Die Gaben der Heilung

Wenn ich in meiner Jugend im Neuen Testament von den Wundern und Heilungen las, die von Jesus und seinen Jüngern berichtet werden, wunderte ich mich, dass diese herrlichen Dinge heute nicht mehr geschehen. Ich fragte mich: „Hat sich das Evangelium geändert?“ Mein Herz wurde von einem starken Sehnen ergriffen, auch jetzt noch eine gleiche Offenbarung der Kraft Gottes zu erleben. Mir wurde jedoch erzählt, dass diese Dinge seit dem Ende der apostolischen Zeit nicht mehr geschehen wären und dass es Gott nicht als angemessen gesehen hätte, den Menschen solche Gaben auch heute noch zu schenken. Für mich war es eine ermutigende Zeit, als ich mehr und mehr in den Stand gesetzt wurde, die Bedeutung der Schriftstelle zu erfassen: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ (Hebr. 13:8). Ebenso lernte ich verstehen, dass der Herr diejenigen, die er zum Dienst beruft und aussendet, sein Evangelium zu predigen, mit seiner Kraft ausrüstet.

Als der Herr mich in die Arbeit des Verlagswerks rief, war ich nicht nur in allen geschäftlichen Dingen unerfahren, sondern besaß auch nur eine sehr geringe Erkenntnis in geistlichen Dingen. Zu jener Zeit hatte ich es noch nie versucht, zu predigen oder auch nur eine Hausgebetsversammlung zu leiten. Ich pflegte oft über die Gaben des Geistes zu lesen und glaubte, dass Gott sie seinen Dienern geben würde. Dabei verstand ich weder ihre volle Bedeutung, noch wusste ich, wie sie zu erreichen sind.

Meine Arbeit in unserem Verlagswerk war mit der Beantwortung von allerlei Briefen verbunden. Menschen baten um Erklärung von Schriftstellen, andere suchten Rat und Beistand in den verschiedensten Angelegenheiten des Lebens, viele baten um Gebete für ihre Schwierigkeiten oder suchten geistliche Hilfe und auch Heilung. Da ich diesen Dingen meine besondere Aufmerksamkeit zuwandte, nahm mein Glaube zu und ein großes Verlangen kam über mich, mit mehr Kraft, mehr Glauben, mit mehr Fähigkeiten hinsichtlich der Krankenheilung ausgerüstet zu werden. Monatelang hatte ich nicht das Vorrecht, eine Predigt zu hören. Brüder, die im vollen Licht des Evangeliums wandelten, an göttliche Heilung glaubten und für die Kranken beteten, führten diese Dinge nur gelegentlich in ihren Predigten an.

Wenige Monate nachdem ich die Arbeit im Verlagswerk aufgenommen hatte, wurde also das Sehnen in mir immer stärker, die Gaben der Heilung zu erhalten. Aber noch wusste ich nicht, was sie alles einschlossen, noch wie ich sie erhalten könnte. Eines Abends wurden Bruder Mayne und ich gebeten, eine Hausgebetsversammlung zu leiten, die 1,5 Meilen entfernt von uns abgehalten werden sollte. Es war die Versammlung, nach der der 13-jährige Jimmie, von dem ich schon erzählte, bat, für seine Heilung zu beten. Als er uns sagte, dass das Ölfläschchen auf dem Kaminsims stände und uns dann als Älteste der Gemeinde bat, nach Gottes Wort zu handeln, blickten wir uns beide an. Wir wussten nicht, ob wir ein Recht hatten, ihn zu salben oder uns als Älteste anzusehen, da ich noch nie gepredigt und Br. Mayne erst einige Male das Wort verkündigt hatte. Als Jimmie nun auf der Salbung bestand, bat ich Br. Mayne, dies zu tun, da für solch eine Handlung wahrscheinlich er in Frage käme. Wir waren noch im Gebet, als Gott bereits seine Heilkraft sandte. Jimmie warf seine Bettdecke zur Seite, sprang aus dem Bett , lobte und pries Gott. Nach drei Tagen war er bereits wieder vollkommen gesund und ging zur Schule.

