Ein Brand, aus dem Feuer gerettet

Im oberen Teil eines Staatsgefängnisses befanden sich vier Zellen, die wie Käfige für wilde Tiere gebaut waren. Sie waren ganz aus Stahl und die kleinen Öffnungen waren mit dicken Eisenstangen vergittert. In diesen Räumen, Todeszellen genannt, mussten die zum Tode Verurteilten die letzte Frist ihres Lebens zubringen. Zur Zeit dieser Beschreibung befand sich in jeder dieser Zellen ein Mann. Vor einigen Tagen hatten mehrere Schwestern der Gemeinde einen von ihnen besucht und durch ihre Arbeit hatte er sich zu Gott bekehrt.

Die Schwestern baten mich nun, gemeinsam mit ihnen jenen Mann zu besuchen, der sehr freudig zu sein schien. Während unserer Anwesenheit nutzte ich die Gelegenheit, in der angrenzenden Zelle einen Mann aufzusuchen, der ebenfalls zum Tode verurteilt war. Ich fragte ihn: „Sind Sie gerettet?“

„Ich weiß nicht,“ sagte er, „der Prediger sagt, ich sei gerettet.“

„Die Versicherung des Predigers genügt aber nicht. Sie selbst müssen sich aufmachen und Gott suchen. Sie selbst müssen es wissen, ob sie bereit sind, Gott zu begegnen. Wenn sich nichts Außergewöhnliches ereignet, müssen Sie binnen einer Woche sterben. Und wie schrecklich ist es, in die Ewigkeit zu gehen, ohne die Gewissheit seiner Sündenvergebung im Herzen zu haben! Haben Sie Ihre Schuld geleugnet, dann bedenken Sie, dass niemand Gott täuschen kann. Seien Sie ehrlich vor Gott. Bekennen Sie ihm Ihre Sünden und erflehen Sie seine Vergebung. Lassen Sie uns zusammen beten.“

„Ich kann nicht beten.“

„Sie sprechen doch mit mir, also können Sie auch mit Gott reden.“

„Ich bringe kein Wort heraus, wenn ich versuche zu beten. Ich fühle mich gebunden.“

Ich wusste nicht, dass er bisher seine Schuld geleugnet hatte. Die Wache stand an meiner Seite und hörte alle meine Worte. Doch ich fühlte, dass hier eine Seele in Gefahr war, und ich durfte mich nicht vor Menschen fürchten. Einer unsterblichen Seele musste geholfen werden. Ich streckte meine Hände durch das Eisengitter und legte sie auf seinen Kopf. Im Namen Jesu widerstand ich der Macht des Satans und bat Gott, seine Zunge zu lösen. Da zerbrach das verstockte Herz des Verbrechers. Seine Zunge wurde sogleich gelöst und mit vor Tränen erstickter Stimme betete er: „O Jesus, ich bin ein Mörder.“

Zum ersten Mal hatte er seine Schuld bekannt. Er betete weiter und in weniger als zwei Minuten erhörte der Herr die flehentliche Bitte dieses Mannes um Vergebung seiner Schuld. Er fand Frieden mit Gott und war sehr glücklich.

Nach einer Woche suchte ich wiederum das Gefängnis auf, um Zeuge seiner Hinrichtung zu werden, die durch den Strang erfolgen sollte. Von einem Fenster aus sah ich, wie der Verurteilte die Stufen hinauf zur Richtstätte geführt wurde. Dann stellten ihn die Henker über eine Falltür. Mit einem Lächeln nahm er Abschied von dem Kaplan und den Gerichtsbeamten. Keiner seiner Freunde oder Verwandten war anwesend.

Der Henker band ihm dann Beine und Arme. Ruhig stand er da, seinen Blick nach oben gerichtet. Sein Antlitz leuchtete, während er sein letztes Gebet vor der Vollstreckung des strengen Urteils zu Gott emporsandte. Nun wurde ihm der Strick um den Hals gelegt und eine schwarze Kappe über Kopf und Gesicht gezogen. Durch einen Knopfdruck öffnete sich die Falltür unter seinen Füßen und er sank so weit in die Tiefe, bis sich der Strick am Galgen straffte. Seine Seele war in der Ewigkeit.

Ich war Zeuge von dem furchtbaren Ende eines Mörders gewesen, doch ich wusste, er war bereit zu gehen. Wahrlich, seine Seele war wie ein Brand aus dem Feuer gerettet.