange können wir Saat ausstreuen, dann folgt die lange, lange Ewigkeit. Da gilt es, „Schätzte im Himmel zu sammeln“. Dass Gott Opfer, ihm dargebracht, nicht unbelohnt lässt, hat er uns in seinem Wort verheißen: „Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem Herrn, der wird ihm wieder Gutes vergelten“ (Spr. 19,17). Wir erinnern auch an das Wort in Mal. 3,10, wo Gott sagt: „Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Hause Speise sei, und prüft mich hiermit, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle“.

Schon mancher hat Gott geprüft in dieser Weise und die Erfahrung gemacht, dass Gott sein Wort hält. Die Segnungen selbst bleiben nicht aus. Wie reich wurde Abraham, der reichlich gab! Jakob, der einst als armer, nichts besitzender Wanderer dem Herrn den Zehnten versprochen hatte, bekennt: „Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast; denn ich hatte nicht mehr als diesen Stab, als ich hier über den Jordan ging, und nun sind aus mir zwei Lager geworden“ (1.Mo. 32,11). Noch manche Schriftstellen bezeugen es, wie der Herr den segnet, der reichlich gibt: „Seit der Zeit, da man angefangen hat, die Abgaben ins Haus des Herrn zu bringen, haben wir gegessen und sind satt geworden und es ist noch viel übrig geblieben; denn der Herr hat sein Volk gesegnet, darum ist so viel übrig geblieben“ (2.Chr. 31,10). „Ehre den Herrn von deinem Besitz und von den Erstlingen all deines Einkommens, dann werden deine Scheunen voll werden und deine Kelter mit Most übergehen“ (Spr. 3,9-10). Vielleicht hat Jesus an das Wort in Mal. 3,10 gedacht, als er sagte: „Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen“ (Lk. 6,38).

Durch rechtes Geben ist noch niemand arm geworden, im Gegenteil, unser himmlischer Vater ersetzt alles sehr reichlich. Oft vergilt er irdische Gaben mit himmlischen Gütern. „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Jeder, wie er’s sich vorgenommen hat im Herzen, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und reich seid zu jedem guten Werk“ (2.Kor. 9,6-8). Ja, Jesus sagt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt. 25,40). Durch unser Geben dienen wir ihm persönlich.

Welche Freude bringt uns das Geben, wie kann es unser Leben glücklich machen, wenn Gott uns gebraucht, um Not zu lindern und Tränen zu trocknen! Ein amerikanischer Prediger hielt eine ergreifende Predigt über das Himmelreich. Am folgenden Tage traf er ein reiches Mitglied seiner Gemeinde auf der Straße. „Herr M.“, sagte der reiche Mann, „Sie haben gestern viel erzählt von der Herrlichkeit bis Himmels, aber wo er hier auf Erden zu finden ist, das haben sie nicht gesagt.“ „O“, erwiderte der Prediger, „das Versäumte kann gleich nachgeholt werden. Sehen Sie, dort in dem Häuschen wohnt die lahme Witwe N. Ihre kleinen Kinder sind krank, und nun ist sie selber auch noch krank geworden und kann nichts verdienen. Sie hat weder Holz noch Kohlen, auch keine Lebensmittel im Hause. Wenn Sie das alles nun einkaufen würden und es der Frau bringen ließen? Und Sie selber, gehen Sie zu ihr, lesen Sie mit ihr ein Gotteswort, den Psalm vom guten Hirten, dessen Schafen nichts mangeln wird, beten Sie mit ihr, und dann werden Sie den Himmel sehen. Wenn nicht, dann gebe ich Ihnen das Geld wieder.“ Am anderen Morgen kam Herr X. zu seinem Prediger und sagte mit strahlenden Augen: „Sie hatten recht, Herr M., ich weiß jetzt, wo der Himmel ist, ich bin eine halbe Stunde darin gewesen.“

Der Segen des Gebens ist auch geistlicher Natur. Indem wir Gaben darbringen für das Werk des Herrn auf Erden, nehmen wir teil an der Ausbreitung des Reiches Gottes und damit auch an den Segnungen. Wer nie etwas für die Missionen opfert, kann auch keine rechte Freude haben, wenn er vom Siegeslauf des Evangeliums hört. Geordnete Liebestätigkeit ist ein Hauptmittel zur Ausbreitung des Reiches Gottes.

