Sibirische Streiflichter

Einige Bilder aus dem Leben und Treiben in Sibirien sind mir für die geistliche Anwendung in lebhafter Erinnerung geblieben. Ab und zu habe ich diese und zahlreiche andere solcher Bilder in Predigten an passender Stelle eingeflochten. Ich liebe es, vom Natürlichen aufs Geistliche zu schließen. Oft werde ich dabei an unseren Heilend erinnert, der das Gleiche tat.

In den Steppen Sibiriens, wo die Leute hauptsächlich auf Pferden reiten, sind die Wege im Winter meist so schmal, dass nur ein Pferd gehen kann. Hat ein Pferd im Schnee Spuren getreten, so treibt der Sturm die Spuren wieder mit Schnee voll. Kommen dann andere geritten, so treten sie den Schnee wieder fest. Und schließlich wird der Weg höher und immer höher. Wer den Weg befahren möchte, dessen Schlitten darf in seinen Spuren nicht breiter als 40 cm sein. Auch muss an jeder Seite des Schlittens ein langer Flügel angebracht sein, der das Umfallen verhindert. Oft werden auch zwei bis drei Pferde hintereinander angespannt.

Ich musste öfter größere Strecken mit solch einem Schlitten zurücklegen. Im Monat März sind mitunter die Wege bis 2 Meter hoch. Obwohl der Schneedamm nach beiden Seiten einige Meter breit sein mag, ist er jedoch nur in der Mitte fest – dort, wo er von den Pferden festgetreten ist. Diese langen Trakten (Landstraßen), die sich oft hunderte von Kilometern hinziehen, bilden, wo es keine Eisenbahnen gibt, die Verbindung von einer größeren Stadt zur anderen. Begegnet man sich nun im März oder April auf solchen Wegen, so ist das eine ganz schwierige Angelegenheit. Beiderseits haben die Fuhrleute Furcht, von der schmalen Bahn herunter in den Schnee gedrängt zu werden. Am liebsten möchte keiner von beiden ausweichen. Aber das Möglichste muss getan werden. Und so bemüht man sich, wenigstens die Pferde gut aneinander vorbei zu bringen. Um die Schlitten kümmert man sich weniger, die schieben sich mit ihren großen Flügeln meist von selbst irgendwie aneinander vorbei. Sie sind weniger gefährdet als die Pferde, die sich mit ihrem eigenen schweren Körpergewicht sehr unbeholfen zeigen, wenn sie einmal im Schnee versunken sind. Es kostet viel Schweiß und Mühe, sie wieder aus dem Schnee heraus zu bekommen. Ich selbst traf Leute, denen man helfen musste, auch ihre Pferde wieder auf die Bahn zu bekommen. Auf solchen Wegen dachte ich oft darüber nach, wie wichtig es ist, auch im Geistlichen genau auf dem schmalen Weg zu bleiben. Manch einer wandelt nicht vorsichtig genug und gerät mit seiner kostbaren Seele in große Schwierigkeiten.

In den Steppen kommt es auch vor, dass die Häuser ganz von dem Schnee zugeweht werden. Eines Tages wollten wir eine Familie besuchen, die etwa 30 Kilometer von unserem Ort entfernt wohnte. Wir hatten das Empfinden, dass wir in dem betreffenden Ort schon angekommen seien. Wir waren auch der Meinung, dass die Leute an der Stelle wohnen müssten. Es stellte sich dann heraus, dass wir schon über das Haus der Familie gefahren waren, ohne es gemerkt zu haben. Erst als wir uns näher umschauten, sahen wir an einer Stelle Rauch aus dem Schnee kommen. Wir fuhren heran und merkten dann, dass wir auf oder über dem Hause stehen. Denn wo der Schornstein und die Fenster sind, bleiben kleine Öffnungen in den Schneebergen. Der Luftzug wirbelt dort mit feinem Schnee. Dadurch wussten wir, dass auf der einen Stelle ein Fenster war, und riefen da herunter. Die Leute gaben sich dann alle Mühe, für uns einen Weg im Schnee zu graben und auch unser Pferd unterzubringen.

