Aus meiner Jugendzeit

Die Führungen des Höchsten während meiner Kindheit und Jugendzeit bleiben für mich unvergesslich, denn jede Begegnung in meinem Leben hat ihre Bedeutung. Aus allem nahm ich eine Lehre für mein gegenwärtiges und zukünftiges Leben. Auch bei der Arbeit in der Landwirtschaft sammelte ich für mich pädagogische Schätze. Ich bin dabei auch immer gesegnet worden. Oft habe ich die Menschen mit dem harten Erdboden verglichen. Denn durch die Sünde und Ungerechtigkeit verdorbene und verhärtete Herzen müssen auch wieder mit „Pflug und Egge“ durch viel Mühe und Arbeit endlich zubereitet werden. Ferner sah ich, dass durch Jäten und Bewässern der Garten in Ordnung gehalten wird. Dieses lehrte mich, dass auch der Garten unseres Herzens der Pflege und Sorgfalt bedarf, um gute Früchte bringen zu können. Aus diesem allen und aus der Tier- und Vogelwelt zog ich die besten Lehren für mich.

Als gläubige Christen nahmen meine Eltern unter anderem auch einen entschiedenen Stand gegen den Gebrauch spirituoser Getränke, Tabak und gegen weltliche Vergnügen ein. Sie waren gegen alles, was den Menschen zum Lastersklaven macht. Von ihnen, wie auch besonders von meinem Sonntagschullehrer, wurde ich oft vor dem Tabakgebrauch gewarnt. In meinem Herzen hatte ich mir auch vorgenommen, ihn nicht anzurühren. Als ich aber eines Tages mit meinen Kameraden im Walde unter einem Baum stand, redeten sie mir sehr zu, es doch einmal mit dem Rauchen zu probieren. Nach langem Weigern gab ich endlich nach und versuchte es. Eben damit begonnen, bemerkte ich zu meinem Schre-cken plötzlich einen Mann vor mir, der mit meinem Vater in enger Verbindung stand. Dieser sah es, und ich fühlte mich innerlich sehr geschlagen. Und oh, wie wünschte ich, dass er es doch nicht meinem Vater sagen möchte! Gleichzeitig betete ich im Stillen zu Gott und versprach ihm, es nie wieder zu tun.

Etwa drei Jahre nach diesem Vorfall wurde ich eines Tages beauftragt, für einen Mann aus dem Ort Zigaretten mitzubringen. Mein Rückweg führte mich durch ein hohes Roggenfeld. Der Versucher flüsterte mir zu: „Hier sieht dich niemand, du könntest doch wieder einmal eine Probe machen!“ Ich hatte aber vergessen, dass quer übers Feld, und auch quer über meinen Weg, noch ein Fußweg führte. Und, eben als ich eine Zigarette ansteckte, sah ich den Vater Krentz, meinen früheren Sonntagschullehrer! Ich lief weg, warf die Zigarette fort und sagte: „Mein Gott, du hast mich doch wieder gestraft“. Auf mein Herz legte sich eine große Last, und ich grübelte darüber nach, wie ich es wieder gutmachen könnte.

Siebzehn Jahre alt, hörte ich eines Sonntags einen Prediger in seiner Predigt die Worte ausrufen: „Ihr jungen Leute, wollt ihr erst euren verbrauchten Leib eurem großen Gott geben? Erst nachdem die Sünde euren Leib zerstört hat und er ihn nicht mehr gebrauchen kann? Wollt ihr eure besten Kräfte dem Teufel weihen?“ – „Nein, ich nicht“, klang es in meinem Innern, „ich will ihm mein Leben in meiner Jugendzeit geben!“

