Erlebnisse im Kaukasus

So reisten wir Anfang Februar von Westpreußen nach dem Kaukasus. Wir kamen am 11. Februar in einer deutschen Siedlung Romanowka (im Terekgebiet) an. Hier in den kaukasischen Steppen, zwischen den asiatischen Völkern fanden wir eine Anzahl Deutsche aus verschiedenen Gegenden. Die meisten hier angesiedelten Deutsche waren aus dem Kubangebiet und Wolhynien.

Nun befand ich mich weit in der Fremde, erlebte aber viel Abwechselndes. In jenem Winter war der Frost in Westpreußen ausnahmsweise bis 25 Grad gestiegen. Zwischen Warschau und Kiew lag viel Schnee. In der Mitte des Kaukasus war aber kein Schnee mehr, und man sah hier und da Vieh und Pferde auf der Steppenwiese. Durch die Wärme herrschte in jener Gegend auch das gelbe Fieber, unter welchem viele, besonders zur Frühjahrszeit, litten. Auch die Fremden wurden selten davon verschont. Die Hitze war dort auch größer als in unserer Heimat. In vielen Brunnen war das Wasser salpeterhaltig und sehr eigenartig im Geschmack. Das Fleisch und die meisten Lebensmittel hatten einen sehr weichlichen Geschmack. Die Kartoffeln sind auch weicher als bei uns, sie sind dort sehr knapp gewesen. Man kochte sie damals dort in Fett, nicht in Wasser.

Wir blieben dort vier Monate. Ich könnte diese Zeit nie vergessen. Wusste ich doch, dass ich mich ganz in Gottes Hände gelegt und mittels des Glaubens den Heiligen Geist empfangen hatte. Aber hier sollte es geprüft werden, ob mein Alles auf den Altar gebracht und Gott für alle Zeit geweiht war.

Schon vor unserer Ankunft waren unsere Namen öffentlich bekanntgegeben worden und dass wir dort als Evangeliumsarbeiter tätig sein werden. An dem Tisch, an dem die anderen Evangeliumsarbeiter saßen, bekam ich auch gleich meinen Platz angewiesen. Ich dachte an Sirach 32. Da steht geschrieben, dass ein Jüngling zu reden hätte, wenn es not ist. Und wenn man ihn fragt, soll er es kurz machen und sich halten als einer, der nicht viel wisse. So wollte ich es auch machen. So schwieg ich auch länger stille, weil ich nicht zum Reden aufgefordert wurde. Fast an jedem Abend, oft auch während des Tages, fanden Gottesdienste statt. So ging es 2 Monate hindurch.

Mittlerweile trat aber der Versucher hart an mich heran. Er machte mir sehr zu schaffen, indem er mir einredete, wozu ich eigentlich dort sei, wenn ich nicht einmal zum Reden aufgefordert würde. Gern hätte ich mich in dieser meiner inneren Not in die Reihen der Zuhörer gesetzt. Als ich die leitenden Brüder wegen des Sitzplatzes ansprach, antworteten sie mir, dass ich bei den Predigern sitzen bleiben solle. Das war für mich eine harte Probe. Gern wäre ich schon zurückgefahren, denn ich kam mir da ganz nutzlos vor. Noch schlimmer wurde es, als ich vernahm, dass unter den Zuhörern gesprochen wurde, warum der „eine“ nie etwas spricht. Danach wurde es mir sehr schwer, noch immer vor allen Leuten zur Schau zu sitzen. Zu dieser Zeit konnte ich noch nicht erkennen, dass dieses eine Schule von Gott für mich sein sollte. In diesen meinen großen inneren Kämpfen wurde mir das Prophetenwort aus Jesaja 30:15 sehr groß: „Wenn ihr... stille bleibet, so würde euch geholfen. Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein“. Gott sei Dank für diese gute Wegweisung in meiner Anfechtung!

Ich hatte mir doch von Herzen gerade die Schule Gottes erwählt. Ich wurde sicherer in der Überzeugung, dass auch dieses für mich eine Gedulds- und Demutsschule sei. Im dritten Monat forderte man mich auf, auch etwas zu sagen. Der Versucher trat jetzt stark an mich heran, auch weiter zu schweigen. Doch der Herr schenkte mir Überwinderkraft, besonders wenn ich ins Kämmerlein zum Gebet ging.

Gott hatte mich in seiner Gnade bewahrt. Von der Zeit an konnte ich fast in allen Gottesdiensten etwas sagen und vom Herrn freudige Zeugnisse geben. Auch von meinen mancherlei Erlebnissen zu erzählen, wurde ich aufgefordert. Nun schien es, als ob die dunklen Wolken sich für mich verzogen hätten, und Strahlen der Freude kamen hervor. Wir marschierten oft über die Steppen, besuchten hier und da verstreut angesiedelte Deutsche und Gläubige. Ich beteiligte mich rege an jeder geistlichen Arbeit, wurde sogar aufgefordert, von meinen mancherlei Erlebnissen etwas zu veröffentlichen.