Schneestürme sind in Sibiriens Winter nichts Seltenes. Gewöhnlich, wenn ein- oder zwei Tag schönes Wetter ist, rechnet man schon wieder mit zwei bis drei Tagen Sturm. So nahm der Sturm auch an diesem Tage noch immer zu. Ich besuchte in dieser Siedlung Jablonowka noch etliche internierte Familien, die auch aus Wolhynien stammten. Von manchen Häusern, die an Wäldern standen, konnte man noch etwas sehen. Kurz vor Abend kam ich dann wieder dorthin, wo die Fuhre stand. Aber der um die Mittagszeit schräg herunter gegrabene Eingang zu meinem Logis war schon verweht. Wo ich den Eingang vermutete, steckte ein Bund Stroh. Ich zog es heraus und fuhr in dem weichen Schnee etwa drei Meter schräg herunter. Ich musste aber wieder hoch, um das Bund Stroh, das als Tür diente, an seinen Platz zu stecken. Mit viel Mühe hatte ich mich dann endlich in dem weichen Schnee wieder bis nach unten durchgekämpft.

In Sibirien ist es nichts Neues, wenn man beim Auskleiden Schnee in dem Busen oder auf den Unterkleidern findet. Wer das noch nicht erfahren hat, für den ist es fast unglaublich, dass der sibirische Wind den trockenen, feinen Schnee durch Knopflöcher und durch manche Kleider treibt.

Mich beeindruckte besonders der aufsteigende Rauch als Zeichen dessen, dass da unten Lebende sind. Ich wurde dadurch an das Räucherwerk des Gebets erinnert. Gott überschaut das ganze in der Sünde erstarrte Land. Es entgeht ihm nicht, wenn irgendwo aus einem lebendigen Herzen, mitten in der kalten Welt, der Rauch des treuen, aufrichtigen Gebetes zu ihm emporsteigt. Dort wird er Einkehr halten. Dort wird er sich zu Hause fühlen und Gemeinschaft mit denen haben, die sein Leben, seinen Geist besitzen.

Im Winter ist in Sibirien gewöhnlich anhaltender Frost von durchschnittlich 30 Grad Celsius. Mitunter fällt die Temperatur auf 40 Grad minus. Sehr selten ist zwischendurch Tauwetter. Es ist immer trocken, und der Wind treibt den Schnee auf den Feldern und Wegen herum. An jenem Tag aber, als wir einen Orkan erlebten, gab es ausnahmsweise frühmorgens warmes Wetter, es begann sogar zu tauen. Wir sagten zueinander: „Heute ist richtiges wolhynisches Wetter!“ Die Einheimischen verwunderte der Wetterumschwung über die Maßen, er kommt höchst selten vor. Gewöhnlich beginnt das Tauen des Schnees erst im Frühjahr. Dann ist mit dem Winter auch völlig Schluss, und es kommt kein Frost mehr. Nach 3-4 Tagen treibt man schon das Vieh auf die Weide, und die Leute beginnen mit der Arbeit auf dem Acker.

Am Abend vor dem Orkan kam ich bei meiner Schwester in Karbusch bei Omsk an. Mir war nicht wohl zu Mute, denn der Wind wurde immer stärker, so dass er das Fuhrwerk förmlich schob. Zwischen zwölf und ein Uhr kam ich in der Stadt Omsk an. Da brauste schon solch starker, furchtbarer Sturm, dass Befehl gegeben wurde, keiner sollte mehr die Stadt verlassen. Es waren aber so viele Leute in der Stadt, dass sie gar keinen Raum zum Herbergen fanden. Hunderte von Menschen drängten und schoben sich. Jeder wollte einen sicheren Platz für sich und seine Pferde bekommen. Durch meine Gutwilligkeit, denn ich wollte nicht streiten, kam es so weit, dass ich draußen stehen blieb. In den Herbergen stand schon Mann an Mann. Aber draußen konnte ich ja nicht bleiben! Wo sollte ich hin? Da kam mir plötzlich in den Sinn, – Gott mag mir diesen Gedanken gegeben haben – dass ich vor Jahren einen Bekannten in der Stadt getroffen hatte, der mir seinerzeit Straße und Nummer angab. Schon öfter habe ich ihn besuchen wollen und es immer verschoben. Mir war aber die Adresse entfallen. In meiner Not rief ich ernst zu Gott. Da auf einmal offenbarte Gott mir die Adresse.