Kaum hatten wir das Haus verlassen, da versuchte der Seelenfeind mir einzureden, dass bei dieser Heilung keineswegs mein Glaube mitgewirkt hätte. Ich hätte ja noch nie gepredigt und könne daher nicht das Amt eines Ältesten beanspruchen. Außerdem wäre ich nicht befugt, die Gaben des Geistes zu empfangen oder auszuüben. Obgleich diese Anklagen begründet erschienen, blieb das sehr starke Verlangen in mir, diese Gaben zu besitzen und anzuwenden.

Wenige Tage später wurden wir an einem anderen Ort nach Schluss der Abendversammlung zu einer Frau gerufen, die an Gesichtsrose schwer erkrankt war. Still bat ich meinen Gott, wenn er mir jene Gabe, nach der mein Herz so sehr verlangte, gegeben habe oder noch geben wolle, dann möchte er den Bruder bewegen, mich zu bitten, der Kranken die Hände aufzulegen. Kaum war mein Gebet zu Ende, als sich der Bruder umwandte und mich bat, der Kranken die Hände aufzulegen. Die Frau wurde sogleich geheilt.

Kaum hatte ich den Ort verlassen, als der Teufel mich mit den gleichen Anklagen wie vorher zu quälen anfing. Er warf mir vor, dass der Bruder doch ein Ältester sei und schon häufig gebeten worden wäre, für die Kranken zu beten, und dass auch dieses eine Folge seiner Gebete sei. Und doch verließ mich der Wunsch nicht, diese Gabe zu besitzen, und ich betete um eine endgültige Antwort von Gott.

Kurze Zeit danach hielt ich mich im Hause meiner Mutter auf. Eines Tages brachte eine Frau ihr Enkelkind zu uns, das sehr ernst erkrankt war. Niemand war da, mir im Gebet zu helfen, und so brachte ich jenes Kind allein im Gebet dem Herrn. Nach einigen Tagen hörten wir, dass das Kind noch immer krank sei. Nun flüsterte mir der Feind ein, dass meine Zuständigkeit in diesen Dingen außer Frage sei. Jetzt, da ich allein gebetet hatte, wäre keine Heilung erfolgt. Ich erfuhr dann, dass der Vater des Kindes ein Gegner der biblischen Lehre von der Krankenheilung sei. Aber das Kind wurde doch noch gesund.

Einige Zeit später wurde ein Kranker gebracht, für den ich betete. Er und dann auch mehrere andere wurden auf mein Gebet hin gesund. Der Sieg war gewonnen. Mehr und mehr wurde mir Gelegenheit gegeben, für die Kranken zu beten. Seit jener Zeit durfte ich Zeuge der Heilung vieler tausend Menschen sein.

Jedoch hatte ich noch keinen klaren Begriff, was die Gaben der Heilung alles einschließen. Eines Sonntags hielt Br. Warner in der Bibelklasse eine Betrachtung über das 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes und gab einige gute Anregungen hinsichtlich der verschiedenen Gaben. „Ferner“, so sagte er, „gibt es Gaben der Heilung.“ Ich fragte ihn dann, was das Wort „Gaben“ wohl alles in sich schließe. Bruder Warner antwortete dann, dass der eine wohl die Gabe der Heilung von Fieber und ähnliche Krankheit hätte, ein anderer vielleicht von rheumatischen Krankheiten, der dritte von Lähmungen und dergleichen.

Dann sagte ich: „Die Bibel sagt, dass im Fall einer Krankheit die Ältesten geholt werden sollen. Es wird also für den Kranken notwendig sein, festzustellen, welcher Bruder nun gerade die Gabe der Heilung von seiner Krankheit besitzt.“

„Nein, nein“, sagte Br. Warner, „so wird es nicht sein. Aber eine genaue Auslegung kann ich nicht geben.“

Obwohl ich noch eine Anzahl anderer Prediger über dieses Problem befragte, erhielt ich keine befriedigende Antwort. Wenige Jahre später sprach ich in einer Bibelklasse über göttliche Heilung. Jede Woche wurde ungefähr ein Dutzend vorher festgelegten Fragen behandelt. Nahezu hundert Personen nahmen an diesen Stunden teil, von denen die Mehrheit Leute waren, die ihre Bibel kannten. Eines Abends stand nun die Frage zur Diskussion: „Was sind die Gaben der Heilung?“