Im Jahre 1900 war es, als ich eines Abends wieder im Nachbarhause mit anderen jungen Männern und jungen Mädchen zusammen war, und wir unser Vergnügen hatten. Plötzlich klopfte ein alter Mann an die Tür und bat den Hausvater um ein Nachtquartier. Der Wirt sagte sofort zu. Der alte Mann kam herein, setzte sich hin und hörte uns eine Weile zu. Dann wandte er sich an uns mit der Frage: „Seid ihr Christen?“ Diese Worte trafen uns wie ein derber Schlag. Alle wurden still und einer nach dem anderen verließ das Zimmer. Zuletzt war ich mit dem Fremden allein zurückgeblieben. Ich vermochte nicht hinauszugehen, denn ich war wohl am meisten getroffen. Ich fragte ihn dann, wer er sei. Er antwortete, er sei ein Türke, ein früherer Mohammedaner und habe sich zu Christus bekehrt. Seine Verwanden und Bekannten, auch seine eigene Frau und seine Kinder, hätten ihn des Christentums wegen verworfen. Und so sei er durch viel Trübsal und Leiden gegangen. Einmal habe er einen Missionar gefragt, ob es nur wenig Christen gäbe. „Ach nein“, habe der Missionar geantwortet, „fast ganz Europa ist voll von Christen: Deutschland, Russland, die Schweiz, Österreich und viele andere Länder“.

„Oh“, habe ich gedacht, „was soll ich hier als ein Verstoßener? Weil Russland nun das nächste Land von meiner Heimat war“, erzählte er weiter, „kam ich herüber und suchte solche Leute, wie mein Testament sie beschreibt. Ich bin schon durch so viele Gegenden gekommen und fand fast keine Christen. Nun fragte ich auch euch heute Abend: „Seid ihr Christen?““

An jenem Abend sagte ich dem Mann offen, was auf meinem Herzen lag. Ich bekannte, dass ich kein Christ sei, wie die Bibel die Christen beschreibt, aber dass ich von ganzem Herzen gern einer werden möchte. Diese Begegnung werde ich nie vergessen. Es legte sich an jenem Abend eine sehr große Last auf mein Herz. Gott hatte den Mann geschickt, um mir zu all den inneren Anregungen, die ich schon bekommen hatte, einen noch kräftigeren Anstoß zu geben.

Kurz vor Ostern des Jahres 1902 starb mein Vater. Als wir vor seinem Bett standen, und er von uns Abschied nahm, weinte unsere liebe Mutter sehr und sagte zu ihm: „O Vater, es liegt mir so schwer auf meinem Herzen. Nicht allein, dass du jetzt von uns scheidest, sondern auch dass alle unsere Kinder, die mit mir zurückbleiben, noch unbekehrt sind!“ Vater gab zur Antwort: „Unsere Kinder werden sich in Kürze bekehren, denn unsere Gebete sind hinaufgestiegen zu Gott!“ Das war wieder ein Pfeil, der sich in mein Herz hineinbohrte. Vater verstand es so vortrefflich, unsere liebe Mutter bis zu seinem Abscheiden zu trösten. Und dieser Trost blieb auch uns für spätere Zeiten unvergesslich.

In meinem Herzen lag ein tiefes Verlangen, ein göttliches Leben zu führen. Mit der Welt mitzumachen, widerstrebte mir. Für ein laues Christentum konnte ich mich auch nicht entscheiden. Ich wusste ganz genau, wie ein Christ sein und leben soll. Die Schrift war mir ja von Kindheit an bekannt. Auch bin ich stets bedacht gewesen, dass mein Gewissen wach blieb und nicht verstockte. Solange ich keine schriftgemäße Erfahrung machte, konnte ich mich auch nicht zu den Gläubigen zählen.

Eines Tages kam meine Schwester Auguste aus 90 km Entfernung zu uns auf Besuch. Sie unterhielt sich mit unserer Mutter über geistliche Dinge. Als ich eben an ihnen vorüberging, hörte ich sie erzählen, dass es Leute gäbe, die ein heiliges Leben lehren. Es stünde auch so in der Heiligen Schrift geschrieben, fügte sie noch hinzu. In meinem Innern wurde sofort der Gedanke wach: „Ach, könnte ich doch einmal solche Leute treffen! Dann würde ich vielleicht Hilfe bekommen, und mein Leben könnte ein anderes werden“. Mutter und Schwester aber wussten nichts von diesen meinen Gedanken und Verlangen; auch nicht, dass ihre beiläufig gesprochenen Worte so tief in mein Herz gedrungen waren.