Mittlerweile war es schon finster geworden. Der Orkan jagte den Schnee so dicht aus den Wolken, dass es plötzlich ganz finster geworden war. Obwohl es sehr gefährlich war, wagte ich es doch, mich auf die Suche zu begeben. Gott schenkte mir Mut und Kraft dazu. Mit den Händen tastete ich mich an den Hauswänden weiter. Die Hausnummern waren nicht hoch angebracht, so konnte ich sie gerade noch erkennen, wenn ich mich dicht davor stellte. „Friedhofstraße 39, Hinterhaus“ – war mir in meinem Gedächtnis aufgeleuchtet. Endlich dort angekommen, fand ich die Tür fast zugeweht. Ich rief sehr laut und klopfe eine ganze Weile. Mein Bekannter schlief schon, er war im Bett. Als er meine Stimme vernahm, stand er auf und öffnete mir. Die Tür öffnete sich nach innen, wie es in Sibirien unbedingt erforderlich ist. Aber ich konnte trotzdem nicht hinein, weil der Schnee fast bis ans Dach reichte. Mit Mühe schob mir mein Freund einen Spaten durch. Nachdem ich ungefähr eine halbe Stunde gearbeitet hatte, war es mir möglich, in das Haus zu kommen. Wie war ich froh und dankbar, im warmen Zimmer zu sein! Der Samowar (Teeselbstkocher) wurde sogleich in Gang gebracht. Nachdem ich mich am heißen Tee erwärmt und gelabt hatte, überließ mir dann mein Freund sein bestes, warmes Bett.

Auf dem Wege hatte ich noch einen Mann gefunden, halb erfroren an einer Hauswand sitzen. Ich half ihm auf, rüttelte ihn wach und sagte ihm, er solle losgehen und irgendwo anklopfen, er sei am Erfrieren. Ich sah schon, dass er fast keine Kraft mehr hatte. Er erschrak sehr, als er zu sich kam. Aber er kam in Bewegung und hat sich sicher noch ein Quartier gesucht. Ich musste dabei denken: So erschrickt ein Sünder, der so gleichgültig und kraftlos dem Verderben entgegengeht, wenn der Geist des Herrn ihn erfasst.

Kurz, bevor es finster wurde, sah ich in der Nähe von uns ein Dach herunterfliegen. Auch sah ich, wie ein Wagen, mit Fässern beladen, umgeworfen wurde.

Ein junges Brautpaar in Hochzeitsstaat wollte noch ins Nachbarhaus laufen, um jemanden einzuladen. In dem Moment wurde von einem Haus das Dach heruntergerissen, das gerade auf das Paar fiel. Das hatte wohl niemand bemerkt. Als man nach drei Tagen das Dach aufräumen wollte, fand man sie tot.

Eheleute, die ein sechs Monate altes Kind bei sich hatten, waren mit ihrem Fuhrwerk schon ganz nahe an der Stadt, als dieser Orkan zu wüten begann. Weil ihnen aber der Sturm von vorn kam, konnten sie nicht weiter und blieben stehen. Sie wandten das Pferd um, breiteten ihre großen Pelze aus, traten dicht aneinander heran, umhüllten sich und nahmen das Kind in die Mitte zwischen sich. So hockten sie sich hin und wollten das Ende des Sturmes abwarten. Der Sturm hielt aber bis nachts um 3 Uhr an. Ehe ein Weg aus der Stadt heraus gebahnt werden konnte, war es schon gegen 6 Uhr morgens. Zuerst sah man das Pferd ein wenig aus dem Schnee herausragen. Als man das Pferd und den Schlitten aus dem Schnee herausgegraben hatte, bemerkte man in der Nähe noch etwas. Man schaufelte sich näher heran, da hörte man eine Kinderstimme im Schnee weinen. Das Kind konnte noch gerettet werden. Es war am Leben geblieben. Um die Kragen der Pelze der Eltern hatte der Schnee gewirbelt und dem Kinde einen Luftschacht gelassen. Die Eltern waren tot. Diese Begebenheit ging mir sehr zu Herzen. Wahrscheinlich haben die Eltern des Kindes wegen nicht mehr weitergehen wollen. Um das Leben des Kindes zu retten, büßten sie ihr eigenes ein.