Vergessen wollen wir nie, dass wir durch Almosen und Opfer uns nicht den Himmel verdienen können, aber reichliches Geben für die Sache des Herrn wird unsere Seligkeit erhöhen. Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten wird den getreuen Knechten zugerufen: „Gut, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!“ (Mt. 25,21).

Auch in Bezug auf rechtes Geben gilt uns die ernste Mahnung: „Jeder aber prüfe sein eigenes Werk“ (Gal. 6,4). Wenn alle wahren Christen den Segen des rechten Gebens erkannt hätten, würden die Kassen des Reiches Gottes bald zum Überfließen voll sein. Aber nun hören wir immer wieder vom Kampf mit der Not und dem Defizit. Das liegt gewiss nicht nur an der Wirtschaftskrisis, sondern auch daran, dass viele Christen noch nicht die rechte Stellung zum Geld eingenommen haben. Wir erinnern an Jesu Wort: „Wenn ihr nun mit dem ungerechten Mammon nicht treu gewesen seid, wer will euch das Wahrhaftige anvertrauen?“ (Lk. 16,10).

Unsere Gaben haben eine doppelte Ernte: Wer kärglich sät, wird wenig Liebe ernten, und wer da sät im Segen, der hat den reichsten Segen selbst. Ein geheimer Segen liegt auf solchem Geben. „Wenn wir nur Geber sein wollen, so wird Gott uns Samen zu säen und Brot zu essen geben, und wir werden in allen Dingen volle Genüge haben und reich sein zu allerlei guten Werken“     (Hudson Taylor). Gewiss hat Bodelschwingh recht, wenn er im Blick auf die himmlische Ernte sagt: „Im Himmel wird mir mancher danken für jeden Taler, den ich ihm abgenommen habe“. Wie muss es in der Ewigkeit denen zu Mute sein, die zu spät erkennen, was sie auf Erden versäumt haben!

Ein Gleichnis erzählt: „In einem Meer liegt eine kleine, liebliche Insel. Alle Jahre wird ein Schiffbrüchiger arm und nackt an ihr Ufer geworfen und sogleich von den Einwohnern zum König gemacht. Er lebt in Reichtum und Fülle und denkt nicht daran, wie er dazu gekommen ist. Auf der Insel lebt ein Greis, der ihm nach einiger Zeit ins Ohr raunt: ‚Deine Herrlichkeit währt nur ein Jahr, dann kommt ein neuer König. Du wirst dann vom Thron gestoßen, in ein leeres Schiff gesetzt und an die Küste des fremden Landes gefahren, wo weder Obdach noch Nahrung ist. Ich rate dir, weil du jetzt noch die Macht hast, rüste ein Schiff aus mit allen Gütern, die wir haben, fahre hinüber nach dem festen Lande, baue dir dort ein Haus, bestelle dir das Land, damit du Wohnung und Brot hast, wenn dein Königreich zu Ende ist!‘“

Dieses alte Gleichnis redet vom Menschen, der nackt auf die Erde kommt und ihr Herr wird. Das leere Schiff ist der Sarg. Das feste Land ist die Ewigkeit. Das volle Schiff ist das gläubige Herz, das hinüberfährt, dort ein Haus baut und Samen für die Ewigkeit streut. Wenn das nicht geschieht, ist jenes Land wüste und öde!

Der kluge Haushalter trifft Vorsorge für die Ewigkeit. So dürfen wir mit unserem irdischen Mammon das ewige Reich unseres Gottes bauen. Das, was du dem Herrn vorenthalten hast, geht dir oft auf andere Weise wieder verloren. Krankheitsnöte, Geschäftsverluste und andere Schwierigkeiten zeigen dir, dass der Segen Gottes nicht mit dir ist. Spurgeon sagte: „Wenn Gottes Kinder nicht ihre Pflichten tun mit den Mitteln, die Gott ihnen anvertraut, so gestattet er ihnen oft, Aktionäre einer bankrotten Bank zu werden“. Das trifft oft buchstäblich ein. Hilth bemerkt einmal: „Wenn du also doch irgendeinen Luxus haben willst, so ist der edelste und unschädlichste der des „Gebens über Vermögen“ (2.Kor. 8,2-3).