Meine Militärzeit

Nun war der Tag da, an dem die Rekruten zur Losung (Musterung) fahren mussten. Da wir dort eingetragen waren, musste ich etwa 90 km von unserem Dorf entfernt nach Nowograd-Wolhynsk. In der heißen Jahreszeit und auf den sandigen Landstraßen ging die Fahrt am besten und billigsten mit dem „Delishan“ (Eilpost). Ich verabschiedete mich von meinen Angehörigen und ging in die Stadt, von der wir abfahren sollten.

Hier war auch meine jüngste Schwester in Stellung. Sie ließ es bei der Verabschiedung nicht zu, dass ich mit dem Pferdewagen und noch die Nacht hindurch fahren sollte. Sie sorgte dafür, dass ich trotz Umweg mit dem Zug fuhr. Die Stunden unseres Beisammenseins werde ich nie vergessen. Kurz vor meiner Abfahrt sagte meine Schwester mit trauriger Stimme und unter Tränen zu mir: „Ich glaube, dass Gott es nicht zulässt, dass du zum Militärdienst genommen wirst! Vor kurzem erst verlor ich meine Eltern und nun sollst auch du noch weg? Ich arme Weise soll hier alleine bleiben. Ich habe mich immer auf dich verlassen und höre nicht auf, Gott zu bitten, dass du vom Militärdienst freikommst. Gott wird meine Gebete erhören! Du wirst freikommen“. Als sie mich zum Zug begleitete, versicherte sie mir dieses noch einmal, so, als ob es in ihrer Macht läge, dass wir uns bald wieder sehen würden.

Ich konnte die Überzeugung meiner Schwester nicht teilen, weil ich nach den Landesgesetzen und Bestimmungen bestimmt Soldat werden musste. Erst in der Nacht und auf meiner Reise, begann ich richtig über das nachzudenken, was meine Schwester sagte. Ich machte mir aber wenig Sorge, sondern übergab alles dem Herrn, auch mich selbst. Im Gebet sagte ich Gott: „Herr, ich bin hier vor deinem Angesicht. Mache du mit mir, wie es dir gefällt. Ich gebe mich ganz in deine Hände. Ist es dein Wille, mich von diesem Dienst zu befreien, dann gelobe ich dir, mein ganzes Leben in deinen Dienst zu stellen!“ Für einen jungen, gläubigen Menschen ist der Militärdienst in einem fremden Lande, unter einem fremden Volk bedeutend gefahrenreicher und schwerer als unter seinem eigenen Volk.

Gleich am ersten Tag wurden alle unsere Namen aufgerufen und zu gleicher Zeit die „L’gota“ bekanntgegeben. Die erste L’gota (Befreiung) konnte nur jemand bekommen, wenn er der einzige Sohn war. Die zweite bekam jemand, wenn er der älteste Sohn war und seine Geschwister noch arbeitsunfähig waren. Die dritte erhielt jemand, dessen Bruder schon im Militärdienst stand. Alle übrig gebliebenen waren „Nastojaschij“ (Wirkliche). War die bestimmte Anzahl der „Wirklichen“ nicht ausreichend, so nahm man entsprechend von der dritten L’gota die Fehlenden dazu. Obwohl ich ausfand, dass ich zu den „Wirklichen“ gehörte, leuchtete mir doch immer wieder ein schimmernder Hoffnungsstrahl durch die finsteren Wolken.

Ein paar Tage später zogen wir die „Lose“. Es ging die Rede, dass der, der das erste oder das letzte Los hat, manchmal auch freikommt. Im ganzen waren es aber 3.500 Lose. Ich zog dann das Los Nummer... 91. Ich hörte die Vorgesetzten sagen: „Molodjetz“ (Braver). Aber auch hierzu konnte ich zu mir sagen: „Was Gott tut, das ist wohlgetan!“ Ich hatte auch meine Einberufung zum Militärdienst ganz in Gottes Hände gelegt.

Am nächsten Nachmittag wurde ich gemessen, gewogen. Auch hier stimmte alles. Nur bei den Ärzten verzog sich alles ein wenig. Beim Ankleiden fragte ich den Unteroffizier, was mit mir eigentlich los sei. Er antwortete mir, dass er auch nicht verstehe, was mit mir eigentlich vorgehe. Solch ein Vorfall war noch nicht da. Die Untersuchenden pflegten immer ihre Entscheidung sofort bekannt zu geben. Aber bei mir waren sie ganz still. Ein anderer, der die ganze Sache mit mir beobachtet hatte, war der Ansicht, dass es bei mir so zuginge, wie bei denen, die sich heimlich loskauften. Das war aber bei mir nicht der Fall. Es konnte nur sein, dass die Herren sich geirrt hatten und mich an Stelle eines anderen losließen. Trotz Bemühungen konnte ich nichts über mein weiteres Geschick erfahren. Ich musste in der Ungewissheit nach Hause fahren.

 Nach 2 Wochen wanderte ich wieder die 90 km lange Sandstraße nach Nowograd-Wolhynsk. Dort angekommen, bekam ich nach 3 Tagen von der Militärbehörde, über Hoffen und Bitten, ein blaues Billett, das gewöhnlich nur ein einziger Sohn erhält. Meine Empfindungen über diese Führung Gottes kann ich nicht beschreiben! Ich zähle auch dieses zu den wunderbaren Führungen Gottes. Wenn der Allmächtige unsere Sache in seiner Hand hat, brauchen wir uns nicht mehr selbst so viel darum kümmern und Sorge tragen. Denn er sorgt für uns!