Den Teilnehmern wurde eine Woche Zeit gegeben, sich für das Thema gründlich vorzubereiten. Auch ich erwartete, Licht über den so wichtigen Gegenstand zu empfangen. „Vielleicht ist einer der Teilnehmer imstande, eine genügend befriedigende Erklärung zu geben“, dachte ich. Die Stunde der Aussprache kam, ohne dass ich weiteres Licht empfangen hätte. Ich fragte nun zunächst die Klasse um ihre Ansicht und Stellungnahme zum Thema. Drei oder vier gaben dann ihre Erklärung ab, die doch nicht zufriedenstellend waren.

Jemand bat nun mich um eine Erklärung. Bis zu diesem Augenblick war ich nicht imstande, über jenes für uns so überaus wichtige Thema etwas Grundsätzliches zu berichten. Jedoch nach dieser Fragestellung bat ich die Anwesenden sogleich, Matthäus 10:1 aufzuschlagen, denn hier würden sie die Antwort finden. Die Stelle lautet: „Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten jede Seuche und jede Krankheit.“ Jesus gab also den Jünger die Macht:

1) Die unreinen Geister auszutreiben,

2) Jede Seuche zu heilen,

3) Jede Krankheit zu heilen.

Konnte der Umfang der Heilungsgaben noch klarer ausgedrückt werden? Die Klasse schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein und nie habe ich eine bessere Antwort auf diese Frage finden können. Dann wurde die Aufmerksamkeit auf das 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes gelenkt, wo der Apostel Aufklärung über geistliche Gaben gibt.

Nun wurde die Frage aufgeworfen: „Werden die Gaben der Heilung einzelnen oder allen Predigern gleich verliehen? Können auch andere, die nicht im Predigtamt stehen, diese Gaben besitzen?“ Die Antwort lautete, dass alle, die den Auftrag vom Herrn bekommen haben, das Evangelium zu verkündigen, das Vorrecht haben, mit dieser Kraft ausgerüstet zu werden, damit sie imstande sind, die Pflichten eines Ältesten, wie in Jakobus 5:14-16 angegeben, auszuführen. Im 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes wandte sich Paulus nicht nur an die Prediger der Gemeinde, wie es aus dem 2. Vers des 1. Kapitels hervorgeht, sondern auch an:

1) die Gemeinde Gottes in Korinth,

2) die Geheiligten in Christus Jesus,

3) berufene Heilige,

4) alle, die den Namen unseres Herrn Jesu Christi anrufen.

Allen diesen ruft er zu: „Über die geistlichen Gaben aber will ich euch, Brüder, nicht in Unwissenheit lassen ... Dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben; ... einem anderen Gaben der Heilung ...“ (1.Kor. 12:1.8-9). Diese Worte galten also nicht nur den Predigern in Korinth, sondern allen Nachfolgern des Herrn. Nimmt ein Diener Gottes die Kraft für sich nicht in Anspruch, dann wird er in seinem Gebet keine Macht über Seuchen und Krankheiten haben.

Bald nachdem der Herr seine Macht durch mich in der Heilung der Kranken durch Auflegen der Hände oder durch das Gebet des Glaubens für diejenigen, die nicht anwesend sein konnten, offenbarte, hielt ich neben meinen regelmäßigen Arbeiten im Verlagswerk Gebetsstunden ab. Auch in öffentlichen Versammlungen gab ich aufgrund der Heiligen Schrift Ermahnungen und Erklärungen und erteilte biblischen Gruppenunterricht. Im August 1892 wurde ich zum Dienst am Wort ordiniert.

Bereits vor dieser Zeit hatte ich verschiedene Prediger gehört, die in ihren Ansprachen auch für göttliche Heilung eintraten. Auch war ich bereits Zeuge gewesen, dass der Herr als Antwort aufs Gebet die Kranken gesund machte. Doch seit dieser Zeit wurde die Lehre von der göttlichen Heilung immer mehr aufgenommen und ich hörte seitdem schon manch eine herrliche Predigt darüber.