Laut Bericht sollen in jener Nacht in und um Omsk über hundert Personen durch den Orkan umgekommen sein.

 

Als ich am nächsten Tag wieder nach dem Omsker Vorort „Abbau“ zu meiner Schwester kam, erlebte ich Schreckliches. Der Hof meiner Schwester war schon von alters her eine Einkehrstätte. Als nun am vorigen Tag die gewaltigen Stürme über die Halbsteppen einsetzten, sind eine Menge Menschen mit Fuhren bei ihnen eingekehrt. Die Räume waren notfalls für 30 Personen und auch für so viele Pferde eingerichtet. Aber bei diesem Orkan drängten sich mehr als 100 Menschen in das Haus. Nachdem der Sturm sich gelegt hatte, versuchten die Leute heraus zu kommen. Aber alle Bemühungen schienen vergeblich zu sein. Nun brachen sie die Decke auf und schlugen im Giebel des Hauses die Bretter heraus. Sie stellten dann fest, dass von der Spitze des Hauses nur noch gerade so viel frei war, dass ein Mann heraus klettern konnte. Sie hatten zwar keine Leiter zur Hand, aber sie schafften sich doch noch alle heraus.

Aber in den Stall konnte man nicht hinein, denn der Schnee war höher als das Gebäude. So gruben sie denn das Dach frei, rissen es auf und suchten ihre Pferde. Wie es schon in der Natur der Sache liegt, hatte der Sturm auch hier den engsten Raum mit Schnee vollgepresst. Die Pferde standen im Schnee wie eingemauert. Von den Pferden waren nur noch die am Leben, die ihren Kopf hoch ans Dach gehalten hatten. Dadurch bekamen sie noch am längsten etwas Luft. Bei den meisten sibirischen Ställen und den aus Lehm oder Rasen erbauten Wohnhäusern dient das niedrige Dach gleich als Decke. So war auch dieser Stall gebaut. Hier brauchte nur etwas abgegraben werden, und die lebenden Tiere schafften sich unter Stöhnen hoch. Etliche Pferde lagen, nachdem man die herausgegraben hatte, stundenlang da, ehe sie zu sich kamen. Die meisten aber waren tot. Dann ging das Suchen und Graben nach den Schlitten los, die sie auf dem Hof stehen gelassen hatten. Die Schlitten mussten mehrere Meter aus dem Schnee herausgegraben werden.

Ich kam dort erst gegen 11 Uhr an. Beim Anblick dieser verwüsteten Stätte überkam mich ein sonderbares, wehmütiges Gefühl. Von oben bis zur Haustür hatten sie schräg eine Treppe im Schnee gegraben. Der Schnee aus dem Hausflur, den anderen Räumen und dem Stall lag über den Häusern. Und oben drauf lagen die toten und die noch lebenden Tiere. Es war ein schauerlicher Anblick, der uns an das Ende aller Dinge erinnerte. Die Menschen gruben und gruben, und suchten, ein jeder nach seinen im Schnee eingeschlossenen Gegenständen. Einige wurden erst im Frühjahr gefunden.

