Die Übersiedlung von Polen nach Wolhynien

Nach Forschungen von C. C. Eiffe, der ein gründlicher Kenner der deutschen Kolonien Russlands durch sein langjähriges Studium in Russland war, sind über 200.000 Deutsche nach den polnischen Aufständen nach Wolhynien gekommen. „Während dieser Aufstände“, sagte Eiffe, „waren die Deutschen sich und ihrer Geschichte treu geblieben und haben sich, trotz aller polnischen Versuchungen, an den Aufständen nicht beteiligt. Für diese Treue an Zar und Reich zogen sie sich den Hass der Polen in dem Maße zu, dass über 45.000 Evangelische abermals zum Wanderstab greifen mussten. Sie zogen vor allem nach Wolhynien. Diese waren zwar den russischen Besitzern ausgedehnter Gutsländereien, wo auch der Staat zur Urbarmachung der ungeheuren Urwaldflächen und Kultivierung sumpfigen Bodens beisteuerte, sehr willkommen. Aber man begegnete ihnen als Deutschen mit großem Misstrauen. Die Behörden behandelten sie, die doch in Polen als russische Untertanen geboren waren, als ausländische Ansiedler und beschränkten sie in ihren Bürgerrechten“.

Da meine Eltern als junge Anfänger auch im Irdischen durch manche Schwierigkeiten gehen mussten, und ihr Dorf und die Gegend ziemlich bevölkert war, entschlossen sie sich, nach Wo-lhynien auszuwandern. Und so traten sie im Frühjahr 1864 ihre Reise per Achse an. Einen Schimmel vor den Wagen gespannt, auf dem sie all ihre Habe und die Kinder unterbrachten, begaben sie sich auf den Weg. Die Reise ging sehr langsam vor sich. Als sie dann mehr in die Urwälder Wolhyniens kamen, trafen sie nur hier und da ein kleines Ukrainerdorf an.

Inmitten des gewöhnlich sehr kleinen Dorfes wohnte meistenteils ein Jude. Dieser lieferte den Bauern alles, was sie sich nicht selbst machen konnten oder was auf ihrem Lande nicht wuchs. Die Kleinrussen kauften nur sehr wenig. Denn alle Kleidungsstücke, auch Mäntel, Mützen sowie Hemden, fertigten sie selbst an. Der Pflug (Ssoch), die Egge, der Wagen und das Joch für die Ochsen – außer den 2 Scharen an der Spitze des Pfluges, die die Erde einschneiden – wurden selbst von Holz gemacht. Die Mützen wurden von dickem Tuch mit 4-6 Ecken angefertigt. Ihre Schuhe (Postolli) flochten sie sich aus Weidenbast (Rinde). Die Lappen, die um Füße und Waden gewickelt wurden, befestigte man mit Schnüren. Wohlhabende Leute hatten dazu auch Lederriemen. Die Frauen kleideten sich zu der Zeit mit einem am Hals und an den langen Ärmeln gestickten, langen Hemd. Darüber trugen sie vorn oder auch hinten einen Schurz. Das war die Kleidung der Ukrainer bzw. Russen.

Wolhynien ist eine Landschaft, nördlich von Galizien und westlich von der Ukraine gelegen.