Der Kongress in Logansport

Es gibt in Amerika eine christliche Bewegung, die als „Dun­kards“ oder auch als „Brüder“ bekannt ist. In manchen Gegenden nannten sie sich damals auch „Gemeinde Gottes“, obwohl sie die letztere Bezeichnung fast ganz aufgegeben hatten. Diese Bewegung bestand aus drei Gruppen: den alten Dunkards, den Konservativen und den Fortschrittlichen. Die letzte Gruppe umfasste annähernd 32 Gemeinden. Seit einer Reihe von Jahren war es ihr nicht gelungen, die Mitgliederzahl zu erhöhen oder sonstige Fortschritte zu machen. Darüber herrschte unter ihnen ziemliche Unzufriedenheit.

Sie kamen nun zusammen und fassten den Entschluss, sich entweder mit einer ihren Grundsätzen zusagenden Bewegung zu verschmelzen, oder durch straffere Organisation einen Fortschritt zu erzielen. Zunächst hatten sie die Absicht, einen Ausschuss zu beauftragen, der die Lehren und das Leben der einzelnen christlichen Glaubensbewegungen studieren solle. Auf Grund dieses Ergebnisses sollten die Mitglieder dann entscheiden, mit wem sie sich verbinden wollten. Sie fanden jedoch bald heraus, dass es bei der Menge der Glaubensbekenntnisse nicht möglich ist, sie alle durch persönlichen Besuch zu prüfen.

Weiterhin erkannten sie, dass die Bezeichnung „Gemeinde Gottes“ der biblische Name für die Gemeinde sei, und dass sie wohl die übrigen Namen fallen lassen müssten. Um all diese Fragen zu klären, wurde beschlossen, eine dreitägige Konferenz zu veranstalten. Jede Gemeinde, die den Namen „Gemeinde Gottes“ trug, wurde gebeten, einen Vertreter zu senden, um Bericht über die Lehren der betreffenden Gemeinde zu geben.

Auch mich erreichte solch eine Einladung mit der Bitte um sofortige Nachricht, ob wir einen Vertreter senden wollten oder nicht. Ich sagte zu, da ich glaubte, dass Br. Riggle oder Br. Reardon diesen Auftrag übernehmen würden. Ich erhielt jedoch auf meine Anfrage die Nachricht, dass sie infolge anderer dringender Verpflichtungen diese Aufgabe nicht übernehmen könnten. Nun fuhr ich als Vertreter unserer Gemeinde nach Logansport, Indiana, um an diesem Kongress teilzunehmen. Als am Nachmittag die Versammlungen begannen, war der Saal gut gefüllt von den führenden Mitgliedern jener Gemeinden. Der Versammlungsleiter erwähnte zunächst, dass Vertreter von drei verschiedenen Gruppen ihrer Bewegung anwesend seien, und dass auch Br. Byrum aus Anderson, der Vertreter einer Gemeinde, die unter dem Namen „Gemeinde Gottes“ bekannt sei, an den Aussprachen teilnehmen werde. Er eröffnete dann, dass ich an diesem Nachmittag dienen würde und den Abendgottesdienst ebenfalls hielte.

Als ich nun meinen Platz vor der Versammlung einnahm, sagte der Vorsitzende, ich möchte ihnen doch Aufklärung über unsere Lehre und unser Versammlungswesen geben. Ich solle jedoch den Dingen nicht meine Meinung oder meine Überzeugung zugrunde legen, denn sie waren bereits müde von alldem, was menschliche Meinung und Überzeugung bis jetzt gebracht hatte. „So sagt der Herr“, solle allein ausschlaggebend sein. Ich benötigte fünf Minuten, um ihnen über unsere Glaubensgrundsätze zu berichten. Dann gab der Vorsitzende den Anwesenden Freiheit, Fragen an mich zu richten, und erinnerte mich wiederum, keine der Antworten dürfe der biblischen Grundlage entbehren.

Da ich im Voraus nicht wissen konnte, was man hier von mir erwartete, war ich nicht imstande gewesen, mich irgendwie vorzubereiten. Frage um Frage hatte ich nun zu beantworten, und woran der eine nicht dachte, das brachte der andere, so dass das Fragen kein Ende nehmen wollte. Eine Stunde verging, bis ich, dank einer wunderbaren, von mir in dieser Kraft noch nicht erlebten Inspiration beim Aufsuchen der Schriftstellen, alle ihre Fragen beantwortet hatte.

„Glaubt ihr an die biblische Taufe und vollzieht ihr sie durch Untertauchen? „Feiert ihr das biblische Mahl des Herrn und die Fußwaschung?“ So lauteten einige der letzten Fragen, die ich mit „ja“ beantworten konnte, wobei ich genügend Schriftstellen zur Begründung anführte. Dann fragten sie: „Haltet ihr das Passahmahl?“ Ehe ich nun meine verneinende Antwort durch einige Schriftstellen begründete, sagte ich: „Seit einer Stunde stellt ihr Frage um Frage an mich, und alle habe ich anhand von bib­lischen Grundlagen beantwortet. Nun möchte auch ich einige Fragen an euch richten. Nachdem ich noch einmal die letzten Fragen, die sie an mich gestellt hatten, wiederholte, fragte ich die Anwesenden, ob sie diese Dinge glaubten und auch ausübten, was sie bejahten.