Einer von den Flüchtlingen, auch ein Deutscher, der erst in der Kolonie Trubetzkoi angekommen war, fuhr auch an diesem Tag mit einer Fuhre Holz in die Stadt Omsk. Er hatte schon etwa 40 Kilometer zurückgelegt und war schon ganz in der Nähe des erwähnten Einkehrhofes meiner Schwester. Der Sturm ließ ihn die Kurve über den Damm nicht nehmen, sondern trieb die Fuhre in eine tiefe, etwa 5 Meter breite Schlucht hinein. Hier hatte der Wind den Schnee noch nicht so fest aneinander gepeitscht, so dass die Pferde auf der harten Schneekruste hätten laufen können, wie es sonst auf den weiten Feldern der Fall war. Vergeblich mühte er sich ab, am Ufer wieder hoch zu kommen. So quälte er sich etwa 100 Meter in der Tiefe weiter. Um den Tieren die Last zu erleichtern, hatte er nach und nach das Holz abgeworfen. Endlich, als es ihm gar nicht gelang, ließ er den Schlitten stehen und versuchte so mit den Pferden die Böschung hoch zu kommen. Aber der Sturm tobte dort noch mächtiger. Er alleine hätte ja leicht hinaufkommen können, aber der treue Mann wollte die Pferde nicht im Stich lassen. In dem Einkehrhof erinnerte man sich nachher, während des Orkans Rufe gehört zu haben. Es wagte aber niemand, das Gebäude zu verlassen, weil es nicht sicher war, dass er es wieder findet oder wieder hineinkommen kann.

Im Frühjahr kauften wir uns an diesem Ort, in der Nähe des Einkehrhofes, ein Haus und einen Garten. Als Anfangs April der Schnee geschmolzen war und wir das Vieh auf die Weide ließen, sahen unser Sohn Ruben und andere Kinder, etwa 150 Meter von unserem Hause entfernt, die Spitze einer Mütze aus dem Schnee herausstecken. Als sie die Mütze aufhoben, gewahrten sie einen Menschen. Sie kamen gelaufen und brachten uns die Nachricht. Wir liefen hin und sahen auch schon einige Krähen dort, wo die Pferde standen, mit dem Schneegraben beschäftigt. Der Mann stand auf einem Fuß und einem Knie zwischen den Pferden. Er hielt beide Zaumzügel in den Händen – so war er vom Schnee zugeweht worden.

So geht es auch im Geistlichen. Die Menschen werden vom Sturm dieser Welt vom ebenen, schmalen Weg heruntergebracht und ins Verderben gestürzt. Der Feind lässt sie dann nicht eher los, bis er sie zugrunde gerichtet hat. Der Mann war vom richtigen Weg abgekommen und hatte dadurch sein Leben eingebüßt. Und nicht nur das. Wie mögen seine Angehörigen daheim gewartet und gebangt haben! Im Geistlichen ist es genauso: Wer den rechten Weg verlässt, verliert nicht nur sein geistliches Leben, sondern er bereitet auch seinen Nahestehenden dadurch großen Kummer.

Zu Hause bangte sich das Söhnchen sehr um seinen Vater. Als nun Woche um Woche verging, ohne eine Spur vom Vater zu finden, sagte man dem Jungen: „Dein Vater ist tot!“ Doch das Kind hatte den Ausdruck „tot“ nicht verstanden. Als man nämlich im Frühjahr die Kunde empfing, der Vater sei gefunden, wurde sogleich ein Wagen geschickt, um ihn abzuholen. „Jetzt wird man den Vater bringen, aber er ist tot!“ – sagte man dem Jungen wieder. Der Wagen kam, das Kind lief ihm freudig entgegen. Es rief den Vater, fasste seine Hand und versuchte sie hin und her zu bewegen. Da das nicht ging, sagte es traurig: „Es ist ja kein Leben im Vater!“ Erst hatte es sich um ihn gebangt, dann sich auf ihn gefreut. Und nun, da er da war, musste es von ihm zurückgehen. Es war kein Leben in ihm!

So freut man sich manchmal, mit einem lieben geistlichen Verwandten nach langer Zeit wieder zusammen zu treffen. Man hat ein inniges Verlangen, ein Sehnen, man wartet, man möchte gern mit ihm zusammen sein und Gemeinschaft mit ihm pflegen. Und wenn uns auch jemand sagt, dass der Betreffende „tot“ ist und kein christliches Leben mehr führt, kann man es kaum fassen. Denn man hat doch seinerzeit geistliche Gemeinschaft mit ihm gehabt. Trifft man nun mit ihm zusammen, stellt man fest, dass es so ist und dass man keine innere Gemeinschaft mehr mit ihm haben kann. Es ist in seinem Inneren kein Leben mehr. Und vor dem Tod müssen die Lebenden weichen.