„Gehe nach Bay View“

Während der Zeit, wo ich  überhaupt das Vorrecht habe, vom Herrn Aufträge zu empfangen und unter seiner Führung zu stehen, empfing ich vor einigen Jahren eine der deutlichsten Botschaften. Ich befand mich auf der Reise von Grand Junction nach Cast Jordan im Staate Michigan, um an einer dreitägigen Versammlung teilzunehmen. Nachdem ich Grand Rapids erreicht hatte, blieb der Zug für einige Stunden liegen, da unter den Arbeitern dieser Eisenbahngesellschaft ein Streik ausgebrochen war.

Ich benutzte diese Stunden, um die Stadt anzusehen. Während ich die Straße entlangging, erhielt ich eine Botschaft, so klar, wie eine Stimme nur sprechen kann: „Gehe nach Bay View.“ Wohl hörte ich keine lauten Worte, aber dieser innere Befehl war so deutlich, dass ein Irrtum ausgeschlossen war. Ich fühlte, dass dies eine Botschaft vom Herrn war, obwohl ich keinen Grund kannte, warum ich nach Bay View gehen sollte. Dieser Ort war 300 Meilen von hier und auch eine ziemliche Strecke vom Versammlungsort entfernt. Zögernd und nachdenklich stand ich auf der Straße, als ich wieder die gleichen Worte vernahm: „Gehe nach Bay View“. Und noch ein drittes Mal vernahm ich dieselbe Botschaft. Ich war nun so überzeugt, dass dies Gottes Auftrag war, dass ich ihm sagte, wenn er es so führte und den Weg dazu öffnete, wollte ich gehen.

Noch nie war ich in jener Stadt gewesen und der Grund meiner Reise dorthin war in Dunkel gehüllt. Die einzige Person, die ich in Bay View kannte, war Schwester Josephine Courtney, die schon für das Werk des Herrn auf Reisen gewesen war. Ich hatte keine Ahnung, ob ich sie gerade jetzt zu Hause antreffen würde. Ich dachte nach, um vielleicht einen anderen Grund meiner Botschaft zu finden, und erinnerte mich dann, dass in jener Stadt gerade eine große Methodisten-Konferenz tagte, an der auch ein Bischof mit Namen Foster teilnahm.

Vor einiger Zeit hatten wir in einem Traktat einiges aus seinen Schriften angeführt. Da nun einige Leser die Echtheit dieser Ausführungen bezweifelten, hatten wir dem Bischof über diese Angelegenheit geschrieben, ohne eine Antwort von ihm zu erhalten. Nun kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht mit diesem Mann zusammentreffen sollte, aber nach ernstem Gebet empfand ich klar, dass dies nicht der Grund meiner Reise war.

Ich kam dann am Ort unserer Versammlung an und berichtete den Brüdern von meinem eigenartigen Auftrag. Einer unter ihnen sagte: „Ich wünschte, du könntest hingehen, denn Schwester Courtney wohnt dort. Ich glaube, du wirst sie jetzt antreffen, und dein Besuch wird ihr eine große Ermutigung sein.“

Nach Beendigung der Versammlung fuhr ich nach Bay View, wo ich um zehn Uhr vormittags ankam. Ich erkundigte mich nach der Wohnung dieser Schwester und erfuhr, dass sie im entfernten Teil der Stadt wohne. Noch war mir der Zweck meines Besuches vollkommen dunkel.

Sehr gut erinnerte ich mich des tiefen Ernstes, mit dem ich meinen Gott suchte, als ich durch die Straßen ging, nichts ahnend von dem, was im Hause dieser Schwester vorging. Dann erfasste mein Gemüt der lebhafte Eindruck, dass vielleicht jemand krank oder in großen Nöten sei und Hilfe und Ermutigung brauche. Ich vergaß beinahe alles, was um mich war, streckte fast unbewusst meinen Arm aus und sagte mit hörbarer Stimme: „O Herr! Strecke deine Hand aus, zu heilen und zu helfen.“ Kein Mensch war in meiner Nähe, der die Worte hätte hören können, aber greifbar nahe schien mir die Gegenwart meines Gottes. Ich ging weiter und fühlte, dass sein Geist mich führte und dass ich bald Klarheit über diese Botschaft bekommen würde.

