Schwierigkeiten hinsichtlich der Weihe

Bisher durften wir erkennen, dass die Heiligungslehre leicht zu erfassen und zu verstehen ist. Im Folgenden soll nun, aufgebaut auf den Lehren der Bibel, eine ebenso einfache Aufklärung über die Weihe gegeben werden. Auch sie ist ja wie alles, was unser himmlischer Vater bezüglich seines herrlichen Erlösungsplanes offenbarte, einfach genug, damit es auch der Einfältigste verstehen kann.

Betrachten wir die Heiligung vom Standpunkt des Menschen aus, dann ist sie ein freiwilliges Aufgeben unseres eigenes Ichs und ein gänzliches Hinwenden zu Gott und seinem Dienst (Röm. 12:1-2). Unsere Aufgabe besteht darin, uns voll und ganz seinem Willen auszuliefern; und Gottes Teil ist dann, die Seele durch seinen Geist zu reinigen. Ein gewaltiges Beispiel der Weihe gab uns der Herr Jesus, als er in jener Nacht im Garten Gethsemane in Angst und Qual auf seinen Knien lag und die inhaltsschwere und doch so leicht zu fassende Worte sprach: „Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst“. Mit wenigen Worten ist hier das ganze Problem der Weihe gelöst. Lieber Bruder, liebe Schwester, nur wenn du auf den Knien deinen Willen dem Herrn völlig übergibst, dann und nur dann stehst du auf dem Glaubensgrund, wo du die Reinigung deines Herzens durch den Heiligen Geist erfahren und in das Land der völligen Ruhe eingehen kannst, das der Herr denen bereitet hat, die ihn lieben.

Es wäre unverantwortlich und eine leichtfertige Auslegung der Heiligen Schrift zu behaupten, Gott nehme uns unseren Willen. Wir unterstellen unseren Willen nur dem eines anderen, nämlich Christus, den wir lieben und dessen Gnade und Weisheit wir vertrauen. Wir gehören nicht mehr uns selbst, sondern wir leben nun für einen anderen, für Christus, dem wir uns in Liebe völlig hingeben. Von nun an soll er in unserem Herzen regieren und unser Wille soll sein Diener sein – ein königlicher Diener und nicht ein gezwungener, unwilliger, niedergeschlagener und unglücklicher Sklave.

Nun magst du fragen: „Gibt es aber nicht doch einige wirkliche Schwierigkeiten, die dem aufrichtig Suchenden hinsichtlich dieser Weihe gegenübertreten?“ Nicht ganz mit Unrecht fragst du. Wohl gibt es Schwierigkeiten und sie scheinen auch wohl begründet zu sein. Im Folgenden wollen wir sie nun der Reihe nach prüfen. Ein Bruder oder eine Schwester mag sagen: „Wie oft habe ich Gott alles geweiht, was ich wusste, um später auszufinden, dass ich einige Dinge dem Herrn doch nicht brachte, weil ich zur Zeit meiner Weihe nicht daran dachte. Hierdurch gerate ich dann in Zweifel, überhaupt eine richtige Erfahrung gemacht zu haben. Wie kann ich den Zustand dieser dauernden Ungewissheit über meine Weihe beseitigen?“

Der Grund deiner Schwierigkeit ist, dass deine Weihe sich auf einzelne Punkte beschränkte und du es unterließest, dich dem Willen Gottes zu weihen. Entschließe dich darum, dass du unbedingt dem Willen Gottes ergeben sein willst, was auch jetzt oder in Zukunft geschieht. Schaue nicht auf Einzelheiten – es sei denn, dass du über einen gewissen Punkt nicht hinwegkommen kannst oder dein Wille sich dagegen auflehnt. Bist du dem Willen Gottes ganz ergeben, dann werden dich gewisse Punkte oder Einzelheiten nicht mehr beunruhigen. Vieles ist uns gegenwärtig über Gottes Willen noch unbekannt, und das ist gut so. Doch wir können unserem himmlischen Vater vertrauen, dass er alles wohlmachen wird. Schaue nicht auf Einzelheiten und auf Dinge, die du nicht kennst. Gib dich deinem Gott völlig hin und verzichte damit auf das Recht, dir selbst zu gehören, denn du bist mit einem hohen Preis erkauft.

Ein anderer mag klagen: „Ich zögerte mit meiner Weihe bisher, weil ich nicht weiß, was Gott in Zukunft von mir fordern wird. Wenn ich nun wüsste, was der Herr in kommenden Zeiten von mir verlangt, dann könnte ich doch jetzt schon sagen, ob ich mich diesen Forderungen fügen würde oder nicht.“ Der Grund deiner Not ist deine Unwilligkeit und ihre Ursache dein Unglaube. Wo ist dein Glaube? Sag, liebe Seele, wer ist denn dein himmlischer Vater? Und du willst ihm nicht dein ganzes Vertrauen schenken? Wirf jede Furcht und jeglichen Unglauben von dir und übergib dich ohne Vorbehalt dem Willen deines Gottes, der nur das Beste mit dir im Sinn hat.