Eines Tages saß ich mit zwei älteren Männern, die mich im Allgemeinen recht gern hatten, draußen vor der Tür. „Eins fehlt dir nur noch“, sagten sie zu mir, „wenn du mit uns zum Abendmahl gehen würdest, dann wäre alles in Ordnung“. Ich erwiderte: „Mir fehlt etwas ganz anderes als das Abendmahl!“ Denn ich war mir meiner Sündenlast als einer schrecklichen Wirklichkeit wohl bewusst. Weiter sagte ich ihnen, dass mir das Abendmahl in dem Zustande, in dem ich mich befände, gar nichts nutzen würde. Als sie mir aber einreden wollten, dass das Abendmahl Sünden vergebe, wurde ich dreist und stellte ihnen die Frage, was es denn bei ihnen die ganze Zeit geholfen habe. Sie gingen doch immer zum Abendmahl, bekämen dadurch oft, wie sie behaupteten, Vergebung der Sünden. Sie seien doch schon alte Männer und lebten doch gerade so in Sünden wie ich. Ich musste schnell von ihnen weggehen, weil ich sie damit sehr erzürnt hatte! Die Sehnsucht in meinem Herzen aber wurde immer stärker, einmal die Last loszuwerden und ein anderes Leben führen zu können. Trotz diesem tiefen Sehnen und Trachten nach einem besseren Leben, vermochte ich nicht diesen Schritt zu machen. Und Gott zwang mich auch nicht dazu. Noch hielt mich die Weltlust gefangen.

Im Jahre 1903 starb meine Mutter ganz plötzlich, ohne vorherige Krankheit. Ich selbst war nicht daheim. In der Nacht vor ihrem Tode hatte sie noch laut das Lied gesungen: „Ich bin im Himmel angeschrieben und Gottes Kindern zugezählt!“ Ihr Singen hatten die Leute im Haus gehört. Am Morgen stand sie auf, fühlte sich plötzlich nicht wohl, setzte sich auf den Bettrand. Sie erzählte auch von dem Lied, dass sie wohl in der Nacht während des Schlafes gesungen haben müsse. Eben mit dem Erzählen fertig, rief sie die Worte aus: „Oh, das ist mein Letztes!“ Ein Herzschlag machte ihrem Leben wahrer Gottesfurcht und treuer Mutterliebe ein plötzliches Ende.

Als ich in diesen Tagen von Weißrussland zurückkehrte (ich hatte die vergangene Nacht sehr unruhig und in schrecklichen Träumen zugebracht), machte ich mich zusammen mit meinem Freund früh auf die Heimreise. Ohne von dem plötzlichen Abscheiden meiner lieben Mutter etwas zu wissen, hörte ich vom Waldrand her, nahe dem Dorfe, von einem Hirtenknaben mehrmals meinen Namen rufen. Als er merkte, dass ich mich im Beisein meines Kameraden wohl nicht in ein Gespräch mit ihm einlassen wollte, rief er mir zu: „Weißt du auch, dass deine Mutter tot ist? Und siehe, dort trägt man die Bretter für ihren Sarg!“ Ich blieb stehen. Diese Worte hatten mich so getroffen, dass ich ohnmächtig wurde. Mein Kamerad kam herbei und bemühte sich um mich. Als ich wieder zu mir kam, versuchte er mich zu trösten, indem er sagte, dass wir doch alle sterben müssten und anderes. Oh, wie traurig war ich! Dazu strafte es mich auch noch, dass ich zu stolz war, mit dem Hirtenknaben zu sprechen.

Kurz bevor mein Vater starb, ermahnte er uns, nicht um ihn zu weinen. Nun, da unsere gute Mutter uns so plötzlich entrissen wurde, wollte sich eine unsagbar schwere Last auf uns legen. Ich wünschte zu sterben. Aber es drängte sich mir die Frage auf: „Wo komme ich hin?“ Vielleicht wurden uns unsere Eltern genommen, dass wir zur Besinnung und zur Bekehrung kommen sollten. Wir hatten nun Vater und Mutter verloren, und dieser Schlag erschien uns wie eine Strafe von Gott. Aus meinem Herzen wollte sich oft der Schrei Bahn brechen: „Wo gibt es jetzt Leute, die mit mir beten, die mir helfen könnten!“ Ich dachte an meinen Vater, der so ernstlich für mich gebetet hatte, aber er war nicht mehr. Der Böse wollte mich davon überzeugen, dass es keinen Menschen gäbe, der mir helfen könnte, und ich müsse doch verloren gehen. In dieser meiner Verzweiflung rannte ich oft mutwillig in die Sünde hinein, bis mich mein Gewissen schwer verklagte und peinigte.

