Eine seltsame Erfahrung

Als ich zur zweiten Konferenz nach dem Gemeindeort eingeladen wurde, nötigte mich der Diakon unserer Gemeinde, auf seinem Pferdewagen mitzufahren. Es war mir sehr hilfreich, dass ich das schnelle Aufsteigen auf die Wagen gelernt hatte. Denn auf jenen sandigen und hügeligen Wegen tut es not, es den Tieren zu erleichtern. So steigt der Fuhrmann und möglichst auch die Fahrgäste bei der Fahrt bergauf und durch tiefen Sand vom Wagen ab. Mein Fuhrmann und ich sprangen schnell herunter. Aber, ehe ich es mir versah, war er wieder schnell auf der Fuhre. Er hatte die Gewohnheit, dann sofort jedem Pferd eins mit der Peitsche zu geben, und fort ging es im Galopp. Notgedrungen fand ich mich auch schnell darein. Wer nicht mit ihm zugleich auf dem Wagen war, musste zusehen, wie er weiterkam. Er wartete nicht und sah sich auch nicht nach dem anderen um. Ich betete ernstlich zum Herrn, mir in diesen Anfechtungen auch gnädig zu sein und mir zu helfen, alles geduldig anzunehmen. Nicht allein, dass ich den Tag über etwa 150 Mal überstürzend auf und absteigen und dabei auch meine Kleidung ruinieren musste. Ich glaubte unter anderem auch, dass er mich ausprobieren wollte als Diakon, ob ich auch als ein Prediger genügend Geduld haben würde. Allerdings brachte ich auch nicht so viel Mut auf, ihm hiervon und hierüber etwas zu sagen.

Zu Hause angekommen, sagte seine Frau zu mir: „Jetzt wirst du auch meinen Johann kennen. Er ist von Kind auf ein Holzfuhrmann gewesen, und das ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Mit Leuten auf der Fuhre zu fahren, liegt ihm nicht. Mit mir macht er es genau so, darum verlasse ich den Wagen unterwegs gar nicht. Als ich jünger war, bin ich auch öfter abgestiegen. Aber es kam auch vor, dass ich zu Fuß gehen musste und ein paar Stunden später nach Hause kam“.

Auf dieser vorher erwähnten Konferenz teilte mir auch unser ältester Prediger mit, dass auch Prediger Müller aus Shitomir überzeugt ist, dass ich von Gott zum Predigen berufen sei. Bald erhielt ich vom Seminar auch die Zusage, unter gleichzeitiger Aufforderung, am 1. September 1908 im Predigerseminar in Lodz einzutreffen.

Wieder legte sich eine große Bangigkeit auf mein Herz. Ich befürchtete, dass mich dort manches aufhalten könnte, nach dem Evangelium zu leben und zu handeln. Gott schenkte mir bei meinem Bruder Eduard die Möglichkeit, mir einen Gebetsplatz einzurichten, auf dem ich vollkommen ungestört vor Gott sein konnte. Dort schrie ich oft zu Gott, dass er meinen Eintritt ins Predigerseminar nicht zulassen möge, wenn es nicht sein Wille sei.

Zur Arbeit im Werke des Herrn hatte ich große Freudigkeit und einen starken inneren Trieb. Dieses hatten auch die älteren Brüder bald bemerkt. Es war dort so üblich. An dem Ort war kein Prediger. Und so wurden von den Diakonen solche Brüder, denen sie das Vertrauen schenkten und bei denen sie auch die Fähigkeiten dazu spürten, zum Leiten der Gottesdienste herangezogen. Unter den etwa 50 Männern dort hatten sie uns zwei, einen älteren Bruder von ca. 70 Jahren und mich, dazu bestimmt. Es ging besonders darum, die Hauptgottesdienste am Sonntagvormittag zu leiten.