Ein anderer sagt: „Wohl weiß ich, dass ich mich völlig dem Herrn weihen sollte. Wenn ich jedoch an die Leiden, an die Verfolgung und an die Verantwortung denke, die dann in mein Leben treten könnten, habe ich nicht den Mut, die Aufforderung Gottes mit Ja zu beantworten. Es scheint zu schwer zu sein. Niemals könnte ich es ertragen, wie die Märtyrer auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Aber doch möchte ich den Willen Gottes tun und mein Herz blutet, wenn ich erkennen muss, dass ich dazu nicht imstande bin. Ganz klar fühle ich den Mangel. Was muss ich tun? Gibt es einen Weg aus meiner Not?“

O ja, es gibt einen Weg, der dich aus deiner Schwierigkeit führt. Der Grund deines Misserfolges liegt klar auf der Hand. Du hast dich abgemüht und wolltest durch eigene Kraft den Zustand der völligen Weihe erreichen. Das wird aber keinem Menschen je gelingen. Du hast vergessen, dass der Herr bereit ist, dir zu helfen, dass er deine Stärke sein will; du versäumtest es, dich ganz auf ihn zu verlassen, und machtest deine Pläne ohne deinen Gott. Die Gnade, die dir der Herr anbietet, hast du nicht beachtet. Die Weihe wird dem ein Ziel bleiben, das nie zu erreichen ist, der ohne den kraftspendenden Glauben an Gott nach ihr strebt.

Lass mich von einem Freund erzählen, der bereits in der Ewigkeit ist. Er suchte die Heiligung und kämpfte ernst aber vergeblich darum, eine entschiedene Übergabe zu machen. Wenn er der Märtyrer und der Leiden gedachte, die ihm dann vielleicht nicht erspart bleiben würden, entfiel ihm der Mut hindurchzudringen. Endlich vernahm er inmitten dieser Kämpfe die Stimme des Geistes: „Durch die Gnade Gottes“. Sogleich erkannte er, dass ihm durch die Gnade Gottes das möglich war, was er mit seinem schwachen Willen vergeblich zu erreichen trachtete, und mit neuem Mut entschloss er sich zu einer vollkommenen Weihe. Nun da der Geist Gottes ihm Licht darüber gegeben hatte, was ein wahres Leben der Heiligkeit und des Dienstes bedeutet, schenkte ihm der Herr auch Gnade, sich ohne Zögern und Furcht als ein völliges und dem Herrn angenehmes Opfer zu weihen. Er wusste nun, dass Gottes Gnade dafür ausreicht.

Obwohl menschlicher Mut und Willenskraft gut und dem Menschen eine Hilfe sind, sind wir Menschen ohne die Gnade Gottes trotzdem hilflos. Befähigt durch die Gnade Gottes können wir Dinge tun, zu deren Ausführung auch nicht der höchste Mut und die stärkste Willenskraft ausreicht. Schau doch das Leben der Kinder Israel an. Sie wurden immer dann zuschanden, wenn sie nicht mit der Hilfe Gottes rechneten. Ohne Gott ist alles dunkel, entmutigend und unmöglich; nur durch seine Gnade können wir seinen Willen tun.

Manch einer mag sagen: „Ich bin ganz im Unklaren über den Sinn der Worte: „Sich selbst sterben“. Der Geist Gottes überzeugt uns von der Notwendigkeit bedingungsloser Ergebenheit. Ohne sie nimmt Christus keinen Besitz vom Herzen des Menschen. Widersetzt sich ein Mensch dieser Forderung, dann hindert er Gott, die Führung und Herrschaft in seinem Leben zu übernehmen. Der Träger des Selbstlebens des Menschen ist der Wille. Die wahre Weihe wird dieses Selbstleben in den Tod geben. Mit obige Worten ausgedrückt heißt es: „Wir sterben uns selbst“. Keinem Wiedergeborenen blieben auf seiner Reise in das Kanaan der Herzensreinheit diese Kämpfe gegen das Selbstleben, nämlich gegen die Sünde, die in ihm wohnt, erspart. Hat der Mensch jedoch seinen Willen dem Herrn geweiht, dann hat er sein Ich ans Kreuz gebracht. Bei einem ist das Selbstleben stärker als bei dem anderen, daher auch der ungleiche Kampf. Bei manchen Menschen scheint der alte Mensch eine geradezu schreckliche Lebensfähigkeit zu besitzen.

Viele liebe Menschen, die es nicht fassen können, dass die Heiligung ein Gnadengeschenk Gottes ist, versuchen ihren alten Menschen durch Selbstentwicklung, Unterdrückung, Bildung und andere Mittel zu veredeln, um dann das Vergebliche ihres Bemühens immer wieder einsehen zu müssen. Du magst dem alten Menschen oder dem Selbstleben allerlei ethische Grundsätze beibringen oder die beste Bildung geben – er ist und bleibt der alte Mensch. Die Heiligung ist ein Werk göttlicher Gnade und nicht ein Produkt der Selbstentwicklung.

Gewiss fordert Gott, dass durch die Weihe das Kind Gottes in allem, was auch kommen mag, dem Willen des Herrn untertan sein soll. Aber oft fand ich, dass die Kinder Gottes gerade in diesem Punkt in Übertreibungen und extreme Dinge gerieten. Trotz der Unterwerfung unseres Willens unter die göttliche Autorität wird keineswegs die gesunde Überlegung ausgeschaltet. Bedenke doch, wir sind Gott und nicht dem Teufel ergeben. Der Heilige Geist ist der Beherrscher unseres Herzens und wir müssen unbedingt seine Vorherrschaft über alles andere anerkennen. Niemand hat ein Recht, ihm diesen Platz streitig zu machen. Aber Unterwerfung unter Gottes Willen bedeutet keineswegs eine Schwächung unseres Willens, so dass wir keine Widerstandskraft mehr besitzen. Ganz im Gegenteil, die rechte Unterwürfigkeit stärkt den Willen und befähigt ihn, dem Teufel und der Sünde zu widerstehen.

Liebe suchende Seele! Mag nun deine Schwierigkeit in diesen Zeilen behandelt sein oder nicht, Gott hat einen Weg für dich. In seinem guten Willen ist ein Ruheplatz auch für dich. Fürchte dich nicht, dein ganzes Sein in seine Hände zu legen. Gottes Weg ist immer der rechte und sein Wille ist immer der beste.