Ein besonders gutes Stück schien die Gemeinde in dieser Hinsicht im Jahre 1895 vorwärtszukommen, obwohl uns auch der Feind viel zu schaffen machte. In einer der größten Zeitungen Chicagos erschien damals ein Artikel über unsere Heilungslehre, der fast eine ganze Seite einnahm. Durch einige Karikaturen, die mich bei der Heilung von Kranken darstellten, wollte der Verfasser unsere Lehre lächerlich machen. Auch andere Zeitungen bemühten sich in dieser Richtung. Sie halfen aber gerade dadurch, das Evangelium über die göttliche Heilung zu verbreiten.

In diesem Jahr wurden während der Lagerversammlung in Grand Junction sehr viel Kranke geheilt. Vier Männer und fünf Frauen, die todkrank waren, wurden damals als Antwort auf unsere Gebete sofort gesund. Bruder Swinburne aus Denver, Colorado, war einer von ihnen. Er wurde von einer schweren Blutvergiftung vollkommen geheilt.

So wie der Teufel den Herrn in der Wüste versuchte, wie er Elia auf die Probe stellte, als er auf der Flucht vor Ahab war, wie er die Apostel oft in ihren größten Erfolgen entmutigte, so war er auch auf dem Plan, uns zu schädigen, wo er nur konnte. Eines Tages, als wir uns gerade in einer machtvollen Heilungs-Versammlung befanden, wurden zwei blinde Mädchen vor uns gesetzt. Sie mochten wohl sechs Jahre alt sein und waren seit ihrer Geburt blind. Und seltsam, gerade da geriet unser Glaube ins Wanken, ohne dass wir den Grund kannten. Der Glaube der Brüder, die die Hände auflegten und beteten, zerfiel in nichts. Auch ich versagte und die beiden Mädchen empfingen keine Hilfe. Es dauerte eine Zeitlang, ehe wir für andere das Gebet des Glaubens beten konnten. Bald mussten wir den Saal für eine andere Versammlung räumen. Wir fühlten uns geschlagen und wie die Apostel, als sie eine ähnliche Enttäuschung erfuhren (Mk. 9:18.28).

Es drängte mich nun an einen stillen Ort, um vom Herrn die Ursache dieses Fehlschlags zu erfahren. Leider konnte ich mein Vorhaben nicht gleich ausführen, aber am Abend trieb mich mein Verlangen in ein nahes Wäldchen. Dort lag ich dann im Gras und fragte in ernstem Gebet den Herrn über diese Dinge. Die Eindrücke, die ich empfing, waren so tief, als spräche Gott zu mir, und all die Empfindungen, die mich durchzogen, schienen sich in die Worte zu formen: „Das würde ein Wunder sein. Wer in der Gemeinde Gottes nimmt die Gabe, Wunder zu tun, für sich in Anspruch?“ Die Frage lautete also nicht: „Wer hat die Gabe der Wunder?“ Ich entgegnete dann: „O Herr, ich weiß von niemand, der diese Gabe für sich in Anspruch nimmt.“ Ich durfte dann durch die Gnade Gottes verstehen, dass er wünschte, irgend einen mit dieser herrlichen Gabe auszurüsten. Dann würden auch andere ermutigt werden, in gleicher Weise im Glauben zu folgen.

Als ich aufstand, trieb es mich, das soeben Erlebte Bruder Warner mitzuteilen. Ich fand ihn jedoch nicht mehr im Versammlungsraum. Deshalb begab ich mich in seine nahegelegende Wohnung und war erfreut, als ich ihn dort allein antraf. Nach meinem Bericht rief er aus: „Das ist vom Herrn. Er will seine Gemeinde auch in dieser Hinsicht ausrüsten und ohne Zweifel will er diese Gabe dir anvertrauen.“ Nach kurzer Unterhaltung gingen wir beide ins Gebet. Nachdem ich geendet hatte, betete Br. Warner. Während er betete, flehte ich still zu Gott, wenn ich diese Gabe empfangen sollte, dann möchte er den Bruder inspirieren, mir die Hände aufzulegen. Kaum hatte ich meine stille Bitte zum Thron des Höchsten gesandt, als Br. Warner mitten im Gebet anhielt und in die Worte ausbrach: „Bruder Byrum, der Herr beauftragte mich, dir zur Bestätigung deines Amtes die Hände aufzulegen.“

