Eine schwere Reise

Im Jahre 1940 zog mein Sohn Heinrich mit seiner Familie nach Rio das Antas, um dort der Gemeinde zu dienen. Vieles von ihren Sachen, Inventar für die Küche, Möbel und anderes Notwendige ließen sie bei uns in Nova Esperanca zurück. Da es ihnen sehr ärmlich ging, konnten sie sich in Rio das Antas nur sehr primitiv einrichten. Darum entschloss ich mich, ihnen einiges nachzubringen. Das Reisen mit größerem Gepäck war aber sehr beschwerlich, weil es keine Möglichkeit gab, ohne Umsteigen zu fahren. Omnibusse dieser Art, wie man sie heute allgemein hat, gab es damals noch nicht. Nur auf gewissen kurzen Strecken liefen primitive Wagen. Wir haben die Reise von Nova Esperanca nach Rio das Antas des Öfteren gemacht. Man fuhr dann von Nova Esperanca 45 km mit dem Pferdewagen bis Hamonia (heute Ibirama). Das war die erste Tagesreise. Dann nahm man eine Schmalspurbahn und fuhr von Hamonia bis Blumenau. Das waren wieder etwa 80 km. In Blumenau bestieg man einen Bus und fuhr bis in das 78 km entfernte Jaraguá. Damit war der zweite Reisetag vergangen. In Jaraguá musste man übernachten. Am Morgen des dritten Tages nahm man wieder die Bahn und fuhr eine Strecke von etwa 300 km bis nach Porto União. Man kam dann dort gegen 10 oder 11 Uhr abends an. Am vierten Tag nahm man nochmals die Bahn, die von São Paulo nach Porto Alegre fährt und bewältigte in etwa 7 Stunden eine Strecke von 110-120 km. So hatte man für eine Gesamtstrecke von etwa 600 km vier Tage reisen müssen.

Unsere Brüder haben den Weg bis nach Rio das Antas in früherer Zeit auch einige Mal mit dem Pferd gemacht. Es gab da eine Möglichkeit, Umwege abzukürzen, so dass es nur etwa 300 km waren. Sie ritten dann einige Tage und sparten sich so das Geld. Nun überlegte ich mir, ob ich unseren Kindern die ihnen so notwendigen Sachen nicht auf diesem Wege bringen könnte. Man müsste dann nicht so oft umladen. Doch waren die Wege damals noch sehr schlecht. Wo heute Autostraßen sind, waren damals Wald- und Feldwege. Es galt auch weite, einsame und gefährliche Stecken zu überwinden.

Ich bat nun den jetzt schon verstorbenen Vater Gillung, der damals auch nicht mehr jung war, dass er mit mir und den Sachen unserer Kinder diesen Weg mit seinem Pferdefuhrwerk machen möchte. Ich wollte ihn dafür so gut ich konnte entschädigen. Wir rechneten mit ungefähr sieben Tagen Reisezeit.

Den ersten Tag fuhren wir bis Lontra und am zweiten Tag kamen wir bis zum Randgebirge des Hochlandes. Den dritten Tag ging es in das Gebirge hinein, und die Nacht verbrachten wir oben in großer Wildnis in einer von Räubern gefährdeten Gegend. Deshalb ließ Br. Gillung die ganze Nacht eine Stalllaterne am Weg brennen. Als wir am vierten Tag nach Curitibanos kamen, ließ Br. Gillung zur Nacht seine Pferde auf einer Weide. Doch am andern Morgen sah er zu seinem Schrecken, dass durch der Nachtfrost alles Gras gefroren war und die Pferde kein Futter hatten.

In Curitibanos mussten wir aber eine Änderung vornehmen. Zwanzig Kilometer weiter war der Marombasfluss und wir erfuhren, dass dort die Fähre nicht in Ordnung sei. Deshalb war es zwecklos, mit dem Fuhrwerk weiterzufahren. Bruder Gillung wendete daher in Curitibanos um und fuhr wieder alleine nach Hause. Ich nahm einen Omnibus, der bis an den Fluss fuhr. Am Fluss nahm ich ein Kanu (ein ausgehöhlten Baumstamm), mit dem ich mich und die Sachen, die ich weiterbefördern wollte, über den Fluss setzen ließ. Die Kisten konnte ich nur quer auf den Bootsrand stellen, weil das Boot zu schmal war, um die Kisten anders zu verstauen. Von da brachte mich wieder ein Omnibus bis nach Caçador. Am 6. Tage traf ich bei unsern Kindern in Rio das Antas ein.

Das war eine schwere und gefährliche Reise. Selbst Rio das Antas war in jener Zeit noch jahrelang von Banditen und Pferdedieben bedroht. Nicht selten fanden unsere Kolonisten des Morgens ihre Pferde nicht mehr. Noch heute danke ich Gott für seinen gnädigen Schutz und Beistand auf dieser Reise.

Dies ist ein Beispiel davon, was uns der Missionsdienst in Brasilien kostete. Meine Frau und ich haben viele Reisen gemacht und dabei viele Strapazen erduldet. Doch taten wir es für unsern Herrn und Heiland und haben dieses und viele andere Dinge um Jesu Wille gerne auf uns genommen. Gott sei Dank, dass es heute anders ist. Brasilien hat eine große Umstellung erfahren. Man kann heute auch schon schnell und bequem reisen. Die Einwanderer, die später kamen, brauchten diese Dinge nicht mehr mitzumachen. Es ist in jener Zeit viel geopfert worden. Doch taten wir all das für den Herrn. Auch andere, die in jener Zeit mit uns der Sache Gottes dienten, brachten ähnliche Opfer. Gott wird einem jeden seinen Lohn dafür geben.