„Feiert ihr auch das Passahmahl?“, fragte ich dann.

„Nein“, war die Antwort.

Dann öffnete ich meine Bibel und las drei Verse aus verschiedenen Stellen aus 2.Mose 12, in denen die Anordnung des Herrn zu lesen ist, dass die Israeliten und ihre Nachkommen dieses Mahl „ewiglich“ halten sollen. Dann fragte ich sie: „Warum führt ihr diese Anordnung des Herrn nicht aus?“

Darauf sagte jemand: „Jesus Christus ist unser Passahlamm.“

„Hier steht nicht, dass Jesus Christus unser Passahlamm ist“, entgegnete ich. „Die betreffende Stelle gebietet, es zu halten, und zwar heißt es da: ‚Darum so halte diese Ordnung für dich und deine Nachkommen ewiglich.‘ Was bedeuten die Worte ‚ewiglich‘?“

„Bis zum Ende“, bemerkte jemand.

„Ist das Ende der Welt nun schon hereingebrochen?“, fragte ich.

„O, all dies hatte doch nur unter dem Gesetz Gültigkeit“, war eine andere Antwort.

„Nein, das Gesetz war zu jener Zeit noch nicht gegeben. Könnt ihr mir nun eine klare Antwort geben, warum ihr es nicht haltet?“

Eine Bewegung ging durch die Menge und ich konnte hören, wie man dem Vorsitzenden zuflüsterte, dass er diese Frage beantworten solle, worauf er entgegnete: „Ich werde den Bruder fragen, warum er es nicht hält.“

Ich forderte sie nun auf, Mt. 1:17 aufzuschlagen, wo es heißt: „Alle Glieder von Abraham bis auf David sind vierzehn Glieder. Von David bis auf die babylonische Gefangenschaft sind vierzehn Glieder. Von der babylonischen Gefangenschaft bis auf Christus sind vierzehn Glieder“. Nun führte ich aus: „Der Herr hat den Juden in jener Botschaft befohlen, sie und alle ihre Nachkommen sollten dieses Fest feiern. Diese Verse beschreiben den zeitlichen Verlauf dieser Nachkommenschaft, die mit Abraham begann und mit Jesus endete. Christus war das Ende dieser Nachkommenschaft. Er war die Vollendung. Er war das Passahopfer, das ewiglich gefeiert werden soll. Nach seinem Opfertod waren die Juden nicht mehr das auserwählte Volk Gottes. Seit jener Zeit verbreitete sich das Evangelium unter allen Nationen der Erde. Nach dem Tod unseres Herrn entbehrt das Halten des Passahmahls jeder biblischen Grundlage.“

Meine Antwort befriedigte die Anwesenden. Sie sagten dann, dass auch sie die Feier des Passahmahls als unnötig betrachteten und wären nun froh, diese biblische Erklärung erhalten zu haben. Nachdem eine weitere Stunde verstrichen war, während der noch manche Frage geklärt und beantwortet wurde, erhob sich der Versammlungsleiter und sagte:

„Wir danken Gott für das Licht, das wir durch diese Ausführungen erhielten, und erlauben uns zu fragen, welche Vorrechte uns daraus erwachsen, wenn wir auf Grund dieser Aussprache den Beschluss fassen sollten, uns mit der Gemeinde, die Sie vertreten oder einer anderen, die den Namen „Gemeinde Gottes“ trägt, zu vereinigen?

Ich öffnete die Bibel und sagte: „Darüber werde ich euch einiges aus dem 17. Kapitel des Johannesevangelium vorlesen.“ Ich las dann die Verse 20-24: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast ...“. Weiter sagte ich: „Hier sind Vertreter von fünf christlichen Körperschaften versammelt, die es für sich in Anspruch nehmen, die Gemeinde Gottes darzustellen, von denen jedoch vier unter einem anderen Namen bekannt sind. Angenommen, ein Heide würde sich in unserer Mitte bekehren, und jemand gäbe ihm den Rat, sich einer Gemeinde anzuschließen. Dann würde er fragen: ‚Welcher Gemeinde?‘ Ihr würdet antworten: ‚Der Gemeinde Gottes‘. Wäre dieser Mann nun heute Nachmittag in unserer Mitte, dann wäre naturgemäß seine nächste Frage: ‚Welcher Gemeinde Gottes?‘ Ich denke, dass euch dieses Beispiel in Verbindung mit der erwähnten Bibelstelle eine genügende Antwort auf eure Frage sein wird.“

An jenem Abend hielt ich ihnen eine Predigt über die Gemeinde. Am Ende erhob sich eine Frau und sagte: „Mein Platz ist von nun an in der Gemeinde Gottes.“ Der stellvertretende Versammlungsleiter ergriff meine Hand und versicherte mir, auch er wolle in diesem Licht wandeln. Eine Anzahl anderer lobten und priesen Gott für die gehörten Wahrheiten und das neue Licht. Später schrieb mir einer der Ältesten jener Gemeinden, dass er seinen Platz in der Gemeinde Gottes gefunden habe. Ich habe an ihren weiteren Gottesdiensten und Besprechungen nicht mehr teilgenommen, aber immer durfte ich meinem Gott danken und ihn für die Hilfe rühmen, die ich von ihm während jener so wichtigen Unterredung empfangen hatte.