Als nun Br. Warner gemäß seines Auftrags handelte, fühlte ich mit großer Bestimmtheit, dass der Herr seine Zustimmung gab, obwohl ich keine ungewöhnliche Ausgießung seines Geistes empfand. Aber ich wusste, dass mein Glaube die Verheißungen Gottes mit ungewöhnlicher Autorität und Festigkeit erfasst hatte. Als ich dann später erfuhr, dass am nächsten Tag eine Zusammenkunft für solche stattfinden solle, die an einem geistlichen Vorankommen und einer vollkommeneren Erreichung der Geistesgaben interessiert wären, zog große Freude in mein Herz ein.

Während dieser Versammlung wurde ich nun getrieben, einige Bemerkungen über den letzten Teil des 16. Kapitels im Markus-Evangeliums zu machen. Ich beabsichtigte keineswegs, von meiner Erfahrung des letzten Abends zu berichten. Jedoch mitten in meinen Darlegungen musste ich einem inneren Drang nachgeben und berichtete dann, wie der Herr sich mir offenbart hatte. Mit Tränen in den Augen rief mancher Diener Gottes sein „Amen“ in den Saal. Während die Gegenwart Gottes unter uns besonders spürbar war, empfanden fünf Prediger, dass sie die Verheißungen des Herrn in Bezug auf diese Gaben für sich beanspruchen und ausüben sollten. Und sie empfingen auch eine besondere Salbung und Ausrüstung der Kraft Gottes.

Am nächsten Morgen wurden wir, die wir uns dem Herrn besonders geweiht hatten, in ein Zelt gerufen, um wiederum für diese beiden blinden und ein verkrüppeltes Mädchen zu beten. Ob wir durch unseren vorherigen Fehlschlag noch beeinflusst waren und daher nicht die nötige Autorität des Glaubens aufbrachten, weiß ich nicht. Jedenfalls erlebte ich eine neue Enttäuschung, denn keines der drei Mädchen wurde geheilt. Wiederum ging es uns wie den Jüngern in Markus 9:28. Eine Flut von Anklagen des Feindes erging jetzt über uns und besonders der Vorwurf: Wenn ihr je irgendeine Kraft von Gott besessen habt, so habt ihr sie nun verloren. Wir widerstanden jedoch gläubig den Anklagen des Teufels, weil wir wussten, dass der Herr uns in irgendeiner Weise bald zu Hilfe kommen würde.

Zwei Tage später sollte ich, begleitet von Bruder Daugherty, eine viermonatige Reise zu den Gemeinden in den Weststaaten unternehmen, wo Versammlungen stattfinden sollten, an denen wir teilnehmen wollten. Wir waren fast eine Woche unterwegs, da unser Weg durch Kanada führte. Wir machten halt in Seattle und später in Colfax, im östlichen Teil des Staates Washington. Nun befanden wir uns nicht mehr weit von dem Ort, wo die er­ste Lagerversammlung stattfand.

Niemals vorher führte ich solch einen verzweifelten geistlichen Kampf gegen die Anklagen des Teufels wie jetzt. Wir fuhren in einem geschlossenen Reisewagen, in dem sich eine kleine Küche und ein Wohnraum befanden. In den ersten Tagen hatten wir nur sehr wenige Mitreisende. Die meiste Zeit unserer Fahrt verbrachten wir in jenen zwei Räumen in ernstem Gebet, bis wir endlich die Gewissheit hatten, den Sieg errungen zu haben.

