Ein Tornado in Lorain, Ohio, und seine Folgen

Vor Jahren waren die Staaten Kansas und Nebraska das Zent­rum großer Zyklone und Tornados. Da diese furchtbaren Wirbelstürme sehr oft wüteten, bauten sich die Menschen in der Nähe ihrer Wohnungen Keller oder Unterstände, um dort Schutz vor den furchtbaren Elementen zu suchen. Wenn das Unheil losbrach, wurden Häuser mit allem, was darin war, in die Luft gehoben. Blühende Dörfer waren nachher nur noch Trümmerhaufen.

Später verlagerten sich diese Stürme mehr ins Innere des Landes und der Westen wurde nicht so oft heimgesucht. Einige dieser Stürme wüten in einer Breite von nur wenigen Metern, aber in einer Ausdehnung von mehreren Meilen. Manchmal verwüsten sie auf einer kurze Strecke die Gegend, erheben sich dann wieder und senken sich nochmals an anderer Stelle, wo sie ebenfalls Tod und Verwüstung anrichten. Manchmal aber werden durch diesen grausamen Spuk Menschen im Umkreis von bis zu hundert Meilen in Furcht und Schrecken versetzt. Ich habe gesehen, wie durch die Wirkung eines Tornados ganze Dörfer wie weggefegt waren. Ich sah auch die Spuren der Verwüstung, die solch ein Wirbelsturm in manchen Städten angerichtet hatte.

Als ich vor einigen Jahren mit dem Zug durch Indiana fuhr, beobachtete ich vom Trittbrett des Wagens aus, wie in der Nähe ein Tornado wütete. Er erreichte die Stadt Newcastle und bahnte sich einen furchtbaren Weg hindurch. Ganze Häuser wurden erhoben und stürzten dann krachend zusammen. Andere wurden von der Gewalt des Sturmes fortgerissen und der Eigentümer fand sein Haus mitten auf einer Straße oder an anderer Stelle wieder. Am Ende der Katastrophe wunderte man sich, dass nur 13 Menschen getötet und einige Hundert verletzt waren.

Ende Mai 1924 erreichte ein heftiger Sturm auf dem Eriesee die Gewalt eines Tornados. Die Stadt Lorain am Rande des Sees wurde davon schrecklich heimgesucht. Die Häuser stürzten zusammen, große und kleine Gegenstände flogen durch die Luft und die meisten Straßen wurden in einem Augenblick von herabgestürzten Trümmern übersät. Fast sämtliche Bäume waren entwurzelt oder der Krone beraubt, so dass die nackten Stämme zum Himmel starrten. Viele Menschen fanden den Tod und die Schreie der Verwundeten füllten die Luft. Krankenhäuser, öffentliche Gebäude, soweit sie nicht vernichtet waren, und die unversehrten Wohnhäuser waren bald mit Verletzten gefüllt. Aus den umliegenden Städten und Dörfern eilten Ärzte und Krankenschwestern herbei.

Dies geschah an einem Sonnabendnachmittag. Am nächsten Montagmorgen erhielt ich ein Telegramm mit der Bitte, sogleich nach Lorain zu kommen, um für Br. Werner zu beten, der schwer verletzt war. Er war der Aufseher einer großen Fischerei und befand sich mit seinen drei Söhnen im Augenblick der Katastrophe in einem Geschäftsgebäude. Das Gebäude stürzte zusammen und sie gerieten unter die Trümmer. Ein Stück Holz war in das Bein des Bruders unterhalb des Knies eingedrungen und hatte ein Stück Fleisch herausgerissen. Auch am Kopf hatte er eine schwere Verwundung davongetragen. In bedenklichem Zustand wurde er geborgen.

Nun lag er zwischen anderen Verwundeten im Postbüro. Die Ärzte kümmerten sich nur wenig um den Schwerverletzten, dem scheinbar doch nicht mehr zu helfen war. Auch waren sie in ihrer Sorge um die anderen sehr in Anspruch genommen. Als die Straßen wieder soweit frei gemacht waren, dass er ins Hospital überführt werden konnte, brachte man ihn und auch seine verwundeten Söhne dorthin.

Gegen Montagabend erreichte ich die Vororte von Lorain. Unser Wagen konnte nicht weiter fahren und darum musste ich die letzte Wegstrecke über Trümmer aller Art zurücklegen. Umgestürzte Telefonmasten, Möbel, ganze Dächer, entwurzelte Bäume und Baumkronen versperrten immer wieder meinen Weg. Militär war zum Schutz der Stadt herangezogen worden. In der Stadtmitte angelangt, zeigte ich mein Telegramm einem Offizier, der mir einen Führer mit dem Auftrag zuwies, mich sogleich zum Hospital zu führen. Es dämmerte bereits, als ich dort ankam. Ich fand das Zimmer, in dem Br. Werner lag, und trat ein. Der Arzt verabschiedete sich gerade von ihm mit den Worten: „Morgen früh um acht Uhr werden wir Ihnen das Bein abnehmen, es ist nicht zu retten.“

Die Lage des Bruders war kritisch, doch er glaubte, dass der Herr ihn heilen würde und dass der Arzt ihm sein Bein nicht abzunehmen braucht. Wir beteten dann um seine Heilung und Wiederherstellung. Anschließend ging ich noch zu seinen Söhnen und anderen, die verwundet auf ihren Lagern lagen, und betete für sie. Darauf wurde ich zu den Verwandten und Freunden der Familie in der Stadt gerufen, um auch für sie zu beten.

Am nächsten Morgen erschienen im Krankenzimmer, in dem Br. Werner lag, drei Ärzte in ihren weißen Kitteln, und schoben einen Operationstisch vor sich her. Alles war zur Operation bereit. Bruder Werner reichte jedem von ihnen die Hand. Dann legte einer der Ärzte das kranke Bein frei und fand zu seinem Erstaunen eine so wunderbare Besserung vor, dass er sagte: „Ich sehe, dass Sie unsere Hilfe nicht nötig haben.“ Der Kranke behielt sein Bein und schon nach wenigen Wochen konnte er gehen und stehen wie in gesunden Tagen und war bald imstande, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Seit jener Zeit lobt und preist er Gott, der ihm sein Bein wiedergeschenkt und seine Wunden geheilt hat.