Sturm auf See

Schon als Knabe hatte ich den Wunsch, einen Sturm auf dem Meer zu erleben. Jahre später hatte ich Gelegenheit, eine Fahrt über den Ozean zu machen und auch einen furchtbaren Sturm mitzuerleben. Das Schiff war mitten auf dem Meer, als es in ein Unwetter geriet. Der Sturm brach herein, die Wellen stiegen höher und höher. Das Schiff begann stark zu schwanken und das Wasser spülte bereits über Deck. Ich stand noch allein oben auf Deck, hielt mich an dem Schiffsgeländer fest und beobachtete das gewaltige Schauspiel. Bergeshoch erhoben sich auf der einen Seite die Wellen und auf der anderen Seite sah ich die tiefen Schluchten zwischen den Wogen.

Dann kam der Kapitän und befahl mir, das Innere des Schiffes aufzusuchen. Alle Türen wurden verschlossen, um das Betreten des Deckes zu verhindern. Schwer arbeitete sich das große Schiff durch die wütende See und Welle auf Welle ergoss sich darüber. Jetzt donnerte eine Sturzwelle gegen die Tür, sie gab nach und das Wasser ergoss sich in das Innere des Schiffes.

Ich erinnere mich, wie ein Bruder sagte: „Dieses Schiff wird nicht untergehen, es wird von Tausenden von Gebeten in den Hafen gezogen“. Ja, wir konnten wohl versichert sein und ruhig und gefasst das Weitere abwarten, weil wir wussten, dass Gott die Gebete der Geschwister auf dem Lande beantworten und uns in aller Gefahr beschützen würde. Fast alle Fahrgäste zogen sich in ihre Kabinen zurück und zwei Tage und zwei Nächte waren nur wenige imstande, den Speisesaal zu betreten. Der Versuch, dort hinzugelangen, war auch gar nicht so leicht. Die Tische des Speisesaales waren mit einem Fachwerk bedeckt, das den ganzen Tisch einnahm. Der Tisch war auf diese Weise in Fächer von fünf Zentimeter Tiefe und annähernd dreißig Zentimeter Seitenlänge eingeteilt. Das Eßgeschirr sollte so vor dem Abgleiten bewahrt werden. Die Bewegungen des Schiffes waren jedoch so stark, dass die Schüsseln und Teller von einem Fach zum andern rutschten, und hier und da fiel eins klirrend zu Boden. Die Stühle und andere Sitzgelegenheiten lagen zerstreut umher.

Wenn nun jemand etwas zu sich nehmen wollte, musste er sich mit seinen Füßen am Stuhl und am Tisch festklammern und mit den Händen das Essgeschirr festhalten, bis der Tisch eine einigermaßen waagerechte Lage einnahm. Diesen Moment nahm er wahr, um einen Bissen in den Mund zu stecken, und hatte dann Zeit, während das Schiff seine rollenden Bewegungen machte, denselben zu verzehren. Für die meisten Reisenden ist solch ein Sturm auf hoher See eine höchst unangenehme Sache. Entweder liegen sie seekrank in ihren Kabinen oder denken voll Furcht und Schrecken an die große Gefahr, in kurzer Zeit vielleicht auf dem Grunde des Meeres zu ruhen. Aber der Herr war mit uns und wir fuhren trotz Sturm und Wetter sicher in den Hafen ein.