Der Herr versorgte uns mit Fahrgeld für die Reise

Im Jahre 1896 war aus einigen Südstaaten der Ruf an Bruder Schell und mich ergangen, eine Evangelisationsreise durch diese Gebiete zu unternehmen. Bruder Schell schrieb mir, Rat und Hilfe vom Herrn zu erflehen und alles vorzubereiten, um die Gemeinden zu besuchen, die wir auf unserer Fahrt durch die Staaten erreichen konnten.

Unsere ersten Versammlungen hielten wir in Louisville, Kentucky, und verbrachten dort einige Tage im Geschwisterkreis. Nun erhielten wir vom Herrn den Auftrag, in den östlichen Teil des Staates Tennessee zu fahren. Das Reisegeld für uns beide betrug 15 Dollar. Ziemlich verzagt kam Br. Schell zu mir und sagte: „Ich lieh bereits das Reisegeld bis hierher und kann mich nicht entschließen, noch einmal um weiteres Fahrgeld zu bitten. Du fährst wohl am besten allein weiter und ich kehre zurück.“

„Du batest mich doch, den Herrn für uns beide um Rat und Hilfe zu bitten“, sagte ich. „Dies habe ich getan und alle Vorbereitungen demgemäß getroffen. Geh in dein Zimmer, packe deine Tasche aus und iss dein Abendessen, während ich alle weiteren Vorbereitungen treffen werde.“

„Ich habe aber kein Geld zur Fahrt“, sagte er.

„Lass das nur meine Sorge sein.“

„Ich werde auf keinen Fall dulden, dass du die Fahrt aus deiner Tasche bezahlst, da deine Mittel auch nur sehr gering sind.“

„Das wird auch nicht geschehen“, sagte ich, „ich bat den Herrn, die Mittel für uns beide zu besorgen.“

Ziemlich widerstrebend begab sich der Bruder auf sein Zimmer und ich schritt in ein kleines, an der Ecke des Gemeindesaals angrenzendes Zimmer. Dort flehte ich zum Herrn, nicht nur den Bruder willig zu machen, sondern uns auch das notwendige Geld für die Reise zu beschaffen. Ehe ich das Zimmer verließ, hatte ich schon die feste Gewissheit, dass Gott mein Gebet erhört hatte und meine Bitte gewähren würde. Ganz still und unbemerkt war dies alles vor sich gegangen. Niemand hatte es gehört und keiner kannte unsere Not. Als ich dieses kleine Zimmer verließ, kam eine Schwester im Seitengang des Saales auf mich zu und sagte:

„Br. Byrum, ich habe das bestimmte Gefühl, euch dies Geld geben zu müssen. Vielleicht könnt ihr es gut gebrauchen.“

Sie gab mir 5 Dollar in Gold, worauf ich ihr sagte, dass ich dieses Geld sogleich Br. Schell bringen würde. Nachdem ich von einer anderen Seite weitere 2,50 Dollar erhalten hatte, hatte ich das Fahrgeld für einen zusammen. Noch wusste ich nicht, wo ich meins hernehmen sollte. Im Zimmer von Br. Schell angekommen, rief ich aus: „Hier ist dein Reisegeld.“

„Und das deinige?“, fragte er.

„Das ist meine Sache, lass uns sogleich zum Zug gehen.“

Da der Zug schon in kurzer Zeit abfahren sollte, aßen wir schnell unser Abendbrot, um dann von einigen Brüdern zum nahen Bahnhof geführt zu werden. Niemand wusste, dass ich nicht einmal das Geld zur Fahrt hatte. Auf halbem Weg zum Bahnhof blieb ich etwas zurück und sandte ein Gebet zum Thron des Herrn, ihn an sein Versprechen erinnernd, dass er alle unsere Nöte stillen und für uns sorgen wolle. Als wir kurz vor dem Bahnhof waren, wartete ein Bruder auf mich, zog seine Hand aus der Tasche und händigte mir Geld aus. Als ich das Geld am Fahrkartenschalter zählte, war es gerade das erforderliche Reisegeld!

In Tennessee hatten wir sehr gesegnete Gottesdienste. Als dann die Zeit kam, von dort Abschied zu nehmen, fuhr uns ein ungläubiger Mann in seinem Wagen zum Bahnhof, der sechs Meilen entfernt war. Wir lösten unsere Karten zunächst nur bis Chatanooga, wo wir unseren Wagen wechseln mussten und hofften, von dort aus zum verbilligten Preis weiterzufahren. Als wir unser Reisegeld nachzählten, stellten wir fest, dass uns beiden gerade noch 25 Cent fehlten, um unsere Karten dort lösen zu können, wenn uns keine Verbilligung gewährt würde. Eine halbe Stunde später sollte der Zug abfahren. Ich schlug vor, im Gebet den Herrn um die fehlende Summe zu bitten.

„Was nützt jetzt das Gebet?“, sagte Br. Schell. „Auf diesem Bahnhof befindet sich nur ein Bahnhofsbeamter und jener Geizhals, der uns hierher fuhr. Von dem haben wir nichts zu erwarten.“

„Der Herr kann ihn schon veranlassen, uns das Geld zu geben. Und wenn nicht, dann erhalten wir es auf andere Weise.“

Wenn auch Br. Schell diesen Mann für zu geizig hielt, das fehlende Geld freiwillig zu geben, so vereinigten wir uns doch, auf Grund der Verheißung in Lk. 11:9, an einem abgeschlossenen Platz im Bahnhof zum Gebet. Wir baten den Herrn, doch das Herz jenes Mannes zu bewegen. Als wir auf den Bahnhof traten, sahen wir diesen Mann unruhig hin- und hergehen. Dann blieb er vor uns stehen. Er hatte die Hand in der Tasche und sah aus, als ob er uns etwas geben wollte, setzte aber dann seinen Weg fort.

Still baten wir den Herrn, dass er helfen möchte. Mit keinem Wort verrieten wir dem Mann, was in unserem Inneren vorging. Plötzlich kam er wieder zurück und blieb mit der Hand in seiner Tasche vor uns stehen. Wir konnten sehen, dass er sehr hastig Geld zählte. Dann setzte er seine Wanderung wieder fort. Erst als wir das Pfeifsignal des ankommenden Zuges hörten, kam er wiederum zu uns und sagte:

„Ich nehme an, dass ich Ihnen noch etwas dazu geben darf.“ Nach dieser Bemerkung zog er seine Geldbörse aus der Tasche und gab jedem von uns 25 Cent.