Die Kartoffeln der Irländerin

Einst hörte ich einen Vortrag, den ein früherer Gouverneur des Staates Indiana hielt. Unter anderem erzählte er eine Geschichte, die er erlebt hatte. Sie machte einen besonderen Eindruck auf mich und zeigte mir, wie viele Gelegenheiten es doch dadurch gibt, wenn man selbst glücklich ist, auch andere glücklich zu machen. Der Gouverneur erzählte Folgendes:

„Einst wurde ich auf den Markt geschickt, um einiges für den Küchentisch einzukaufen. Unter anderem sollte ich auch Kartoffeln mitbringen. Als ich den Mann am ersten Verkaufsstand nach dem Preis seiner Kartoffeln fragte, bequemte sich der höchst unfreundlich dreinschauende Verkäufer zur mürrischen Antwort: ‚60 Cent der Scheffel‘.

Ich ging weiter, ohne die angebotenen Kartoffel zu erwerben. ‚Eine Ware, die auf solche Weise angeboten wird, taugt so wenig wie der Verkäufer‘, dachte ich und ging zum nächsten Stand. Eine Menge gutaussehender Kartoffeln warteten dort auf die Käufer. Der Eigentümer las die Zeitung und als ich ihn nach dem Preis seiner Ware fragte, murmelte er gleichgültig und ohne mich anzuschauen: ‚60 Cent der Scheffel‘.

‚Wenn ihm so wenig am Verkauf seiner Ware liegt‘, dachte ich, ‚taugt sie wohl auch nichts‘, und wandte mich zum Gehen.

Weiter unten stand eine Irländerin, die ebenfalls Kartoffeln zu verkaufen hatte. Als ich ihren Stand erreichte, wandte sie sich sogleich an mich und mit einem breiten Lächeln und strahlenden Augen sagte sie: ‚Möchten Sie einige Kartoffeln mitnehmen? Sie sind gut und wohlschmeckend.‘

‚Was kosten sie denn?‘

‚Diese kosten 60 Cent pro Scheffel und jene 80 Cent. Welche möchten Sie mitnehmen?‘

‚Was ist der Unterschied zwischen den beiden Sorten?‘

‚Mein Herr, die Kartoffeln sind aus dem gleichem Boden und unterscheiden sich nur im Preis. Eine Sorte ist so gut wie die andere. Sie wissen doch, manche Leute kaufen nicht, wenn die Ware ihnen zu billig erscheint, und andere wieder wünschen, billig einzukaufen.‘

‚Welche Sorte verwenden Sie selbst?‘

‚Ich koche die zu 60 Cent.‘

‚Dann nehme ich auch die zu 60 Cent.‘

Wie freute sich die Frau, dass ich die gleiche Sorte nahm, die auch sie verwandte!

‚Wieviel wünschen Sie denn?‘, fragte sie jetzt.

‚Ich kaufe Ihren ganzen Vorrat‘, sagte ich und bemerkte dabei nicht die Kartoffeln, die im hinteren Teil des Standes lagen. Nun hatte ich auch sie mitgekauft. Am Nachmittag lieferte ein Fuhrmann bei uns 14 Scheffel ab und schaffte sie in den Keller.“

„Dieser Vorrat reichte für den ganzen Winter. Immer wieder mussten wir an die Irländerin denken, die es mit ihrem freundlichen Lächeln fertiggebracht hatte, ihren ganzen Kartoffelvorrat an mich zu verkaufen, und manch fröhliches Lachen darüber erscholl in unserem Haus.“