Eines Nachmittags kamen wir nun im Lager an. Die Versammlung war gerade zu Ende und die Menschen strömten auf uns zu, um uns zu begrüßen. Br. J. N. Byers empfing uns mit den Worten: „Wir warten schon bereits auf euch, ihr lieben Brüder. Wir hörten von den großen Dingen, die im Osten geschehen sind, und freuen uns mit euch über die gewaltigen Offenbarungen der Kraft Gottes dort. Auch in unserer Mitte wirkt der Herr, aber einige besonders schwere Krankheitsfälle konnten noch nicht beseitigt werden.“

Als wir uns umschauten, sahen wir die Blinden, die Lahmen, die Tauben, die Stummen, die Fallsüchtigen, die vom Teufel Besessenen und viele, die mit anderen Krankheiten behaftet waren. All diese Menschen schauten in großer Erwartung auf uns. Still betete ich zu meinem Gott: „O Herr, wird mein Glaube groß genug sein?“ Niemals vorher fühlte ich eine größere Abhängigkeit von Gott. Nie kam mir meine Schwäche mehr zum Bewusstsein wie jetzt, doch der Herr stärkte mich durch seinen Geist und ermutigte mein Herz.

Die Menge um mich wusste nichts von den Kämpfen, durch die ich ging, als wir zusammen den Herrn priesen. Sobald die nächste Versammlung vorüber war, verließ ich den Lagerplatz. In einem Getreidefeld auf einem benachbarten Hügel lag ich dann zwei Stunden auf meinem Angesicht und betete zu Gott um Hilfe und um ein sichtbares Bestätigungszeichen, dass er mir Macht über diese Krankheiten gegeben hätte. „Warum bittest du den Herrn um etwas, was du bereits besitzt?“, kam dann die Antwort vom Himmel. Nun erhob ich mich und begab mich wieder zum Lager.

Nach der folgenden Versammlung suchte ich wieder die Einsamkeit auf, um allein mit Gott zu sein. Jedoch das Gebet wollte nicht gelingen. Eine Stunde lang versuchte ich zu beten und Gott um besondere Hilfe und eine deutlichere Offenbarung seines Willens anzurufen. Der Herr schien jedoch mein fortgesetztes Rufen nicht zu beachten und die einzige Antwort, die ich nun wiederum empfing, war die Versicherung Gottes, wie unnötig es sei, ihn fortwährend um etwas anzurufen, was ich bereits besaß.

Später ging ich noch ein drittes Mal, um an einem stillen Ort um völlige Gewissheit zu flehen. Eine Unruhe, die Fragen, die meine Seele so sehr bestürmten, noch nicht zur Entscheidung gebracht zu haben, trieb mich jetzt auf die Knie. Ich hatte die Absicht, nun meinen Herrn mit aller Macht um die notwendige Hilfe anzuflehen, doch brachte ich nur die Worte heraus: „O Herr, ich preise dich für das, was du mir gegeben hast.“ Die Kraft und Herrlichkeit Gottes erfüllten nun meine Seele. Ich stand dann auf und sagte: „Herr, nun offenbare deine Macht durch deinen Diener!“

Nicht lange danach kam ein Mann zu mir, der während dieser Lagerversammlung Heilung vom Herrn erwartete. Er sagte, das er schon seit 23 Jahren auf einem Ohr ganz taub sei. Durch ärztliche Untersuchung sei festgestellt worden, dass das Trommelfell zerstört sei. Ich sah, dass der Mann Glauben hatte, und bat ihn, doch ins Zelt zu kommen; der Herr würde ihn heilen. Als dann die Hände auf ihn gelegt wurden und wir für ihn beteten, streckte er plötzlich beide Arme hoch mit dem freudigen Ruf: „Ich kann jetzt auf dem einen Ohr so gut hören, wie auf dem anderen“, und dankte Gott für die Hilfe.

Ein Bruder, der Zeuge dieser Heilung war, rief voller Freude aus: „Brüder, Gott offenbart sich wieder wie in den Tagen der Apostel. Hier im Lager ist ein Junge, der auf Krücken geht. Wir glauben nicht, dass es zur Ehre Gottes ist, dass dieser Knabe sein Leben lang auf Krücken gehen muss. Kommt und betet für ihn!“ Auch hier schenkte der Herr den Sieg. Nach dem Gebet warf der Knabe seine Krücken fort und ging daher mit geraden, gelenkigen Gliedern, als wäre er nie gelähmt gewesen.

Eine Frau, die seit 12 Jahren auf einer Seite gelähmt, auf einem Auge blind und auf einem Ohr taub war, wurde vollkommen geheilt. War das ein Beten im Lager! Die Heilung der Kranken war das Hauptthema der Versammlungen während der nächsten zehn Tage. Nahezu alle jener Fälle wurden durch die Kraft Gottes geheilt.