Oft hatte ich ein großes Verlangen, dass mich jemand von den Gläubigen anreden und nach meinem Seelenzustand befragen möchte. Eines Tages kam ich wieder mit einigen Gläubigen zusammen und dachte, dass es jetzt wohl eine Gelegenheit zu der ersehnten Frage an mich geben würde. Doch sie redeten nur von nichtigen Dingen, lachten über so manches, was erzählt wurde. Man spürte ihnen wenig Interesse für beladene Seelen ab. Diese für mich bittere Erfahrung gab mir eine gute Grundlage für die spätere Seelenarbeit. Oft dachte ich an meine damaligen Empfindungen zurück. Ich fühlte mich dadurch aufgefordert und verpflichtet, Leute, die eine Last auf ihrem Herzen trugen, in hilfreicher Teilnahme anzureden und mich nach dem Befinden ihrer Seele zu erkundigen.

Eines Morgens, als ich wieder einmal in der Schmiedewerkstatt meines Schwagers war, kam ein Nachbar herein. Dieser war eine Zeit schon gläubig gewesen und wieder rückfällig geworden. Mich ganz über mein Gewissen hinwegsetzend, fing ich an allerlei Späße zu machen. Anfangs lachte auch dieser Nachbar darüber, dann aber sagte er: „Ich dachte immer, dass aus dir etwas Rechtes würde. Dein Vater war doch auch ein ernster Mann Gottes, aber jetzt sehe und erlebe ich...“ Es hatte mich schon oft innerlich gereizt, dass viele nur dem Namen nach Christen waren und nicht wie Christen lebten. Das traf, wie ich nur zu genau wusste, auch bei diesem Manne zu. So schüttete ich einmal mein ganzes Herz aus und sagte zu ihm, dass er an meinem Zustand schuld sei. Sehr erschrocken fragte er: „Wieso?“ Ich antwortete ihm, weil er auch bekannt hätte, ein Christ zu sein und kein christliches Leben führe. Das hätte mich aufgehalten, ein rechter Christ zu werden. Und wenn ich verloren ginge, sei er schuld daran. Ich bemerkte, dass Tränen über seine Wangen rollten und schluchzend sagte er: „Du hast recht, du hast recht!“ Er weinte sehr und sagte weiter: „Ich bin euch jungen Leuten bisher kein Vorbild gewesen. Mein lieber Rudolf, ich habe aber einen Rat und eine Bitte: Bekehre du dich und lebe und wandle uns vor!“

Er wollte keine Schuld haben! Oh, ich kann die Gefühle nicht beschreiben, die in jenem Moment mein Inneres bestürmten! Die Tränen meines Nachbarn schienen sich noch als eine weitere Last auf mich zu legen. Mit schwerem Herzen verließ ich die Werkstätte und sagte zu mir selbst: „Jetzt hast du auf keinen Menschen mehr zu schauen. Wenn du verloren gehst, bist du selbst schuld daran!“ Ich dachte dabei an Männer wie Luther, Bunyan, Johann Huss und andere, die mir als großes Vorbild vor meiner Seele standen.

An demselben Tage, kniend an einem Kleehaufen, gelobte ich Gott: „Wenn du mir hilfst, dass ich mit mir selber zurechtkomme, will ich nie mehr auf andere schauen, auch nicht ihre Schwächen als Entschuldigung für mich nehmen“. Und von der Zeit an war ich mir bewusst, dass ich für mich allein zu verantworten habe. Ich wusste, dass ich selbst dafür sorgen musste, dass ich selig wurde.

