Es ging durch Proben

Bald erfuhren auch meine Angehörigen von meiner Bekehrung und es setzte ein großer Kampf mit meiner Familie und dem israelitischen Geschäftsmann ein, bei dem ich tätig war. Es kam für mich eine schwere Zeit, die etwa ein halbes Jahr anhielt. Es ging in ähnlicher Weise vor sich, wie es bei allen Israeliten geht, die Christen werden. Meistens war ich ohne Geschwister in Christus, aber der Herr half mir, Jesus mehr zu lieben als Vater, Mutter, Brüder und Schwestern, irdische Dinge und mein eigenes Leben. Einiges von diesen Kämpfen möchte ich kurz anführen.

Eines Tages kam mein Vater zu mir. Dies war für mich ein überaus schwerer Tag. Er hatte einen Stock in der Hand und drohte mir, dass ich nicht von ihm weg komme, bis ich das Versprechen gegeben habe, dem Christentum abzusagen. Der Herr aber half mir festzustehen und dem Vater nicht nachzugeben.

Zwei Tage später redete der Geschäftsmann mit mir, wahrscheinlich auf Forderung meines Vaters. Er fragte mich, ob ich die üblichen jüdischen Gebete verrichtet habe. Ich antwortete: „Nein!“ Als er darauf bestand, es zu tun, ich es aber nicht tat, befahl er mir, sofort das Geschäft zu verlassen. Wohin ich zu der Stunde hingehen sollte, wusste ich nicht. Nach Hause zu gehen, war für mich unmöglich. Und wer die deutschen Verhältnisse kennt, der weiß, dass man auf diese Weise als Kaufmann keine Stellung mehr bekommt. Zu der Zeit hatte ich nur noch 90 Pfennig in der Tasche. In all diesem bewahrte der Herr meine Seele und erhielt mich im Frieden. Er sorgte für mich. Nach etwa einer Stunde wurde ich wieder von dem eben erwähnten Geschäftsmann geholt, und für eine Zeitlang war die größte Not vorbei.

In diesem Geschäft blieb ich noch ein Jahr. Die meiste Zeit war ich ohne Gemeinschaft mit den Kindern Gottes und sehnte mich sehr danach. Dann kündigte ich meine Stelle. Doch was geschah? Man bot alles auf, um mich zu behalten. Man versprach mir ein höheres Gehalt, doch ich achtete nicht darauf, denn als der Herr meine Seele erlöste, trat das Irdische in den Hintergrund und das Geistliche in den Vordergrund.

Unerwartet erhielt ich ein Telegramm, sofort nach Hause zu kommen, unterzeichnet von meinem Bruder. Aber es war nicht mein Bruder, der das Telegramm sandte, sondern ein jüdischer Lehrer, der bestrebt war, mich wieder in das Judentum zurückzuführen. Auf das Telegramm kam ich nach Hause. Da gab es für mich einige Tage einen furchtbaren Kampf. Ich wurde aufgefordert, wieder bei dem jüdischen Kaufmann ins Geschäft einzutreten. Dieser Schritt schien mir zu schwer zu sein. Ich betete viel. Endlich entflammte der Entschluss in mir: „Fliehe!“

Heimlich verließ ich Süddeutschland und fuhr mit der Eisenbahn nach Norddeutschland, zu Bruder Karl Arbeiter in Essen. Ihm erzählte ich meine Erlebnisse. Darauf sprach er zu mir: „Du hast nicht recht getan! Du solltest den Eltern untertan sein und dem Heiland treu bleiben!“ Er fragte mich: „Willst du wieder zurück nach Hause?“ Darauf antwortete ich: „Wenn das Gottes Wille ist, dann kehre ich zurück.“ Als Gott mich erlöste, legte er den Geist des Gehorsams in mein Herz, seinen Willen unter allen Umständen zu tun. Ich schrieb an meine Eltern, bat sie um Verzeihung, dass ich ohne ihre Einwilligung von zu Hause weggegangen sei, und dass ich willig wäre, wieder zurückzukommen, wenn sie es wünschten. Es dauerte etwa drei Wochen, bis ich eine Antwort bekam. Inzwischen war mir der Umgang mit Bruder Karl Arbeiter sehr zum Segen gewesen. Ich ließ mich taufen und nahm Teil an den neutestamentlichen Verordnungen. Die Antwort auf meinen Brief an die Eltern kam von meinem Onkel, der mich bat, in sein Geschäft einzutreten.