Wenige Minuten später näherte ich mich dem Haus und sah Schwester Courtney in der Tür stehen. Gleich darauf stand ich vor ihr und sagte: „Hier bin ich, Schwester Courtney, aber der Zweck meines Kommens ist mir durchaus unklar.“

„Dich hat der Herr gesandt“, entgegnete sie. Nachdem sie den Bericht über meine eigenartige Botschaft gehört hatte, lobte und pries sie Gott laut und sagte: „Dich hat bestimmt der Herr gesandt. Seit einiger Zeit ist meine Schwester Emma sehr krank und dem Tode nahe. Wir wussten, wenn nicht bald Hilfe kommt, wird sie sterben, und die Maßnahmen zu ihrer Beerdigung sind bereits besprochen.“

Nachdem wir im Hause waren, setzten wir unsere Unterhaltung fort. Bald hatte ich ein klares Bild ihrer Krankheit und auch von all den Dingen, die damit im Zusammenhang standen. Schwester Emma war ein sehr ergebenes und dem Herrn geweihtes Kind Gottes. Es schien, dass die Lieben nicht imstande gewesen waren, den rechten Glauben zu ihrer Wiederherstellung aufzubringen, weil sie sich darüber nicht im Klaren waren, ob ihre Wiederaufrichtung dem Willen Gottes entspräche. Einer der Anwesenden bat mich, den Herrn um die Offenbarung seines Willens hinsichtlich ihrer Genesung zu bitten. Ich zog mich dann in ein Zimmer zurück und auch Schwester Courtney suchte die Stille auf.

Nach kurzer Zeit insbrünstigen Gebets kamen wir wieder im Krankenzimmer zusammen. Wir beide hatten die tiefe Überzeugung erhalten, dass der Herr sich an der Schwester verherrlichen wolle. Gerade als ich das Zimmer betrat, kamen mir die Worte in den Sinn: „Diese Zeichen werden folgen denen, die da glauben“, und laut wiederholte ich sie. Die Absicht Gottes, die Schwester zu heilen, war jetzt ohne allen Zweifel.

Wir handelten nun gemäß der Anordnung, die der Herr uns in Jakobus 5:14-15 gibt, worin es heißt: „Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde und sie sollen ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn und über ihm beten. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.“

Wir salbten sie mit Öl, legten ihr unsere Hände auf und baten Gott, seine Heilkraft zu senden. Sogleich durchzog die wunderbare Heilkraft Gottes ihren Körper. Sie erhob sich von ihrem Lager, warf die Hände in die Höhe, lobte und pries Gott, während sie im Zimmer auf und abschritt. Gesundheit und Kraft des Leibes wurden ihr sogleich zuteil. Das Zimmer schien mit der Kraft Gottes erfüllt zu sein. Und nicht nur das Zimmer war von seiner Herrlichkeit durchdrungen, auch unsere Seelen waren bis zum Überfließen gefüllt.

Auch Schwester Courtney, die schon seit 18 Jahren ein schweres Magenleiden hatte, wollte diese Kraft Gottes an ihrem Leibe erfahren. Als wir uns mit ihr vereint noch einmal dem Throne Gottes nahten, wurde auch sie gesund. Wahrlich, in diesem Hause war große Freude eingekehrt. Nachdem wir gemeinsam das Abendessen eingenommen hatten, schien es mir, dass mein Auftrag in Bay View erfüllt sei. Mit dem Abendzug legte ich dann 300 Meilen zurück, um mein Heim zu erreichen.