Auf jener Lagerversammlung, die wir auf unserem Weg durch die Staaten besuchten, geschahen wie Wunder, so auch Heilungen von Krankheiten der verschiedensten Arten. In Oklahoma war unter den vielen Menschen, die Hilfe suchten, ein Mann, der von bösen Geistern besessen war. Er wurde völlig befreit. Ein Mann, der auf einem Auge 39 Jahre blind war, sowie eine Frau, die seit 13 Jahren auf einem Ohr nicht hören konnte, wurden auch geheilt.

In mannigfacher Weise versuchte es der Feind, mich zu entmutigen oder auch mich abzuhalten, über göttliche Heilung zu schreiben. Mancher Kampf war in den folgenden Jahren zu bestehen. Der Böse flüsterte mir unter anderem ein, ich sollte doch ja demütig bleiben, nachdem ich so manchen Erfolg gehabt hätte, und die Veröffentlichung solcher Dinge unterlassen. Solche Anklagen schienen zunächst ganz begründet. Als ich jedoch fand, dass es nur des Teufels Bemühungen waren, erkannte ich auch, dass es wahrlich kein Zeichen von Demut sei, die Veröffentlichung solcher Dinge zu unterlassen, die mancher Seele eine Ermutigung sein können. In der Tat wurden viele Kranke aufgrund der gelesenen Berichte über die Offenbarung der göttlichen Macht getröstet und ermutigt, auch in ihrem Fall mehr denn je auf den Herrn zu schauen, und gar mancher Prediger erhielt neues Licht über die Gaben der Heilung und ihre Wirkung.

Seit jener Zeit durfte ich Zeuge der Heilung vieler tausend Menschen sein, die mit den verschiedensten Krankheiten behaftet waren. Einige von ihnen wurden zur Stunde des Gebets gesund, andere dagegen durften eine allmähliche Genesung ihrer Krankheit erfahren. Aber ich sah auch viele, die nicht gesund wurden. Bei dem einen war es ein Mangel an Glauben, der andere erfüllte nicht die Bedingungen, die der Herr denen stellt, die gesund werden wollen. Mancher mag keine Klarheit über das gehabt haben, was das Wort Gottes in Bezug auf die göttliche Heilung lehrt. Auch ein Mangel an Gebetsfreudigkeit oder ein unvollkommener Glaube mag den Herrn bei mancher Seele veranlaßt haben, nicht einzugreifen. Das letzte trifft für die Kinder Gottes zu und zeigt, wie wichtig es ist, einen wahrhaft lebendigen Glauben zu üben und in allem Licht zu wandeln, das Gott gibt. Denn gerade das Licht, das wir über göttliche Dinge haben, kann unter Umständen die Ursache unserer vergeblichen Gebete sein, wenn wir nicht danach handeln. Auch Hass, Eifersucht und andere sündige Dinge können ein Hindernis sein. Aber es gibt auch Menschen, die nur den Beistand einer gläubigen Seele brauchen, um das Gebet des Glaubens zu beten und gesund zu werden.

Unter der großen Volksmenge am Teich von Bethesda heilte der Herr Jesus nur einen Menschen (Joh. 5:12-14), da kein anderer seine Hilfe wünschte. Den taubstummen Knaben in Markus 9:14-27 wollte der Herr nur dann heilen, wenn von des Vaters Seite der rechte Glaube aufgebracht würde. Zu einer anderen Zeit konnte der Herr wegen des Unglaubens der Menschen nur wenige gesund machen (Mk. 6:5-6), während er zu anderen Zeiten allen half, die zu ihm kamen.

Ich bin überzeugt, dass viele Prediger und auch andere Kinder Gottes die Kraft des Herrn hinsichtlich der Heilung von Kranken viel mehr besitzen könnten, wenn sie ihre Zeit dazu verwenden würden, Hilfe und Weisheit vom Herrn zu erlangen, anstatt sich zu bemühen, ihre eigene Schwäche zu verteidigen und zu verdecken.