Gottes Hilfe in Todesnot

Eines Tages erhielt ich die Nachricht, dass ich zu einem Kranken kommen solle, der in einem der Nachbarstaaten lebte und dem Tode nahe war. Zu mitternächtlicher Stunde verließ ich mein Heim. Bis zu meinem Bestimmungsort musste ich viermal umsteigen.

Gegen 20.30 Uhr erreichte ich mein Ziel. Inmitten hoher Berge sah ich nur einen kleinen Bahnhof nebst zwei oder drei alten Häusern. Kaum hatte ich den Zug verlassen, als ich merkte, dass meine Reise noch nicht zu Ende war. Zwei Jungen im Alter von 10 und 12 Jahren erwarteten mich bereits und baten mich, ihnen zu folgen. Kurze Zeit folgten wir einem Weg, der die Schienen entlang führte. Dann ging es etwas seitwärts, bis wir einen breiten Fluss erreichten. Ein äußerst schmaler Steg führte zum jenseitigen Ufer. Das spärliche Licht, das einer der Knaben in der Hand trug, war bei unserer Überquerung des Flusses nur eine geringe Hilfe. Aber glücklich erreichten die Jungen und ich, bepackt mit meiner Reisetasche, das andere Ufer.

Nach einer kurzen Wegstrecke am Flussufer entlang erreichten wir eine Stelle, wo zwei Pferde bereitstanden und am Buschwerk festgebunden waren. Ich bestieg das eine, die Jungen das andere, und im Galopp ging’s weiter. Es war so finster, dass ich das Führerpferd schon in einer Entfernung von 5 Metern nicht mehr sehen konnte, doch die beiden ritten, als wäre es ein Wettrennen. Um sie nicht zu verlieren, musste ich ihnen auf den Fersen bleiben. Meine Reisetasche hatte ich am Sattelkopf befestigt und im gestreckten Galopp ging‘s zu nächtlicher Stunde über Berg und Tal. Nur das Klappern der Eisen des Führerpferdes auf dem felsigen Boden war oft mein einziger Wegweiser.

Endlich hielten wir vor einer armseligen Hütte. Die Innen- und Außenwände waren rauh und ungestrichen. Der unbedeckte Fußboden und die bescheidenen Möbel zeugten von großer Armut. Doch alles war sauber und den Verhältnissen entsprechend nett eingerichtet. Die Leute waren liebe Gotteskinder, die den Verheißungen ihres himmlischen Vaters Glauben schenkten. Herzlich empfingen sie mich, hatten sie doch mein Kommen sehnlichst erwartet. Der Mann und Vater der Familie lag schwerkrank im Bett. Bereits drei Tage lang kämpfte er mit dem Tod. Sie hatten schon gefürchtet, dass er bei meiner Ankunft nicht mehr am Leben sein würde.

Nun erwarteten die Lieben das Gebet des Glaubens von mir, sahen sie doch hierin die einzige Möglichkeit für die Rettung des Kranken aus dem Rachen des Todes. Die ganze Schwere der Verantwortung legte sich mir jetzt auf die Seele.

Ich sprach zunächst mit dem Kranken, las einiges aus der Bibel und betete mit ihm bis Mitternacht. Dann sandte Gott seine Heilkraft und Schmerzen und Fieber verließen ihn. Glückseligkeit und Freude kehrten durch die Offenbarungen der Kraft Gottes in diesem Hause ein. Dann teilte ich der Familie mit, dass ich früh am Morgen in eine 7 Meilen entfernte Stadt fahren müsste, worauf Vorbereitungen zur Nachtruhe getroffen wurden.

Zögernd erzählte mir dann die Frau, dass sie nicht genügend Betten zur Verfügung hätten, und dass ich wohl mit ihrem Mann zusammen schlafen müsste. Eine Absage meinerseits war in diesem Fall unmöglich. Wohl oder übel musste ich mich den Umständen fügen. Die Familie zog sich darauf zurück und ich schlief mit dem Bruder bis zum Morgen in einem Bett. Gegen 4 Uhr sprang der am Vortag noch Sterbende aus dem Bett und zog sich hastig an. Darauf weckte er seine Familie, zündete das Feuer an und half seiner Frau bei den Vorbereitungen zum Frühstück, während die Söhne die Pferde sattelten. Bei Tagesanbruch nahm ich Abschied von der dankbaren Familie und kam auch zur rechten Zeit am Zug an.