Als meine lieben Eltern noch lebten, durften wir in keine weltliche Gesellschaft gehen (zumindest durften sie es nicht wissen). Solche Gesellschaften durften auch bei uns nicht stattfinden. Nachdem unsere Eltern tot waren, glaubten die Jugendlichen einen offenen Weg zu uns zu haben. Sie waren darüber froh, da sie sehr gern mit uns zusammen waren. Ich aber fühlte mich in solchen Gesellschaften jetzt nicht mehr wohl. Als wir wieder einmal bei Tanzmusik beisammen waren, redete es in meinem Gewissen: „Was suchst du hier eigentlich? Ist das dein Platz? Hat dein Vater auch solche Veranstaltungen besucht?“ Noch einmal überschaute ich das Publikum. Ich sah auch alte Männer und Frauen, die teils trunken waren und allerlei Späße machten; während ihre Söhne und Töchter sich in mancherlei Schmutz der Sünde wälzten. Stehenden Fußes verließ ich diesen Raum.

Es ist unbeschreiblich, was für Gefühle und Empfindungen ich als junger, nüchterner Mensch dort unter jenen Trunkenen hatte. Wenn Gott der Herr jemand von den gefährlichen Dingen befreien möchte, öffnet er dem Betreffenden erst die Augen über seinen Zustand.

Zu Lebzeiten meiner Eltern war ich es gewöhnt, beim Nachhausekommen sie für uns beten zu hören. Ich tröstete mich immer damit, dass ich jemanden hatte, der für mich betete. Jetzt aber war alles still in dem Haus. Doch weiß ich, dass an jenem Abend der Herr selbst deutlich zu mir sagte: „Niemand betet für dich. Die für dich gebetet haben, sind weg. Jetzt ist es Zeit, dass du selbst anfängst“. Mit zerschlagenem Herzen kniete ich vor meinem Bett nieder und sagte: „Lieber Gott, vergib mir meine Sünden, ich werde nicht mehr sündigen!“ Am nächsten Abend machte ich es wieder so.

Eines Nachts, nachdem es dem Feind gelungen war, mich noch einmal in schlechte Gesellschaft hineinzuziehen, führte mich mein Nachhauseweg über ein Flüsschen. Es muss gegen 1 oder 2 Uhr nachts gewesen sein. An beiden Seiten des Flüsschens standen Weiden, und als Brücke diente ein runder Baumstamm, der querüber gelegt war. In den Weiden saß eine Nachtigall. Mich interessierte es sehr, einmal eine Nachtigall beim Singen zu beobachten. So schlich ich mich leise heran, setzte mich auf einen Baumstamm und sah, wie sie auf einem Zweiglein stand, ihr Köpfchen hob und zur Ehre ihres Schöpfers ihre klare, liebliche Stimme erklingen ließ. Eine Müdigkeit hatte mich überfallen, beinahe wäre ich, über dem Wasser schwebend, eingeschlafen. Ich erschrak und richtete unwillkürlich die Frage an mich: „ Was tust du eigentlich hier? Ist das dein Platz? Die Nachtigall ist wohl an ihrem Platz, hebt ihr Köpfchen und lobt ihren Schöpfer. Aber was tust du?“

Auf dem Heimweg fing dieser Gedanke noch mächtig in mir zu arbeiten an. Ich gelobte bei mir: „Herr, ich will ein anderes Leben führen, um meiner Seele und Seligkeit willen!“ Zweimal hatte ich schon Gott belogen. Und als ich in dieser Nacht wieder in mein Zimmer trat, überfiel mich eine große innere Furcht, Gott das dritte Mal anzulügen.

Schon auf dem Heimweg beschäftigte ich mich mit der ernsten Frage, wie und was ich heute vor dem Schlafengehen beten würde. Ich stand vor der Entscheidung. Was sollte ich tun? Zu Bett gehen, ohne zu beten, ließ mein Gewissen nicht zu. Beten und Gott sagen, ich werde nicht mehr sündigen? Ich fürchtete mich, ob ich es werde halten können. So ging ich vom Tisch zum Bett, vom Bett zum Tisch auf und nieder. Ich saß auch eine Weile am Tisch. Und dann stand mein Entschluss fest, von ganzem Herzen sagte ich: „Dieses war das letzte Mal!“ Herzlich bat ich um Vergebung und sagte dem Herrn, dass ich von heute an seinen Willen tun und nicht mehr auf Sündenwegen gehen wolle.